Zwei Kameramänner drehen Kochvideo mit Schüler in der Küche der Lehranstalt
Profis am Werk beim Dreh der Kochvideos für das Projekt "BaMiKo". © Darm Kram

Die Schülerinnen und Schüler der HBLFA Tirol bitten zu Tisch. Mit dabei: Erkenntnisse aus der Mikrobiom-Forschung. In einem vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt entwickelten die Jugendlichen ballaststoffreiche Rezepte auf Basis aktueller Forschungsergebnisse. Entstanden sind Videos, die Spaß am Kochen mit Wissenschaftskommunikation verbinden. Zuschauer:innen lernen nicht nur, wie man Wipptaler Nudeln oder Ballaststoff-Burger zubereitet, sondern auch, warum die Mahlzeiten für das Darmmikrobiom lebensnotwendig sind.

Kochen mit wissenschaftlichem Mehrwert

Hinter dem Projekt stehen die Ernährungswissenschaftlerin Annelieke Overbeeke und der Biologe David Berry von der Universität Wien. Sie setzen auf Partizipation und neue Medien. In kurzen Kochvideos, aber auch ausführlicheren Interviews mit Wissenschaftler:innen bringen sie das Darmmikrobiom auf Plattformen wie Youtube oder Instagram. „Wir wollen zeigen, dass wir Ballaststoffe nicht nur für unsere Gesundheit essen, sondern auch für die unseres Mikrobioms“, erzählt Berry.

„BaMiKo: Ballaststoffe, Mikrobiologie und Kochen“ ist eines von sieben Projekten, die der Wissenschaftsfonds FWF anlässlich des zehnjährigen Jubiläums seines Programms für Wissenschaftskommunikation im Jahr 2023 zur Förderung ausgewählt hat. Jetzt sind die Kochvideos online verfügbar.

Das auf wissenschaftlichen Grundlagen entwickelte Kommunikationsprojekt „BaMiKo: Ballaststoffe, Mikrobiologie und Kochen“ richtet sich an verschiedene Altersgruppen. Workshops und Kochvideos vermitteln die Bedeutung von Ballaststoffen für das Mikrobiom des Darms.

Rezepte, die schmecken und dem Darm guttun stehen im Mittelpunkt: von Sauerkraut-Muffins bis zu Lasagne und Linsenwraps. 

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In 5-Minuten-Videos treffen Kochkurs und Wissenschaft aufeinander.


Gemeinsam Forschung in den Alltag bringen

Das Projekt basiert auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen über das Darmmikrobiom. Einige dieser Grundlagen wurden zu Beginn mit den Jugendlichen besprochen. Danach ging es ans Eingemachte: Gemeinsam wurden ballaststoffreiche Rezepte entwickelt, gekocht und gefilmt. „Junge Menschen für Wissenschaft zu begeistern, kann eine Herausforderung sein. Aber spätestens, als ich ihnen erzählt habe, dass der ORF uns besuchen und über das Projekt berichten will, waren alle Feuer und Flamme“, erzählt Overbeeke und lacht.

„Ein bis zwei Tage Ballaststoffmangel reduzieren das Darmmikrobiom so stark, wie die Einnahme eines Breitbandantibiotikums.“ Annelieke Overbeeke

Futter für das Mikrobiom

Doch warum brauchen wir ballaststoffreiche Lebensmittel auf dem täglichen Speiseplan? Das liegt daran, dass sie den Mikroorganismen im Darm als Nahrung dienen – der genaue Prozess bildet die Grundlage für die Forschung von Berry und Overbeeke. „Das BaMiKo-Projekt ist aus den Ergebnissen meiner Doktorarbeit entstanden“, erzählt die Ernährungswissenschaftlerin. „Mir ist es wichtig, den Menschen dieses Wissen zurückzugeben.“

In ihrer Arbeit konnte Overbeeke zeigen, dass bereits ein bis zwei Tage Ballaststoffmangel das Darmmikrobiom so stark reduzieren, wie die Einnahme eines Breitbandantibiotikums. Das kann drastische Folgen für den Körper haben. „Unser Organismus ist von Mikroorganismen besiedelt, vor allem der Darm. Sie sind wichtig für unsere Physiologie und verhindern die Entstehung von Krankheiten“, erklärt Berry.

