Pacht und Bodenschutz â ein Widerspruch?

Die Zahl der Landwirtschaftsbetriebe ist seit Jahrzehnten rĂŒcklĂ€ufig, viele Hoferben bewirtschaften ihre Ăcker nicht mehr selbst, sondern verpachten sie. Zugleich sind die verbleibenden Betriebe dem Druck zur Expansion ausgesetzt, um wettbewerbsfĂ€hig zu bleiben. Solche Betriebe pachten oft groĂe FlĂ€chen, um sie zu bewirtschaften. Doch hat ein expansionsorientiertes Landwirtschaftsunternehmen ĂŒberhaupt ein Interesse daran, Boden durch NachhaltigkeitsmaĂnahmen fruchtbar zu halten, statt ihn bestmöglich auszubeuten? Und mĂŒsste in diesem Fall nicht die Politik mit MaĂnahmen gegensteuern?
Diesen zentralen Fragen hat sich eine Forschungsgruppe von der UniversitĂ€t fĂŒr Bodenkultur Wien im Rahmen eines vom Wissenschaftsfonds FWF finanzierten Projekts gestellt. âEs war eine empirische Arbeitâ, erklĂ€rt Projektmitarbeiterin Heidi Leonhardt. Man habe mit verschiedenen DatensĂ€tzen gearbeitet. âWenn Landwirtschaftsbetriebe Förderungen beantragen, mĂŒssen sie angeben, was sie auf ihren Feldern anbauen. Dazu gibt es auch Informationen ĂŒber die Bodenbeschaffenheit, etwa die Hangneigung, oder darĂŒber, ob FlĂ€chen gepachtet oder im Eigentum der bewirtschaftenden Betriebe sindâ, erlĂ€utert die Forscherin. Insgesamt umfassen die Daten zum Ackerland ĂŒber 400.000 Felder und 60.000 Betriebe in Ăsterreich.
Maisanbau als Indikator
Ăber NachhaltigkeitsmaĂnahmen hingegen habe man wenig direkte Informationen, sehr wohl aber darĂŒber, was angebaut werde. Das Forscherteam versuchte vor allem âWide Row Cropsâ zu identifizieren, also Pflanzen wie Mais, die mit weiten AbstĂ€nden angebaut werden. âDa geht es um die Erosion zwischen den Reihen. Wenn Mais ausgesĂ€t wird, ist der Boden relativ lang unbedeckt, und auch bis der Mais hoch ist, ist der Boden lange Zeit der Witterung ausgesetztâ, erlĂ€utert Leonhardt. Dabei haben die Forschenden einen Zusammenhang zwischen Verpachtung und Anbau von Wide Row Crops festgestellt. âDas Fazit ist, vereinfacht gesagt, dass auf PachtflĂ€chen mehr Mais angebaut wirdâ, sagt Leonhardt. Das liege aber nicht daran, dass gepachtete FlĂ€chen von den Betrieben anders behandelt wĂŒrden. Diese machten nĂ€mlich keinen Unterschied zwischen ihren eigenen FlĂ€chen und solchen, die sie pachteten. Vielmehr wird die FlĂ€che genutzt, um mehr Ertrag zu generieren. Das heiĂt, so Leonhardt: âBetriebe, die mehr pachten, bauen mehr Mais an.â
âGenerell arbeiten Betriebe, die mehr pachten, wirtschaftlicherâ, wie Projektleiter Klaus Salhofer ergĂ€nzt. Das lieĂ sich feststellen, als sein Team einen Datensatz von 150 Ackerbaubetrieben untersuchte, von denen genaue BuchfĂŒhrungsdaten vorhanden waren. Die wirtschaftlichsten Landwirtschaften wurden identifiziert und die anderen daran gemessen. âDabei zeigt sich tatsĂ€chlich, dass Betriebe, die mehr pachten, wirtschaftlich effizienter sind, aber im Hinblick auf Bodenerosion schlechter abschneidenâ, so der Ăkonom.
Steuerungsmöglichkeiten fĂŒr die Politik
Um die genauen ZusammenhĂ€nge zu beleuchten und Betriebe in ihrer Motivation zu unterscheiden, wurden auch Befragungen durchgefĂŒhrt. Es ging darum, in der Landwirtschaft tĂ€tige Menschen in verschiedene Typen einzuteilen, wie Leonhardt erklĂ€rt: âEs gibt eine Gruppe, die einen umweltbewussten Umgang mit dem Boden pflegt, eine, der wirtschaftlicher Erfolg wichtig ist, eine, die ihren Auftrag darin sieht, Nahrungsmittel fĂŒr die Welt zu produzieren, und eine, die besonderen Fokus auf Freiheit und Selbstbestimmtheit legt.â Dabei wurde auch untersucht, inwieweit diese Gruppen an Agrarumweltprogrammen teilnehmen.
