Chlorid (grĂŒn) macht gĂŒnstiges Ausgangsmaterial fĂŒr Solarzellen stabiler – und damit vielleicht einen signifikanten Unterschied fĂŒr eine nachhaltige Zukunft. © David Egger

Bleihaltige Perowskite sind der Darling der Solarzellen-Forschung: Das kristalline Material bietet sich fĂŒr gĂŒnstige Herstellungsverfahren an und hat mit ĂŒber 20 Prozent einen enorm hohen Wirkungsgrad in vergleichsweise kurzer Zeit erreicht. Ein wesentlicher Nachteil des Materials bleibt jedoch seine InstabilitĂ€t. Dass diese durch geschicktes Dotieren mit Chlorid-Ionen deutlich verringert werden kann, zeigte vor kurzem ein Erwin-Schrödinger-Stipendiat des FWF in einer Zusammenarbeit mit Forscherinnen und Forschern rund um Aaron Fafarman von der Drexel University in Philadelphia, USA.

Hochdotiert

David Egger, der sein Stipendium zur Forschung am Department of Materials and Interfaces des Weizmann-Instituts fĂŒr Wissenschaften in Israel nutzt, konnte mit seinen Kolleginnen und Kollegen zeigen, dass bestimmte Perowskite sich mit Chlorid anreichern (dotieren) lassen – und dies die Lebensdauer des funktionellen Materials unter bestimmten Bedingungen um bis zu zwei GrĂ¶ĂŸenordnungen steigert. Dazu Egger: "Wir untersuchten Perowskite aus CĂ€sium, Blei und Jodid. Ein Problem ist die StabilitĂ€t der fĂŒr Anwendungen interessanten Phase dieses Materials bei praktisch relevanten Bedingungen, bei welchen in einem PhasenĂŒbergang die hervorragenden fotovoltaischen Vorteile sofort verloren gehen."

Vorahnung

TatsĂ€chlich gab es bereits Hinweise aus Arbeiten mit Perowskiten, die statt Jodid Chlor-Ionen enthielten und ahnen ließen, dass eine Chlorid-Anreicherung des Materials dessen StabilitĂ€t erhöhen wĂŒrde. Doch stellte sich heraus, dass die Chlorid-Anreicherung von Jodid-haltigen Perowskiten ausgesprochen schwierig ist. Egger, seine Kolleginnen und Kollegen wĂ€hlten einen interdisziplinĂ€ren Zugang um dennoch herauszufinden, ob Chlorid sich positiv auf die StabilitĂ€t cĂ€siumhaltiger Perowskite auswirken wĂŒrde. "Einerseits konnten wir mit atomistischen Simulationen zeigen, dass sich Chlorid schnell im Material bewegen kann, leicht in dieses einzubauen ist und dessen StabilitĂ€t erhöhen wĂŒrde. Unsere Kollegen aus der experimentellen Physik entwarfen schließlich andererseits einen neuen Herstellungsprozess, um Chlor ins Material einzubringen, was mit einem chemischen Sinterprozess auch gelang", erlĂ€utert Egger die internationale Zusammenarbeit zwischen dem Weizmann-Institut in Israel und Forschern der Drexel University und University of Pennsylvania in den USA.

Überraschung

Überrascht war das Forscherteam dann, als es die StabilitĂ€t des neu entstandenen CĂ€sium-Blei-Jodid-Chlorid analysierte. Da die neuartigen Perowskite oftmals besonders instabil im Kontakt mit Wasser sind, untersuchten sie die StabilitĂ€t der neuen Materialmischungen bei verschiedenen Luftfeuchtigkeiten. TatsĂ€chlich zeigte das neue Material bei 54 Prozent relativer Luftfeuchtigkeit eine sechsfach lĂ€ngere Halbwertzeit als Kontrollmaterialien ohne Chlorid-Dotierung. Bei einer geringeren Luftfeuchtigkeit von elf Prozent verlĂ€ngerte sich die Halbwertzeit sogar weiter. Dazu Egger: "Die VerlĂ€ngerung der Halbwertzeit der fĂŒr Solarzellen interessanten Phase war bei elf Prozent Luftfeuchtigkeit so enorm, dass wir innerhalb der durch unsere GerĂ€tevoraussetzungen maximal möglichen 96 Stunden keinen PhasenĂŒbergang des CĂ€sium-Blei-Jodid-Chlorid mehr messen konnten. Bei undotiertem Material hingegen passierte dies viel schneller, womit wir eine VerlĂ€ngerung der Halbwertzeit um mindestens zwei GrĂ¶ĂŸenordnungen bestĂ€tigen konnten." Indem sie Ergebnisse aus Experiment und Theorie erneut kombinierten, bestimmte das Forscherteam schließlich den Anteil der Chlor-Ionen in dem neu hergestellten Material und stellte fest, dass eine Anreicherung ĂŒber zwei Prozent hinaus nicht möglich ist. Diese grundlegenden Erkenntnisse, die Egger im Rahmen seines Schrödinger-Stipendiums des FWF im Team erarbeiten konnte, liefern einen wichtigen neuen Ansatz, um das enorme Potenzial von Solarzellen auf Perowskit-Basis tatsĂ€chlich praktisch nutzbar zu machen.


Zur Person David Egger studierte Technische Physik an der TU Graz und wirkte dort in einer Forschungsgruppe um Egbert Zojer. Seine Forschungsaufenthalte fĂŒhrten ihn unter anderem an die Humboldt UniversitĂ€t in Berlin, die University of Pennsylvania in Philadelphia und das Weizmann-Institut fĂŒr Wissenschaften in Israel. Dort ist er derzeit als Erwin-Schrödinger-Stipendiat unterstĂŒtzt durch den Wissenschaftsfonds FWF gemeinsam mit Leeor Kronik tĂ€tig. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der theoretischen Untersuchung und Vorhersage neuartiger Materialien.


 Publikation

"High Chloride Doping Levels Stabilize the Perovskite Phase of Cesium Lead Iodide": Subham Dastidar, David A. Egger, Liang Z. Tan, Samuel B. Cromer, Andrew D. Dillon, Shi Liu, Leeor Kronik, Andrew M. Rappe und Aaron T. Fafarman. Nano Lett. 2016, 16, 3563−3570. doi: 10.1021/acs.nanolett.6b00635.
Schrödinger-Projekt: ZuverlĂ€ssige Dichtefunktionaltheorie fĂŒr Festkörper