UV-Licht zum VerstÀndnis des Klimawandels
FWF: Ihre Messmethode ist völlig neuartig. Worum geht es? Birgitta Schultze-Bernhardt: Es handelt sich im Prinzip um Spektroskopie. Dabei fĂ€chern wir Licht nach Farben auf â wie bei einem Regenbogen. Wenn man in diesen Strahl eine Probe hĂ€lt, dann wird man sehen, dass unterschiedliche Farben unterschiedlich stark verschluckt werden. Die Signatur, die dabei entsteht, kann sehr charakteristisch fĂŒr ein bestimmtes Element sein, wie ein Fingerabdruck. FWF: Worin liegt bei Ihrer Methode die Besonderheit? Schultze-Bernhardt: Wir verwenden eine Versuchsanordnung, die Lichtquelle und Spektrometer in einem ist. Das Besondere ist, dass sie sehr stabile Laser beinhaltet, die sogenannten FrequenzkĂ€mme, fĂŒr deren Erfindung mein Doktorvater Theodor HĂ€nsch 2005 mit dem Nobelpreis fĂŒr Physik ausgezeichnet wurde. Diese Laser arbeiten meist im Infrarotbereich. Das ist gut und praktisch, weil sich damit Schwingungen und Rotationen von MolekĂŒlen sehr gut untersuchen lassen. Es gibt aber noch keinen solchen Laser, der direkt im UV-Bereich emittiert. Dabei ist gerade der UV-Bereich interessant. FWF: Warum der UV-Bereich? Schultze-Bernhardt: Weil chemische Reaktionen durch UV-Licht angeregt werden. Das Problem ist, dass Laser kein UV-Licht emittieren können, weil fĂŒr solche WellenlĂ€ngen keine VerstĂ€rkungsmedien existieren. Es gibt aber eine Möglichkeit, optische Methoden zu nutzen, um infrarotes Licht in ultraviolettes Licht umzuwandeln. Der Prozess ist allerdings sehr ineffizient. Wir nutzen Hochleistungslaser, um am Ende gerade genug UV-Licht ĂŒbrigzuhaben, um damit Experimente zu machen. In den vergangenen Jahren hat sich die Lasertechnologie weiterentwickelt, und ich habe in meiner Doktorarbeit und Postdoc-Zeit sehr intensiv an dieser Methode gearbeitet, sodass wir jetzt an diesem Punkt sind, das zu nutzen, um endlich Spektroskopie damit zu betreiben. Dank dieser Lichtquelle können wir eine Million Mal schneller messen als vergleichbare, traditionelle Spektrometer. Und das ist sehr aufregend.
âWir können nun eine Million Mal schneller messen als vergleichbare, traditionelle Spektrometer. Und das ist sehr aufregend.â
FWF: Was wollen Sie untersuchen? Schultze-Bernhardt: Wie infrarote Strahlung mit der AtmosphĂ€re wechselwirkt, darĂŒber ist recht viel bekannt. Ăber den Ultraviolettbereich ist nicht so viel bekannt. Diese Strahlung hat eine so hohe Energie, dass sie viele photochemische Prozesse in der AtmosphĂ€re in Gang setzen kann. Diese erzeugen ĂŒber Kaskaden von Effekten Infrarotstrahlung, die direkt die AtmosphĂ€re aufheizt, erzeugen aber auch neue MolekĂŒle, indem sie Luftbestandteile aufspalten, etwa Stickstoffdioxid, das ĂŒber weitere Prozesse zu Ozon werden kann. Mein Projekt bietet eine ganz besondere Möglichkeit: Mit sehr hoher spektraler Auflösung und sehr breitbandig zu arbeiten â also mit ganz vielen Farben auf einmal. Das bedeutet, dass wir komplexe Gasgemische untersuchen können und noch dazu zeitaufgelöst. Wir können im Labor praktisch ein Video von chemischen Prozessen in Echtzeit aufnehmen, die auch in der AtmosphĂ€re passieren können. FWF: Wie wird der erste Schritt aussehen? Schultze-Bernhardt: Die Laser, die wir