Ăsterreich verfĂŒgt ĂŒber verschiedene solcher Programme, die eine nachhaltige Bodenbehandlung fördern â etwa Mais nicht auf den nackten Boden auszusĂ€en, sondern auf die nicht verrotteten organischen Reste der auf dem Feld angebauten VorgĂ€ngerkultur. Es zeigte sich, dass naturbewusste Betriebe mehr an solchen Programmen teilnehmen als der Durchschnitt, wirtschaftlich orientierte hingegen weniger. Klaus Salhofer betont, dass es darum gehe, herauszufinden, wie die Politik am besten steuernd eingreifen kann: âWenn die Landwirtschaftsbetriebe verschiedene Einstellungen haben, kann man sie unterschiedlich motivieren, an Programmen teilzunehmen.â FĂŒr manche könnte ein monetĂ€rer Anreiz richtig sein, fĂŒr andere könnte Beratung wichtiger sein.
Langfristige VertrÀge
Generell ist ein hohes Umweltbewusstsein aller Betriebe feststellbar, auch der wirtschaftsorientierten, so die beiden Forschenden. Eine Situation wie in Tschechien oder Deutschland, wo riesige FlĂ€chen auf einmal verpachtet und bewirtschaftet werden und teilweise Investoren ohne Bezug zur Landwirtschaft im Spiel sind, sei in Ăsterreich noch in weiter Ferne, geben die Forschenden Entwarnung. âViele FlĂ€chen werden unter Familienmitgliedern verpachtet. Manchmal hat pro Firma die Frau den Grund an den Mann verpachtet. Und die meisten sind sich relativ sicher, dass ihre Pacht langfristig istâ, sagt Leonhardt. Generell hĂ€tten PachtvertrĂ€ge in Ăsterreich eine relativ lange Laufzeit. Es gibt also kaum Interesse, den Boden auf kurzfristigen Profit hin auszubeuten und langfristige Folgen zu riskieren, so das Fazit nach Auswertung der Fragebögen.
Das auf drei Jahre ausgelegte und 2021 abgeschlossene Projekt war Teil einer Forschungskooperation der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), an der neben Salhofers Team von der UniversitĂ€t fĂŒr Bodenkultur sechs weitere UniversitĂ€ten aus Deutschland teilnahmen. Der österreichische Teil des Projekts wurde vom Wissenschaftsfonds FWF finanziert, die Laufzeit wurde kĂŒrzlich um drei Jahre verlĂ€ngert.
Die Pflege und Erhaltung von Ackerboden hat eine gesellschaftspolitische Dimension, die zuletzt im Zusammenhang mit Bodenversiegelung vermehrt ins Rampenlicht gerĂŒckt ist. Auf die Frage hin, ob Ăsterreich in Zukunft in der Lage sein wird, die ErnĂ€hrung seiner Bevölkerung selbst sicherzustellen, beruhigt Klaus Salhofer: âTatsache ist, dass die landwirtschaftliche ProduktivitĂ€t gestiegen ist, obwohl die FlĂ€che zurĂŒckgegangen ist. Wenn der Selbstversorgungsgrad bei Getreide oder Ălsaaten zurĂŒckgeht, hat das auch damit zu tun, dass wir immer mehr Fleisch und Milch produzieren und Ăsterreich bei diesen Produkten ein Exporteur istâ, so der Ăkonom. Besonders Mais werde als Futtermittel angebaut.
Zu den Personen
Klaus Salhofer ist Agrarökonom am Institut fĂŒr Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung an der UniversitĂ€t fĂŒr Bodenkultur Wien. Er interessiert sich besonders fĂŒr die quantitative Behandlung ökonomischer Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Landwirtschafts- und Lebensmittelsektor. Er ist Vorstandsmitglied der EuropĂ€ischen Vereinigung der Agrarökonomen und der Nationalökonomischen Gesellschaft.
Heidi Leonhardt ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut fĂŒr Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung an der UniversitĂ€t fĂŒr Bodenkultur Wien. Sie interessiert sich fĂŒr Agrarökonomie, Agrarsoziologie und nachhaltiges Wirtschaften.
Publikationen
Eder A., Salhofer K. and Scheichel E.: Land tenure, soil conservation, and farm performance: an eco-efficiency analysis of Austrian crop farms, in: Ecological Economics 2021
Leonhardt H., Braito M. and Penker M.: Why do farmers care about rented land? Investigating the context of farmland tenure, in: Journal of Soil and Water Conservation 2021
Leonhardt H., Penker M. and Salhofer K.: Do farmers care about rented land? A multi-method study on land tenure and soil conservation, in: Land Use Policy 2019