Unterwegs zwischen Darmbakterien in Oxford
Bereichernde Erfahrungen als Wissenschaftlerin macht man am besten, wenn man aus seiner Komfortzone rausmuss. Für mich bedeutete das, gemeinsam mit meinem Mann, einem Immunologen, und unseren zwei Töchtern (3 Monate und 3 Jahre alt) während des Lockdowns im Frühling 2021 nach England zu übersiedeln. Als wir nach zehn Tagen Quarantäne unser kleines Reihenhaus zum ersten Mal verlassen durften und in die unglaublich grüne, historische Stadt Oxford schlenderten, waren wir sofort begeistert. Es dauerte nicht lange, bis wir mit unserem Lastenrad sämtliche Parks, Meadows und Museen erkundet hatten.
Für meinen Partner und mich war ein wissenschaftlicher Hub wie Oxford die perfekte Lösung unseres Two-Body-Problems. Wir beide fanden hier die Arbeitsgruppen unserer Träume. Das Schrödinger-Stipendium half mir als Wissenschaftlerin und Mutter, die Kindergartenkosten für beide unserer Kinder stemmen zu können, besonders nach einem Jahr unbezahlter Karenz, was ein Umzug ins Post-Brexit-Großbritannien mit sich brachte. In den ersten Monaten in England, während meiner Karenz, war für mich der Kontakt nach Hause sehr wichtig und ich arbeitete mit meinem PhD-Supervisor daran, ein Manuskript fertigzustellen. Für meine Doktorarbeit habe ich mittels Laborexperimenten die Evolution von Colibakterien erforscht. Die Ergebnisse waren spannend, aber eine Frage blieb bestehen: Würden dieselben evolutionären Vorgänge in der echten Welt, also zum Beispiel im Darm, wo E. coli normalerweise vorkommt, auch so passieren?
Die Mikrobiologin Isabella Tomanek fasziniert, wie das Zusammenspiel von Ökologie und Evolution mikrobielle Gemeinschaften wie das Darmmikrobiom formt.
Wie Bakteriengemeinschaften im Darm zusammenarbeiten
In meinem Postdoc wollte ich nun über meinen Tellerrand als Bakteriengenetikerin hinausschauen. Außerhalb des Labors ist E. coli Teil einer vielfältigen Bakteriengemeinschaft, wo hunderte von Bakterienarten um Nährstoffe konkurrieren, aber sich auch manchmal gegenseitig „helfen“. All diese Interaktionen zwischen den Bakterien sind entscheidend dafür, wie das Ökosystem Darm(flora) funktioniert. In meinem Postdoc untersuche ich viele verschiedene Darmbakterien zusammen, unter anderem die regenbogenfarbenen im Bild. Diese werden in kleinen sauerstofffreien Bioreaktoren in einer anaeroben Kammer (siehe Bild) kultiviert. Mich interessiert die Stabilität dieser verschiedenen Bakteriengemeinschaften und Fragen wie: Wird so eine Bakteriengemeinschaft gestört – etwa durch die Einnahme eines Antibiotikums –, wie lange dauert es, bis sie wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurückfindet? Meine beiden inzwischen halbbritischen Töchter finden meine Forschung übrigens very funny – „Mommy is a poo scientist“.
„Jeder hat seine Wurzeln anderswo“
Seit meiner Doktorarbeit am ISTA in Klosterneuburg war ich es gewohnt, mit Leuten aus verschiedenen Disziplinen und Ländern zusammenzuarbeiten. Wissenschaft ist am spannendsten, wenn sie grenzenlos ist. Ich bin sehr dankbar, dass das Schrödinger-Stipendium mir ermöglicht hat, Teil dieser wissenschaftlichen Gemeinschaft zu werden, die international und offen ist.
In England Fuß zu fassen fiel uns leicht: Die Leute sind hier genauso freundlich, wie man es sich vorstellt, und in einer Stadt wie Oxford hat jeder seine Wurzeln anderswo. Die Universität Oxford ist ein herrlicher Ort, um zu forschen. Von einer solchen Top-Uni würde man vielleicht ein kompetitives Miteinander erwarten, aber ganz das Gegenteil ist der Fall: Ich empfinde das Umfeld als wertschätzend, Inklusion wird großgeschrieben und der Umgang ist von britischer Höflichkeit geprägt.
Nicht nur hat mein Postdoc es mir ermöglicht, in die Welt der mikrobiellen Ökologie einzutauchen und neue Kultivierungsmethoden zu erlernen, ich war auch ein bisschen in der Lehre tätig: Es war eine der bereicherndsten Erfahrungen, meine Faszination für Bakterien, ihre Vielfältigkeit und Anpassungsfähigkeit an die nächste Generation von Biolog:innen weiterzugeben.