nutzen, emittieren wie gesagt im Infrarotbereich und wir können das Licht durch nichtlineare Optik erst einmal in sichtbares Licht umwandeln. Von dort machen wir schrittweise weiter, verschieben das Licht in den blauen, in den lila Spektralbereich und schlieĂlich ins UV. TatsĂ€chlich gibt es in jedem dieser spektralen Fenster unterschiedliche Gase von atmosphĂ€rischer Relevanz, die da ihre ganz eigenen Verhaltensweisen haben. Wir wollen im sichtbaren Licht mit Stickstoffdioxid beginnen. FWF: Was Ă€ndert sich fĂŒr Sie durch den Gewinn des START-Preises? Schultze-Bernhardt: NatĂŒrlich ist es fĂŒr mich ausgezeichnet, dass ich die nĂ€chsten Jahre genau dieses Ziel verfolgen kann. Ich hatte genug Zeit, mir das vorab zu ĂŒberlegen, Vorstudien zu leisten. Ich weiĂ genau, was interessant ist, was wir uns anschauen wollen, und kann das jetzt finanziell abgesichert aufbauen, was sich seit meiner Doktorarbeit entwickelt hat. FWF: Was motiviert Sie besonders an dieser Arbeit? Schultze-Bernhardt: Ich will als Wissenschaftlerin manches einfach genau wissen. Man kennt manche Prozesse in komplexen Gasgemischen wie der AtmosphĂ€re ungefĂ€hr. Man weiĂ, dies und jenes kann passieren. Aber man weiĂ nicht, was machen die Elektronen dabei genau, wie schnell sind sie dabei? Diese Möglichkeit, dass wir tatsĂ€chlich im Labor durch diverse Tricks diese unvorstellbar schnellen Prozesse aufnehmen können, und das auch noch schön aussieht â das ist es, was SpaĂ macht. FWF: Also ist es die Begeisterung fĂŒr die Grundlagen. Oder spielt die Anwendung auch eine Rolle? Schultze-Bernhardt: Das Interesse wĂ€chst gerade. Ich komme komplett aus der Grundlagenforschung und finde jetzt gerade diesen neuen Aspekt, dass das von unmittelbarer Relevanz fĂŒr den Alltag sein kann, sehr spannend. Mir gefĂ€llt, dass man mit recht abstrakter Grundlagenforschung Fragen beantworten kann, die fĂŒr uns so wichtig sind.
Birgitta Schultze-Bernhardt forscht am Institut fĂŒr Experimentalphysik und am Institut fĂŒr Materialphysik der Technischen UniversitĂ€t Graz. Sie interessiert sich fĂŒr Licht, insbesondere fĂŒr Kurzpulslaser und FrequenzkĂ€mme als besondere Laserlichtquellen und ihre Anwendungen. Schultze-Bernhardt hat an der FakultĂ€t fĂŒr Physik der Ludwig-Maximilians-UniversitĂ€t in MĂŒnchen und am Max-Planck-Institut fĂŒr Quantenoptik in Garching unter Physik-NobelpreistrĂ€ger Theodor W. HĂ€nsch promoviert.
Zum Projekt âELFISâ steht fĂŒr Elektronische Fingerabdruck-Spektroskopie. Das Ziel ist, lichtinduzierte chemische VerĂ€nderungen von MolekĂŒlen, die als Spurengase in der AtmosphĂ€re vorkommen, zu untersuchen. Die dazu verwendeten sogenannten FrequenzkĂ€mme erlauben es, diese Untersuchungen in einem breiten Spektralbereich durchzufĂŒhren und gleichzeitig extrem hohe Zeitauflösung von Femtosekunden zu erreichen â billiardstel Sekunden.
Der START-Preis Das START-Programm des Wissenschaftsfonds FWF richtet sich an junge Spitzenforschende, denen die Möglichkeit gegeben wird, auf lĂ€ngere Sicht und finanziell weitgehend abgesichert ihre Forschungen zu planen. Es ist mit bis zu 1,2 Millionen Euro dotiert und zĂ€hlt neben dem Wittgenstein-Preis zur prestigetrĂ€chtigsten und höchstdotierten wissenschaftlichen Auszeichnung Ăsterreichs.