Olivenhain in Hanglage in der Toskana
Olivenölproduzent:innen haben seit einigen Jahren mit diversen Problemen zu kĂ€mpfen. Unter anderem begĂŒnstigen Monokulturen SchĂ€dlinge und Krankheiten. © Bea Maas/UniversitĂ€t Wien

Beim Olivenöl war in den vergangenen Jahren eine Preisexplosion zu beobachten, die weit ĂŒber die Inflation hinausging. Der Grund dafĂŒr sind ProduktionseinbrĂŒche, die in Form von Extremwetterereignissen und landwirtschaftlichen SchĂ€dlingen stark mit dem Klimawandel verbunden sind. Die einzigartigen Ökosysteme der traditionsreichen Anbaugebiete im Mittelmeerraum, die zum Teil seit Jahrtausenden kultiviert werden, scheinen aus der Balance gekommen zu sein. Man ist an einem Punkt angelangt, an dem es schon rein aus wirtschaftlichen GrĂŒnden sinnvoll ist, auf eine nachhaltigere Landnutzung zu achten.

Eines der wichtigsten Ziele in diesem Zusammenhang ist die RĂŒckkehr zu einem hohen Artenreichtum, der die Kulturen resilienter macht. Wie gezielt mehr BiodiversitĂ€t erreicht werden kann und wie genau der Olivenanbau davon profitiert, untersucht die Agrarökologin Bea Maas. In ihrem Projekt „ECO-OLIVES“, das vom Wissenschaftsfonds FWF gefördert wird, stehen Olivenkulturen in der Toskana im Fokus. „Gemeinsam mit lokalen und internationalen Partner:innen entwickeln wir Hilfsmittel, die es im Olivenanbau tĂ€tigen Landwirt:innen erleichtern, eine nachhaltige Nutzung ihres Betriebs auf wissenschaftlicher Basis voranzutreiben“, sagt die Ökologin.

„Der mediterrane Raum ist in seiner Artenvielfalt einzigartig. Er reagiert besonders sensibel, sowohl auf die ErderwĂ€rmung als auch auf die VerĂ€nderungen der Landnutzung“, beschreibt Maas. „In klein strukturierten Landwirtschaften, in denen die Verbindungen zwischen verschiedenen LebensrĂ€umen aufrecht sind, bleiben auch die damit zusammenhĂ€ngenden Ökosystemleistungen wie eine natĂŒrliche SchĂ€dlingskontrolle viel besser erhalten als in den großflĂ€chigen Monokulturen.“ Ein auf diesem Gedanken aufbauendes Landnutzungskonzept muss aber gleichzeitig auch praktisch umsetzbar sein. Im Projekt werden deshalb Maßnahmen gemeinsam mit Landwirt:innen vor Ort entwickelt.

Drei Frauen und Hunde im Olivenhain. Eine Frau bringt ein GerÀt an einem Olivenbaum an.
Gemeinsam mit den Landwirt:innen kartieren die Forschenden Mikrohabitate, um ideale Bedingungen fĂŒr den Olivenanbau zu ermitteln. Bewachsene GrĂŒnstreifen, Hecken oder GewĂ€sser holen BiodiversitĂ€t in die Landwirtschaft zurĂŒck. © Bea Maas/UniversitĂ€t Wien

Olivenhaine als „Agroforstsysteme“

In Kontrast zu den kargen Monokulturen können Olivenhaine auch als sogenannte Agroforstsysteme bewirtschaftet werden, die auch vielen anderen Pflanzen und Tieren eine Heimat geben. „Agroforstsysteme können das Potenzial fĂŒr eine nachhaltige Landwirtschaft wesentlich steigern. Das Ziel ist also, die Ökosysteme möglichst reichhaltig zu gestalten und ihre Funktionen bestmöglich zu nutzen.“ Die Forschenden untersuchen zu diesem Zweck den Anbau in insgesamt zwölf gezielt ausgewĂ€hlten Olivenhainen in der Toskana, die ĂŒber 30 Quadratkilometer verteilt sind. Diese zwölf EinzelflĂ€chen unterscheiden sich durch ihr jeweiliges Umfeld, in dem angrenzende seminatĂŒrliche Habitate – etwa aufgelassene Agroforste und andere BrachflĂ€chen, Hecken, GewĂ€sser oder WĂ€lder – in unterschiedlichem Ausmaß vorhanden sind. Auf jeder dieser Farmen wird eine Handvoll OlivenbĂ€ume, die stellvertretend fĂŒr den Standort stehen, laufend untersucht.

