Daniel Kracher
Daniel Kracher unterwegs in Manchester. © Privat

Ehrlich gesagt habe ich mich noch nie sonderlich für Fußball interessiert. Das mich mein Schrödinger- Stipendium geradewegs in die englische Fußballhauptstadt Manchester führte, geschah vielmehr aus forschungstaktischen Gründen. Hier, so dachte ich, sei der ideale Ort, um mein Forschungsvorhaben umzusetzen, das sich mit der Dynamik und Aktivität von Enzymen aus holzabbauenden Pilzen beschäftigt. Und ich wurde nicht enttäuscht. Das breite Methodenspektrum und die international beachtete Expertise, die mir am Manchester Institute of Biotechnology zur Verfügung standen, ermöglichten es mir, neue Einblicke in die molekularen Bewegungsabläufe dieser Enzyme zu gewinnen und den biologischen Abbau von Biomasse ein Stück weit besser zu verstehen.

Eine offene Forschungskultur

Meine Ideen fielen in Manchester auf fruchtbaren Boden. Nigel Scrutton, der mich in seiner Arbeitsgruppe aufnahm, ließ mir bei der Definition meines Projektes freie Hand. Das Themenfeld, das auch in den Bereich der regenerativen Energieträger fällt, gliederte sich zudem gut in die Forschungsschwerpunkte des Institutes ein. Ich konnte also überaus autonom und selbstbestimmt arbeiten und fand ein kreatives Forschungsumfeld vor. Die sehr flache Hierarchie und der weitgehend offene Umgang unter den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern haben es zudem leicht gemacht, auch mit anderen Arbeitsgruppen Kollaborationen zu starten.

Manchester – zwischen Armut und Aufbruch

Unter diesen Vorrausetzungen viel es mir nicht schwer, ein „Mancunian“ zu werden, wie sich die Einwohner von Manchester gerne nennen. Das Lebensgefühl der Stadt beruht zu einem großen Teil auf dem starken Zusammenhalt ihrer Bewohner, die ich generell als sehr lustig und zuvorkommend erlebt habe. Passenderweise ist die (Arbeiter-)Biene das Stadtsymbol von Manchester – ein allgegenwärtiges Zeichen, das an die industrielle Vergangenheit erinnert. Das so oft mit Manchester assoziierte Erscheinungsbild einer tristen Industriestadt gehört allerdings längst der Vergangenheit an. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten war man stark um Erneuerung und Modernisierung bemüht. Alten Fabrikgebäuden wurde neues Leben als Wohnhäuser, Einkaufszentren, Lokale oder Museen eingehaucht. Die University of Manchester nimmt mit ihrer Weitläufigkeit übrigens einen beträchtlichen Teil der Stadt ein und ist ein Konglomerat aus altehrwürdigen Gebäuden und topmodernen Instituten. Dennoch zählt Greater Manchester nach wie vor zu den ärmsten Regionen in England. Armut und Obdachlosigkeit gehören hier genauso zum Straßenbild wie die zahlreichen Studenten und Fußballfans.

Fast Food Nation?

Ein lokales Sprichwort besagt, dass es in Manchester alles gibt bis auf einen Strand. Dem möchte ich allerdings in Bezug auf das Essen höflich widersprechen. Lang wäre nämlich die Liste von (gesunden) Nahrungsmitteln, die man in England nicht so leicht findet, denn Convenience Food dominiert mittlerweile die Supermärkte. Um mein eigenes Wohlbefinden und den aktiven Kulturaustausch zu fördern, machte ich deshalb meinen Freundes- und Kollegenkreis mit Klassikern der österreichischen Küche bekannt, dazu zählen natürlich Sachertorte, Tafelspitz und das berühmte Schnitzel, was auf breite Zustimmung stieß.

Im Gegenzug lernte ich jenes vorzügliche Bier zu schätzen, das in Manchester in einer kleinen Brauerei mit Weltruf gebraut wird. Obwohl ich mittlerweile meinen persönlichen Brexit vollzogen habe, der mich wieder zurück an meine Alma Mater, die Universität für Bodenkultur, führte, möchte ich die Zeit in England nicht missen. Das Schrödinger-Stipendium hat wesentlich zu meiner beruflichen, vor allem aber auch persönlichen Entwicklung beigetragen. Was ich, neben einem Koffer voller Bier, aus England mitgenommen habe sind Forschungsideen, Kollaborationen und fortdauernde Freundschaften, die mich zuletzt auch im Urlaub wieder nach Manchester zurückgeführt haben.