Linsenwraps auf einem Teller angerichtet
Einfach zuzubereiten sind die Linsen-Wraps. Das Rezept kommt beim Publikum besonders gut an. © zimtnow

Warum Ballaststoffe wichtig sind

Ob süß oder salzig, die Rezepte enthalten unverarbeitetes Getreide, Gemüse, Samen und Nüsse – alles Ballaststofflieferanten. „Wenn wir von Ballaststoffen sprechen, meinen wir meist Polysaccharide, Ketten aus Kohlenhydraten wie Glukose oder Fruktose. Sie können vom menschlichen Verdauungssystem nicht verarbeitet werden, wohl aber von den Enzymen der Darmbakterien“, sagt Berry.

Wenn Ballaststoffe über längere Zeit fehlen, verliert das Darmmikrobiom an Vielfalt, den Darmzellen fehlen wichtige Energiequellen und es kommt häufiger zu Infektionen. Dass Ballaststoffe gut für uns sind, zeigt sich laut Berry auch an anderer Stelle: „Schon in der Muttermilch sind Substanzen für die Darmbakterien enthalten, die ein gesundes Mikrobiom beim Baby fördern und zum Beispiel die Entwicklung des Nervensystems beeinflussen.“

Grießgericht mit Apfelmus in einem schönen weißen  Keramikteller serviert
Ein traditionelles regionales Gericht ist der Vorarlberger Riebel. Der originale Grieß mit Teilen der Schale ist besonders ballaststoffreich. Früher diente der Riebel als nährendes Frühstück für die harte Arbeit am Tag. © zimtnow

Wissenschaft, die ankommt

Das Mikrobiom ist wie ein Fingerabdruck – einzigartig bei jedem Menschen. Deshalb sei es wichtig, auch Ernährungsempfehlungen so individuell wie möglich zu gestalten. Die Richtung dafür müsse die Wissenschaft vorgeben, sind sich Berry und Overbeeke einig. „Gerade die junge Generation ist unglaublich schnell, während die Wissenschaft oft Zeit braucht, um die richtigen Antworten zu finden. Umso wichtiger ist es, dass die Menschen lernen, die Qualität und Herkunft von Informationen zu beurteilen“, betont Overbeeke. Initiativen aus der Wissenschaftskommunikation können einen Beitrag dazu leisten, dass die Forschung bei den Menschen ankommt – oder, wie in diesem Fall, auf dem Teller.

Zu den Personen

David Berry ist Professor für Humane Mikrobiomforschung am Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft der Universität Wien. Der gebürtige Amerikaner kam als Postdoc nach Wien und beschäftigt sich seither mit dem Darmmikrobiom sowie der Ökologie und Evolution hinter den Mikroben

Annelieke Overbeeke erforschte als Doktorandin in Berrys Labor, wie Darmbakterien Ballaststoffe aus der Nahrung verarbeiten. Mit ihrer Initiative Darm Kram ist sie in die Wissenschaftskommunikation gewechselt und will Menschen dafür motivieren, ihr Mikrobiom gesund zu halten.

Das Projekt „BaMiKo: Ballaststoffe, Mikrobiologie und Kochen“ wird vom Wissenschaftsfonds FWF über das Programm für Wissenschaftskommunikation mit 76.000 Euro unterstützt. Neben der Universität Wien und Darm Kram arbeiten der gemeinnützige Verein Open Science, die HBLFA Tirol (Höhere Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Landwirtschaft und Ernährung sowie Lebensmittel- und Biotechnologie) und die Film-Produzenten zimtnow an dem Projekt mit.