Erhalten anerkannte GeflĂŒchtete Hilfe bei der Wohnungssuche, finden sie nachweislich auch leichter Arbeit. Das unterstĂŒtzt insbesondere alleinstehende MĂ€nner, wie Beispiele aus Westösterreich zeigen. © Linkedin Sales Solutions/unsplash

WĂ€hrend aus ihren HerkunftslĂ€ndern Vertriebene in Österreich auf eine Anerkennung als geflĂŒchtete und asylberechtigte Menschen warten, sind sie zur UntĂ€tigkeit verurteilt. Sie sind in Grundversorgungsquartieren untergebracht, die von der öffentlichen Hand finanziert werden, dĂŒrfen keiner ErwerbstĂ€tigkeit nachgehen und haben nur eingeschrĂ€nkten Zugang zu Sprachkursen. Das Warten auf die GewĂ€hrung des Schutzstatus dauert oft Jahre. Ist die Anerkennung dann gegeben, soll alles schnell gehen. „Von einem Tag auf den anderen wird nun erwartet, dass die GeflĂŒchteten sehr selbststĂ€ndig agieren, um ihr Leben in Österreich zu organisieren. Innerhalb kĂŒrzester Zeit sollen sie die Sprache lernen sowie Arbeit und Wohnraum finden“, betont Fanny Dellinger von der UniversitĂ€t Innsbruck.

Die Ökonomin hat untersucht, wie sich eine UnterstĂŒtzung der GeflĂŒchteten bei der oft besonders schwierigen Wohnungssuche auswirkt. Die Studie, die im Rahmen des vom Wissenschaftsfonds FWF finanzierten Projekts „MobilitĂ€t, Migration und regionale Auswirkungen“ entstand, geht der Frage nach, wie Hilfestellungen bei der Unterbringung der anerkannten GeflĂŒchteten in Österreich organisiert sind und welche Folgen sie fĂŒr eine weitere große Integrationsleistung haben – das Finden eines Arbeitsplatzes. Die Untersuchung, deren Publikation im Journal Housing Studies vorbereitet wird, ist gleichzeitig auch Teil von Dellingers Dissertation, die sie am Institut fĂŒr Wirtschaftstheorie, -politik und -geschichte der UniversitĂ€t Innsbruck verfasst.

„Die Wohnungssuche ist aus mehreren GrĂŒnden herausfordernd fĂŒr die GeflĂŒchteten. Zum einen ist da das Sprachproblem. Internetrecherche, Mails schreiben, telefonieren – all das fĂ€llt schwer, wenn man sich nicht gut verstĂ€ndigen kann“, beschreibt Dellinger. „Auf der anderen Seite sind viele Wohnungsbesitzer zurĂŒckhaltend, wenn es darum geht, an GeflĂŒchtete zu vermieten – schon deshalb, weil die meisten noch ohne eigenes Einkommen dastehen. Zudem leiden viele GeflĂŒchtete unter dem schlechten Ruf ihrer HerkunftslĂ€nder. Viele Menschen aus Afghanistan oder Syrien werden stark diskriminiert.“

Viele GeflĂŒchtete wandern nach Wien ab

Die GeflĂŒchteten haben nach der Anerkennung lediglich vier Monate Zeit, eine eigene Unterkunft zu finden – meist dĂŒrfen sie nicht lĂ€nger in ihrer Grundversorgungseinrichtung bleiben. Die UnterstĂŒtzung, die ihnen dabei zuteilwird, ist von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich. „In KĂ€rnten und dem Burgenland gibt es kaum UnterstĂŒtzung. In Niederösterreich ist die Hilfe auf Familien und auf wenige Bezirke beschrĂ€nkt; in Salzburg, Oberösterreich und der Steiermark springen NGOs ein, beispielsweise indem sie zwischen vermietenden Personen und GeflĂŒchteten vermitteln und ein Mietausfallrisiko ĂŒbernehmen“, zĂ€hlt die Ökonomin auf. „Oft können die gebotenen Chancen aber eine Abwanderung nach Wien nicht verhindern. Dort gibt es nicht nur grĂ¶ĂŸere ethnische Communitys, die die GeflĂŒchteten anziehen, sondern auch eine Sozialhilferegelung, die das Wohnen in Wohngemeinschaften im Vergleich zu anderen BundeslĂ€ndern bevorzugt.“

Im Vergleich aller BundeslĂ€nder bieten Tirol und Vorarlberg die meiste UnterstĂŒtzung bei der Wohnungssuche. Denn hier haben die GeflĂŒchteten die Möglichkeit, ĂŒber die Viermonatsfrist hinaus in ihrer Grundversorgungsunterkunft zu bleiben. „Wenn sie die Anerkennung bekommen, wird den FlĂŒchtlingen hier ein Untermietsvertrag fĂŒr jenen Wohnplatz angeboten, an dem sie bereits die Grundversorgungszeit verbracht haben“, schildert Dellinger. „Sie wechseln damit in ein anderes System, ohne aber die Wohnung wechseln zu mĂŒssen.“

