Livia Tomova
Besuch aus der österreichischen Heimat. © Livia Tomova

Wir leben in einer zunehmend vernetzten Welt – technologische Fortschritte in Bereichen wie Social Media erlauben es uns, konstant mit anderen verbunden zu sein. Dennoch ist Einsamkeit und soziale Isolation weltweit am Steigen – dies ist im Moment durch die sogenannten Social-Distancing-Maßnahmen gegen Covid-19 noch deutlich verstärkt worden. Isolation kann zu schwerwiegenden Konsequenzen für die mentale und physische Gesundheit und folglich zu massiv erhöhten Gesundheitskosten führen.

Dennoch ist das Phänomen der Einsamkeit – also das Empfinden einer Diskrepanz zwischen den gewollten und den real verfügbaren sozialen Interaktionen – derzeit noch wenig verstanden. Unklar ist vor allem, wie sich der Wunsch nach sozialen Interaktionen im menschlichen Gehirn repräsentiert. Mein Erwin-Schrödinger-Projekt am Massachusetts Institute of Technology (MIT) zielte darauf ab, diese Lücke in der Forschung zu füllen. Konkret versuchte ich in dem Projekt herauszufinden, ob und wie sich soziale Motivation auf neuronaler Ebene im menschlichen Gehirn zeigt.

Neue Forschungsrichtung mit Schrödinger-Stipendium

Mein Weg hatte mich schon vor dem Stipendium des Wissenschaftsfonds FWF in die USA geführt. Ein Max-Kade-Stipendium ermöglichte es, dass ich bereits eineinhalb Jahre davor zu Stress und sozialer Kognition am MIT forschen konnte. Während dieser Zeit erfuhr ich von einer Studie einer anderen Arbeitsgruppe am MIT. Die Neurowissenschaftlerin Kay Tye und ihr Team untersuchten die neuronalen Effekte von Einsamkeit im Gehirn der Maus. Ich war beeindruckt von dieser spannenden Forschung und besprach mit Rebecca Saxe, meiner damaligen Betreuerin, die neue Idee. Können wir versuchen festzustellen, wie ähnlich (oder anders) die neuronale Repräsentation von Einsamkeit und der Wunsch nach sozialen Interaktionen im menschlichen Gehirn sind? Rebecca Saxe fand das Thema ebenso spannend wie ich, und wir starteten eine Kollaboration mit der Gruppe von Kay Tye, für die ich einen Antrag für ein Schrödinger-Stipendium beim FWF einreichte.

Von Nische zu Rampenlicht

Mein Antrag wurde genehmigt und wir konnten unsere Studie starten. Dabei zeichneten wir mittels funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) Gehirnaktivität nach kurzzeitiger sozialer Isolation auf, um zu sehen, wie sich der Wunsch nach sozialen Interaktionen im Gehirn abbildet. Es ist eine Ironie des Schicksals, dass wir unsere Untersuchungen genau zu dem Zeitpunkt abschließen, konnten als die Corona-Pandemie global ausgebrochen ist und unsere Forschung dadurch schlagartig ins Rampenlicht rückte. Die Ergebnisse zu den Effekten von sozialer Isolation auf das menschliche Gehirn wurden kürzlich in Nature Neuroscience veröffentlicht.

Die Unterstützung meiner Mentorin Rebecca Saxe und die einzigartige Arbeitsumgebung am MIT habe ich als besonders bereichernd erlebt. Nicht nur für mich als Nachwuchsforscherin, sondern auch auf persönlicher Ebene. Der Besuch von Seminaren und Vorträgen, die einzigartigen Möglichkeiten mit Weltklasse-Forscherinnen und -Forschern zu diskutieren, und der Ideenaustausch mit meinen Kolleginnen und Kollegen waren besonders inspirierend.

Ich schätze mich sehr glücklich, mit Hilfe des Erwin-Schrödinger-Stipendiums all diese Erfahrungen gemacht haben zu dürfen. Nach dem Ende meiner Postdoc-Stelle am MIT im Juli 2020 habe ich eine Stelle als Research Fellow an der University of Cambridge angetreten, wo ich derzeit zu den Effekten von Isolation auf Jugendliche forsche. Ich freue ich mich schon auf alle Herausforderungen, die meine neue Forschung noch für mich bereithält.