Molekulares Teamwork entschlüsselt
In früheren Arbeiten hatte sich gezeigt, dass die alleinige Markierung durch Rnf43 für den Abbau des Wnt-Rezeptors nicht ausreicht. Der Rezeptor liegt – wie die meisten Rezeptoren – in der umgebenden Hülle (Plasmamembran) der Zelle. Damit eine Markierung durch Rnf43 zum Abbau führen kann, müsste er also erst ins Zellinnere aufgenommen werden. „Hier haben wir in unserem Forschungsprojekt angeknüpft“, sagt Colozza. „Mithilfe von biochemischen Assays und Massenspektrometrie konnten wir untersuchen, welche Proteine mit Rnf43 interagieren.“ So identifizierte Colozza ein Gen namens Daam als Zwischenglied. „Es sorgt dafür, dass der Wnt-Rezeptor in die Zelle internalisiert wird. Das bedeutet, Daam und Rnf43 arbeiten im Team, um den Wnt-Signalweg zu dämpfen“, so der Experte.
Effekte in Darm-Organoiden untersucht
Um die Entdeckung von der molekularen Ebene auf die Organebene zu übertragen, setzte Colozza unter anderem Darm-Organoide ein. Diese dreidimensionalen Strukturen werden als Zellkultur aus adulten Stammzellen herangezogen und ähneln der Darmschleimhaut in Struktur und Eigenschaften. So konnte der Forscher feststellen, dass Daam für die Differenzierung der Darmstammzellen in sogenannte Paneth-Zellen entscheidend ist. Diese Zellart sondert Stoffe ab, die die Teilung von Darmstammzellen anregen. „Daam wirkt wie ein Schalter“, erklärt der Forscher. „Wenn es eingeschaltet ist, dann differenziert sich die Stammzelle zur Paneth-Zelle. Ist es ausgeschaltet, schlägt die Zelle einen anderen Weg ein.“
Paneth-Zellen bei Kolorektalkrebs erhöht
Die Verknüpfung der molekularen Ergebnisse mit der Entwicklung von Paneth-Zellen verleiht dem Projekt zusätzliches Gewicht. Denn die Zellart ist neben anderen Funktionen dafür verantwortlich, die Umgebungsbedingungen innerhalb der Krypten zu regulieren. Da Paneth-Zellen die Stammzellteilung anregen, kann ihre übermäßige Verbreitung zur Entstehung von Kolorektalkrebs beitragen.
„In Mausmodellen wurde gezeigt, dass solche Tumore zurückgehen, wenn die Überproliferation von Paneth-Zellen genetisch blockiert wird“, erklärt Colozza. „Mit unserer Forschung konnten wir den ersten genetischen Beweis erbringen, dass eine Komponente des Wnt-Signalwegs direkt an der Entwicklung dieser wichtigen Zellart involviert ist.“ Damit wird auch für die Entwicklung von Medikamenten gegen Kolorektalkrebs ein neues Ziel greifbar.
Ergebnisse erweitern das Verständnis von Stammzellen
„Unsere Ergebnisse veranschaulichen, wie Stammzellen Entscheidungen treffen“, so Colozza. Das sei auch für die Wissenschaft selbst von Vorteil. „Wir wissen zwar, wie wir bestimmte Zellen im Labor kultivieren können. Aber oft fehlen uns die Mittel, um Zellen in die eine oder andere Richtung zu pushen.“ Das ändert sich, je mehr Verständnis für die genetischen und molekularen Mechanismen herrscht. Die Entdeckung von Daam sei ein wichtiger Schritt, um die Entwicklung in bestimmte Zelltypen gezielt anregen zu können.