Neue Hoffnung für Schmetterlingskinder
Der griechische Begriff „Lysis“ bedeutet „Auflösung“ und ist bekannt aus Wörtern wie „Elektrolyse“. Im Fall der Erbkrankheit „Epidermolysis bullosa“ bezieht er sich auf die Auflösung der Haut: Die Haut wird empfindlich wie ein Schmetterlingsflügel, Betroffene werden „Schmetterlingskinder“ genannt. Die Behandlung ist derzeit auf die Versorgung der Wunden beschränkt, eine Heilung ist nicht möglich. Behandlungsmöglichkeiten mit Gentherapie werden gerade in klinischen Studien geprüft, sind aber selbst im Erfolgsfall nicht auf alle Varianten der Krankheit anwendbar. Für eine dieser Varianten gibt es nun neue Hoffnung: Pilotversuche mit einem neuen Medikament versprechen eine deutliche, lang anhaltende Reduktion der Symptome.
Entzündungen durch Gendefekt
Allen Varianten der Epidermolysis bullosa (EB) ist gemeinsam, dass die Produktion eines wichtigen Proteins der Haut gestört ist. Wenn es fehlt, ist die Haut geschwächt und bildet Blasen. Die neue Behandlungsmethode, die in der Forschungsgruppe von Johann Bauer im EB-Haus Austria an der Universitätsklinik für Dermatologie der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität (PMU) entwickelt wurde, zielt auf eine Variante von EB ab, die den Zusatz „Simplex“ trägt. „Bei den anderen Formen der Schmetterlingskinder sind diese Blasen eine direkte Folge der Schwäche der Haut“, erklärt Johann Bauer. „Bei den Simplex-Formen, die wir im Auge haben, ist diese Schwäche weniger stark ausgeprägt. Das Protein ist nämlich vorhanden, aber mutiert und tritt stark gehäuft auf. Das führt zu Entzündungsreaktionen“, so Bauer. Diese Entzündungen hat Bauers Gruppe untersucht und festgestellt, dass bestimmte Entzündungsprodukte besonders häufig sind. „Das sind Ergebnisse der Grundlagenforschung aus dem Labor im EB-Haus Austria mit anfänglicher finanzieller Unterstützung der Patientenorganisation DEBRA Austria. Wir haben uns gefragt, wie wir das nutzen könnten. Eine meiner Mitarbeiterinnen, Verena Wally, ist auf die durchaus geniale Idee gekommen, dass es hier eine bereits zugelassene Medikation gibt, die einen dieser Entzündungsmarker unterdrückt, nämlich Diacerein, das im Handel erhältlich ist, für die Behandlung von Osteoarthritis.“ Das Medikament mit dem Wirkstoff Diacerein wird in Tablettenform produziert, bei Schmetterlingskindern muss der Wirkstoff aber möglichst direkt auf die Haut. „Wir haben uns angesehen, ob es möglich ist, diesen Wirkstoff in eine Creme zu mischen, die sich auf die Haut auftragen lässt. Unsere Apotheke der Uni-Klinik konnte so eine Creme tatsächlich herstellen“, so Bauer.
Langfristiger Effekt
Daraufhin habe man eine kleine Pilotstudie mit fünf Personen gemacht. „Wir waren vom Erfolg überrascht“, sagt Bauer. „Innerhalb von zwei Wochen beobachteten wir eine 80-prozentige Reduktion der Blasen. Und hatten überraschenderweise – warum, das ist uns immer noch nicht ganz klar – einen sehr langfristigen Effekt dabei ausgelöst. Die Blasen waren dann auch ohne Behandlung nicht mehr vorhanden.“ Für eine größere Studie zog man eine Förderung des Wissenschaftsfonds FWF an Land. Die Ergebnisse dieser Studie sind zur Publikation eingereicht. Die Zwischenergebnisse waren allerdings so vielversprechend, dass man das Medikament bereits schützen ließ. Es wurde als sogenannte „Orphan Drug“ bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur angemeldet, innerhalb eines Programms für Medikamente zur Behandlung besonders seltener Krankheiten –, nur eines von 50.000 Kindern leidet an EB Simplex. Um den wirtschaftlichen Druck bei der Entwicklung solcher Medikamente zu verringern, stehen Orphan Drugs unter besonderem Schutz, der dem Entwickler ein zehnjähriges Exklusiv-Vermarktungsrecht zugesteht. „Für uns stellte sich damit die Frage, wie wir weitermachen. Wir haben überlegt, das Medikament in Österreich alleine zu entwickeln, aber sehr schnell gesehen, dass uns hier das Know-how fehlt, weniger, was die Molekularbiologie betrifft, sondern die regulatorische Seite, die sehr wichtig ist, wenn man eine Medikamentenzulassung bekommen will, und zwar möglichst global“, sagt Bauer. „Daher haben wir uns international nach Firmenpartnern umgesehen, und da sind wir von einer kleinen amerikanischen Startup-Firma angefragt worden, die Castle Creek Pharma heißt. Nach einigen Verhandlungen haben wir das Medikament an sie lizensiert und zusammen eine Zulassungsstudie initiiert, die gerade global läuft.“ Alles verlaufe nach Plan, so Bauer: „Wir hoffen, dass alles gut geht und wir in Kürze eine Zulassung bekommen, zuerst in Amerika, danach in Europa.“ Eine derart schnelle Zulassung ist in der Pharma-Branche eher ungewöhnlich, die Vorlaufzeiten für neue Medikamente sind oft deutlich länger. „Der Vorteil ist, dass dieser Wirkstoff schon auf dem Markt zugelassen war, viele der pharmakokinetischen Studien waren also schon vorhanden“, erklärt Bauer.
Schnittstelle zwischen Forschung und Therapie
Bauers Forschungen zählen zum Gebiet der sogenannten „Translationalen Medizin“: „Wir machen Grundlagenforschung, ohne besonderes Ziel. Wenn etwas Interessantes auftaucht, fragen wir uns, wie wir das an die Patienten bringen können.“ Die Zulassungsverfahren und alles, was danach kommt, das sei eine völlig andere Welt, so der Mediziner, der bereits seit den 1990er-Jahren am Thema Schmetterlingskinder forscht. Nun scheint ein echter Durchbruch gelungen zu sein. „Momentan gibt es nichts Vergleichbares auf dem Markt“, sagt Bauer und weist darauf hin, dass Medikamente aus Österreich auf dem Weltmarkt rar sind. „Weiterentwickelt wird das nun in den USA, aber die Ideen und der Kontext kommen aus Österreich.“
Zur Person Johann Bauer ist Primar und Vorstand der Universitätsklinik für Dermatologie an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität (PMU) und Medizinischer Geschäftsführer des EB-Hauses Austria in Salzburg. Seine wissenschaftliche Laufbahn führte ihn von der Pharmakologie der Neuropeptide zur Forschung an genetischen Krankheiten, insbesondere an Schmetterlingskindern. Er absolvierte Forschungsaufenthalte in Philadelphia und Atlanta, Letzteres im Rahmen eines Auslandsstipendiums des Wissenschaftsfonds FWF (Erwin-Schrödinger-Auslandsstipendium). Sein Gebiet ist die Translationale Forschung, die eine Brücke von der Grundlagenforschung zur Entwicklung neuer Behandlungsmethoden schlägt.
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