Unterschiede zwischen alleinstehenden MĂ€nnern und MĂ€nnern mit Familie

Wie wirken sich die jeweiligen UnterstĂŒtzungsvarianten nun auf die Arbeitsmarktintegration der GeflĂŒchteten aus? Um diese Frage zu beantworten, hat Dellinger Registerdaten der österreichischen Sozialversicherungen, die vom Arbeitsmarktservice zur VerfĂŒgung gestellt wurden, ausgewertet. Die Ökonomin hat dabei nicht nur auf eine AufschlĂŒsselung nach BundeslĂ€ndern fokussiert, sondern auch jeweils zwei verschiedene Gruppen unterschieden: alleinstehende MĂ€nner und MĂ€nner mit Familie. Durch das Herausarbeiten des VerhĂ€ltnisses dieser Gruppen kann ausgeschlossen werden, dass die Arbeitsmarkteffekte nicht allein aus regionalen wirtschaftlichen Unterschieden resultieren.

„Die Untersuchung zeigt klar, dass eine stĂ€rkere UnterstĂŒtzung bei der Wohnungssuche auch einen höheren Arbeitsmarkterfolg vor Ort bringt und die Abwanderung in die Bundeshauptstadt gebremst wird“, resĂŒmiert Dellinger. In allen BundeslĂ€ndern zeigt sich dabei ein Vorteil fĂŒr alleinstehende MĂ€nner am Arbeitsmarkt, die eine höhere FlexibilitĂ€t und MobilitĂ€t mitbringen. Allerdings fĂ€llt dieser Vorteil in BundeslĂ€ndern mit wenig UnterstĂŒtzung – und gerade Alleinstehende haben hier noch weniger Zugang zu Hilfe als FamilienvĂ€ter – deutlich kleiner aus als in Tirol und Vorarlberg: „In den BundeslĂ€ndern mit wenig UnterstĂŒtzung schlagen sich die Alleinstehenden am Arbeitsmarkt deutlich schlechter, als zu erwarten wĂ€re“, erklĂ€rt Dellinger. „Sie gehen nach Wien, wo die Jobaussichten aber nicht so gut sind. Hier wird viel Potenzial vergeben.“

Bundesweite Regelanpassung und StÀrkung von NGOs gefordert

FĂŒr die Ökonomin lassen sich aus den Ergebnissen klare Empfehlungen ableiten. Zum einen sollte das erfolgreichere westösterreichische Modell in ganz Österreich Anwendung finden. Gleichzeitig sollte der NGO-Bereich gestĂ€rkt und eine ĂŒberregionale Wohnraumvermittlung angedacht werden, die anerkannte GeflĂŒchtete in Regionen mit hohem ArbeitskrĂ€ftebedarf bringt. 

Die Daten, die der Untersuchung zugrunde liegen, stammen aus der Zeit vor dem Ukraine-Krieg. FĂŒr aus der Ukraine GeflĂŒchtete gelten andere Regelungen. Sie erhalten derzeit temporĂ€ren Schutz und haben Zugang zum Arbeitsmarkt. Diese Situation bringt eine neue Dynamik: „GeflĂŒchtete aus der Ukraine sind nicht Teil des Asylsystems und erhalten auch keine entsprechenden Sozialleistungen – das könnte sich noch zu einem großen sozialen Problem entwickeln“, so Dellingers EinschĂ€tzung. „Gleichzeitig sind Hoffnungen auf neue Impulse fĂŒr den Arbeitsmarkt wahrscheinlich ĂŒberzogen. Ein großer Teil der GeflĂŒchteten aus der Ukraine sind alleinerziehende Frauen mit Kindern, die am Arbeitsmarkt, insbesondere aufgrund fehlender Kinderbetreuung, auf große HĂŒrden treffen werden.“


Zur Person

Fanny Dellinger widmet sich in ihrer Dissertation an der UniversitĂ€t Innsbruck der Integration von GeflĂŒchteten in Österreich. Sie hat Volkswirtschaftslehre an der UniversitĂ€t Wien studiert und war am Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) und an der UniversitĂ€t Wien als Junior Researcher tĂ€tig. Im Rahmen ihres Doktorats arbeitet Dellinger im Projekt „MobilitĂ€t, Migration und regionale Auswirkungen“ mit, das vom Wissenschaftsfonds FWF mit 203.000 Euro gefördert wird. Projektleiter ist Michael Pfaffermayr vom Institut fĂŒr Wirtschaftstheorie, -politik und -geschichte der UniversitĂ€t Innsbruck.


Publikationen

Dellinger F.: Housing Support Policies and Refugees’ Labor Market Integration in Austria, in: Working Papers in Economics and Statistic 2021–32. Research platform “Empirical and Experimental Economics”, University of Innsbruck, 2021 (pdf)

Dellinger F., Huber P.: The impact of welfare benefits on the location choice of refugees testing the Welfare Magnet Hypothesis, in: WIFO Working Papers No. 626, Vienna 2021