Der Physiker und START-Preisträger 2022 Marcus Ossiander kommt von Harvard nach Österreich zurück, mit dem Ziel ein Mikroskop auf Basis von Nanomaterialien zu entwickeln. © Sabine Hoffmann/FWF

Herr Ossiander, Sie wollen Effekte messen, die extrem klein und extrem kurzlebig sind. Worin besteht die Schwierigkeit?

Marcus Ossiander: Jeder dieser Bereiche – örtliche und zeitliche Auflösung – hat seine eigenen Grenzen. Deshalb braucht man Licht mit kurzer Wellenlänge. Diese Strahlung wird irgendwann schwer zu handhaben, weil sie schnell absorbiert wird, etwa auch von Luft. Gute zeitliche Auflösung verträgt sich ebenfalls schlecht mit guter Optik. Es ist schwierig, alle Anforderungen zu erfüllen. Das ist aber nötig, wenn man chemische Reaktionen verfolgen will, die sehr schnell passieren.

Sie nutzen Licht im extrem ultravioletten Spektrum. Warum?

Ossiander: Extrem ultraviolettes Licht ist interessant, weil es eine kurze Wellenlänge hat, und weil es technisch möglich ist, Zeitauflösungen im Bereich von Attosekunden schaffen. Zum Vergleich: Eine Attosekunde verhält sich zu einer Sekunde wie eine Sekunde zum Alter des Universums. Das klingt vielleicht etwas abstrakt – warum sollten wir so etwas messen wollen? Aber wenn wir uns ansehen, wie schnell ein Photon in einem Atom absorbiert wird, sind wir bei einigen 100 Attosekunden. Viele Prozesse, die uns heute beschäftigen, basieren auf solchen Zeitskalen. Und wir haben Lichtquellen, die das können. Das ist eine starke Motivation.

Sie sagten, dieses Licht sei schwer zu handhaben. Sie weichen also auf Methoden aus, die auch in Virtual-Reality-Brillen verwendet werden.

Ossiander: Es gibt wenig Optiken für extrem ultraviolettes Licht, weil dieses Licht von fast allen Materialien absorbiert wird. Alle optischen Elemente müssen sehr dünn sein. Wir wollen Nanooptiken nutzen, die auch für Virtual Reality eingesetzt werden. Das sind Nanostrukturen, die vorgeben, eine Linse zu sein, aber eigentlich flach sind. Hergestellt wird das mit den gleichen Prozessen, die auch bei der Erzeugung von Computerprozessoren zum Einsatz kommen.

„Es gibt einige Probleme, die sehr nah an der Praxis sind, und die wir mit dieser Physik beantworten können.“

Sie haben nun mehrere Jahre Zeit – wie nähern Sie sich dem Problem?

Ossiander: Der erste Schritt ist relativ trivial – ich bin derzeit in Harvard und werde nach Österreich ziehen. Dann wollen wir beginnen, Nanooptiken zu designen. Wir überlegen uns, wie sie aussehen sollen, wie wir sie herstellen können. Zugleich beginnen wir, die Quellen für extrem ultraviolettes Licht in Betrieb zu nehmen. Das wird einige Zeit dauern. Ich habe zwar meinen Doktor in diesem Bereich gemacht und auch die Leute an der TU Graz sind hier sehr gut, Martin Schultze, Birgitta Schultze-Bernhardt. Aber das ist so an der Grenze dessen, wozu wir in der Lage sind, dass wir Zeit brauchen werden. Schließlich ist das Ziel, ein funktionierendes Mikroskop zu bauen.

Wie wird der START-Preis Ihre Forschungsarbeit, Ihr Leben verändern?

Ossiander: Der Preis schafft sehr viel Unabhängigkeit. Ich werde in der Lage sein, meine Arbeit zum Teil selbst zu organisieren, was ein schöner Gedanke ist. Ich freue mich darauf, ein kleines Team aufzubauen. Für mich ist es eine Möglichkeit, mein eigenes Profil zu entwickeln und die Dinge zu etablieren, die man in der Zukunft machen will.

Und was motiviert Sie für die Zukunft?

Ossiander: Ich finde schön, dass wir in der Attosekundenphysik sehr fundamentale Dinge tun. Es wirkt auf den ersten Blick so, als wäre die Anwendung sehr weit weg, aber wenn wir nur einen Schritt weitergehen, haben wir Solarzellen, die wir untersuchen können, chemische Reaktionen wie Katalyse, die wir verbessern können, außerdem den Bereich der Kommunikation: Wir können uns fragen, wie schnell Kommunikation überhaupt sein kann. Es gibt einige Probleme, die sehr nah an der Praxis sind, und die wir mit dieser Physik beantworten können.


Marcus Ossiander erwarb sein Doktorat in Ultrakurzzeitphysik in München und forscht seit zweieinhalb Jahren an der Universität Harvard, wo er sich mit Metaoptik beschäftigt. Seine Arbeit verbindet neue technische Zugänge wie die Metaoptik mit sehr fundamentalen Fragen – eine „schöne Balance“, so der Forscher. Sein START-Projekt wird er an der Technischen Universität Graz umsetzen.


Zum Projekt

Ultrakurze physikalische Vorgänge sind ein Anknüpfungspunkt für viele mögliche Anwendungen. Doch um sie mikroskopisch beobachten zu können, braucht es völlig neue Methoden, die nicht nur kleinste atomare Bausteine, sondern auch Vorgänge abbilden können, die nur trilliardstel Sekunden dauern. Eine Möglichkeit sind Mikroskope, die auf besonders energiereichem ultravioletten Licht (EUV) basieren, das allerdings mit konventionellen Linsen nicht gebündelt werden kann. Projektleiter Marcus Ossiander will sehr dünne Linsen, die mit Nanomaterialien arbeiten, einsetzen und damit ein Mikroskop realisieren.


Der START-Preis

Das Karriereprogramm des Wissenschaftsfonds FWF richtet sich an junge Spitzenforschende, denen die Möglichkeit gegeben wird, auf längere Sicht und finanziell weitgehend abgesichert ihre Forschungen zu planen. Der START-Preis ist mit bis zu 1,2 Millionen Euro dotiert und zählt neben dem Wittgenstein-Preis zur prestigeträchtigsten und höchstdotierten wissenschaftlichen Auszeichnung Österreichs.