Bernie Sanders wirbt um WählerInnen beim Präsidentschaftswahlkampf 2016. Die nonverbale Kommunikation von PolitikerInnen spielt eine große Rolle wie WissenschafterInnen feststellten. © DiegoGDiaz/Shutterstock.com

Politikerinnen und Politiker buhlen täglich um die Gunst der Wählerschaft. Dabei kommunizieren sie auch über nichtsprachliche Signale: "Man darf die Rolle der nonverbalen Kommunikation nicht unterschätzen. Menschen beurteilen andere nach ihrem Aussehen, danach, wie sie sprechen und sich bewegen und anderen Äußerlichkeiten", erläutert der Anthropologe Markus Koppensteiner. "Gerade heutzutage, wo wir Politiker meist in kurzen Clips im TV oder auf dem Smartphone sehen, treten Inhalte in den Hintergrund. Im Informationsstrom greift man für die Eindrucksbildung zu schnell wahrnehmbaren nonverbalen Signalen wie Bewegungsmuster." Wie verschiedene Kommunikationskanäle in der Praxis die Beurteilung von Politikerinnen und Politikern beeinflussen, hat Koppensteiner im Rahmen eines Projekts des Wissenschaftsfonds FWF untersucht.

Authentisches Material

Für das Projekt entwickelte das Team um Koppensteiner ein aufwendiges Studiendesign. Die Probandinnen und Probanden wurden mit 16-Sekunden-Clips von Politikerreden aus dem deutschen Bundestag konfrontiert. So sollte sichergestellt werden, dass die Politikerpersönlichkeiten den Versuchspersonen nicht bekannt waren und Vorurteile und Parteizuschreibungen sollten als störende Einflüsse ausgeschaltet werden. Der ersten und zweiten Gruppe wurde entweder das Originalvideo oder nur ein Standbild der Rede gezeigt. Gruppe drei und vier hörten entweder nur die Tonspur oder den Inhalt der Rede, durch eine monotone Computerstimme vorgetragen. Der fünften Gruppe wurden speziell für die Studie entwickelte, animierte Strichfiguren gezeigt, die die Bewegungsabläufe abstrahiert darstellten.

Strichmännchen im Dienste der Wissenschaft. © Markus Koppensteiner

Einfache Bewegungsmuster entscheiden

Das Hauptaugenmerk galt der Rolle von Körperbewegungen bei der Zuschreibung von Persönlichkeitsmerkmalen. Dabei zeigte sich, dass diese insbesondere bei der Wahrnehmung von Extraversion eine große Rolle spielen. Das Forscherteam war überrascht, wie sehr sich die Versuchspersonen von einfachen Bewegungsmustern in ihren Einschätzungen leiten ließen. "Viele und ausladende Bewegungen mit wenig Variation in der Höhe der Amplitude werden als eher extravertiert eingeschätzt", erklärt Koppensteiner. "Besonders vertikale Bewegungen, also beispielsweise das Heben und Senken der Arme, werden als dominant eingestuft. Dabei reichen wenige ausladende Hoch- und Tiefbewegungen mit den Armen, um dominant zu erscheinen."

Freund oder Feind

Die wichtige Rolle einfacher Bewegungsmuster für den Ersteindruck könnte evolutionär bedingt sein: "Dominanz ist ein wichtiges Merkmal für die Anbahnung oder Vermeidung einer Interaktion und sollte deshalb leicht erkennbar sein", so Koppensteiner. Dominantes Auftreten habe, ist der Forscher überzeugt, immer auch eine aggressive Komponente: "Unsere Ergebnisse zeigten, dass die Bewegungsmuster, die positiv mit Dominanz korrelierten, einen negativen Bezug zur Wahrnehmung von Freundlichkeit und Vertrauenswürdigkeit hatten. Man kann wohl nicht dominant und gleichzeitig freundlich und vertrauenswürdig wirken", erläutert der Anthropologe.

Stimme tonangebend

Jedoch beeinflussten, wie die Studie zeigte, nicht die Bewegungen allein die Eindrucksbildung: "Die Stimme, also beispielsweise Tonfall, Intonation und Stimmhöhe, hatte einen starken Einfluss. Bei Extrovertiertheit, Freundlichkeit und Gelassenheit zeigte sich zudem eine Kopplung von Stimme und Gestik als gemeinsam wahrgenommenes Signal", so Koppensteiner. Und gerade die Ersteinschätzung der Extraversion, Freundlichkeit und Gelassenheit von Politikerinnen und Politikern sei ein sehr guter Indikator für die Vorhersage einer Gesamtbewertung ihrer Persönlichkeit. Die im Rahmen des FWF-Projekts gewonnenen Erkenntnisse zeigen die große Bedeutung der nonverbalen Kommunikation. Die Ergebnisse sind nicht nur für die Wahrnehmungsforschung interessant, sondern etwa auch für die Entwicklung von Interfaces für die Mensch-Computer-Interaktion oder für die Politikwissenschaften. Denn sie verdeutlichen, wie einfache, oberflächlich wahrgenommene Signale die öffentliche Entscheidungsbildung beeinflussen können.


Zur Person Markus Koppensteiner hat Anthropologie an der Universität Wien studiert. Nach seiner Tätigkeit in Forschung und Lehre an der Universität Wien wird er in Kürze seine Forschungen am Netherlands Institute for Advanced Study (NIAS) in Amsterdam fortsetzen. Seine Forschungsinteressen sind unter anderem soziale Kognition, die nonverbale Kommunikation und Personenwahrnehmung.


 Publikationen

"Moving speeches: Dominance, trustworthiness and competence in body motion". Koppensteiner M., Stephan P., Jäschke J.P.M., in: Personality and Individual Differences 94, 2016, doi:10.1016/j.paid.2016.01.013 ,101 – 106
"Shaking Takete and Flowing Maluma. Non-Sense Words Are Associated with Motion Patterns". Koppensteiner M., Stephan P., Jäschke, in: J.P.M. PLOS ONE March 3, 2016, doi:10.1371/journal. pone.0150610
"More than words: Judgments of politicians and the role of different communication channels". Koppensteiner M., Stephan P., Jäschke J.P.M., in: Journal of Research in Personality 58, 2015, doi:10.1016/j.jrp.2015.05.006. 21 – 30
"From body motion to cheers: Speakers’ body movements as predictors of applause". Koppensteiner M., Stephan P., Jäschke J.P.M., in: Personality and Individual Differences 74, 2015, doi:10.1016/j.paid.2014.10.019. 182 – 185
"Voting for a personality: Do first impressions and self-evaluations affect voting decisions?" Koppensteiner M., Stephan P., in: Journal of Research in Personality 51, 2014, doi:10.1016/j.jrp.2014.04.011. 62 – 68
"Motion cues that make an impression: Predicting perceived personality by minimal motion information". Koppensteiner M., in: Journal of Experimental Social Psychology 49 (2013), doi:10.1016/j.jesp.2013.08.002. 1137 – 1143