In ihrer Analyse der jeweiligen BiodiversitĂ€t konzentrieren sich Maas und ihre Kolleg:innen auf Modellorganismen wie Vögel, FledermĂ€use, Spinnen und Insekten, die besonders empfindlich auf VerĂ€nderungen in der Landnutzung reagieren. Die Forschenden beobachten, wie sich das Vorhandensein verschiedener Spezies im Jahresverlauf auf das Gedeihen und die Ausbeute der StudienbĂ€ume niederschlĂ€gt. „Ein wichtiger Fokus liegt auf saisonalen Effekten, also ob unterschiedliche Tiergruppen etwa im FrĂŒhling oder Herbst vorhanden sind, und wie sie sich auswirken“, erklĂ€rt Maas. „Umgekehrt wurden einzelne BĂ€ume auch mit Netzen verhĂŒllt, um zum Vergleich eine Abwesenheit von FledermĂ€usen und Vögeln zu simulieren.“

Gleichzeitig werden Experimente im Bereich des landwirtschaftlichen Managements durchgefĂŒhrt. „Schon kleine Modifikationen der gĂ€ngigen Praktiken können zum BiodiversitĂ€tsschutz beitragen. Ein wichtiges Thema ist beispielsweise der Baumschnitt, der oft traditionellen, nicht systematischen Praktiken folgt. Wir arbeiten daran, Zeitpunkt und Technik des Schnitts auf wissenschaftlicher Basis zu optimieren“, betont die Ökologin. „Damit soll nicht nur die Olivenproduktion maximiert, sondern auch deren Resilienz verbessert werden – etwa indem die ZugĂ€nglichkeit fĂŒr Vögel und FledermĂ€use fĂŒr den SchĂ€dlingsfraß erhöht wird.“ Die neu entwickelten Standards werden anschließend in lokalen und internationalen Farmercommunitys kommuniziert.

OlivenbĂ€ume mit Netzen verhĂŒllt
Auch den Effekt von Tiergruppen auf die Resilienz der Haine untersuchen die Forschenden. Dazu werden einzelne OlivenbĂ€ume mit Netzen verhĂŒllt, um die Abwesenheit von Vögeln und FledermĂ€usen zu simulieren. © Bea Maas/UniversitĂ€t Wien

BÀume, Hecken, BrachflÀchen

Die ersten Projektdaten zur BiodiversitĂ€t der untersuchten FlĂ€chen unterstreichen fĂŒr Maas die Bedeutung von nahe gelegenen seminatĂŒrlichen Habitaten fĂŒr Ertrag und BiodiversitĂ€t. „Je reicher ein nahes Umfeld strukturiert ist, desto besser ist es fĂŒr eine nachhaltige Olivenproduktion. BĂ€ume, Hecken und BrachflĂ€chen in der NĂ€he von Olivenhainen wirken sich positiv auf die Vielfalt von Spezies und deren Ökosystemleistungen aus“, erklĂ€rt die Ökologin. „Nicht nur die Zahl der Arten steigt, sondern auch die Anzahl von Individuen pro Art.“ Denn fĂŒr die Ökosystemleistungen sind gerade jene Spezies, die in hoher Zahl auftreten, besonders relevant. Maas: „Ein klassisches Beispiel sind die in Europa weit verbreiteten Mauersegler. Klimwandelbedingt verĂ€ndert sich das Zugverhalten dieser Tiere. Dabei passen die Ankunftszeiten zum Teil nicht mehr gut mit der VerfĂŒgbarkeit ihrer Nahrung zusammen.“

Im Zuge des Projekts soll nun eine Anwendung entwickelt werden, die Landwirt:innen auf Basis lokaler Daten eine Orientierungshilfe zum ökologischen Umfeld ihrer AnbauflĂ€chen gibt. „Die App analysiert Satellitenaufnahmen im Hinblick auf vorteilhafte Habitate im Umkreis des Olivenbaumbestands, also etwa auf das Vorhandensein von Hecken oder anderen Baumarten, um so das ökologische Potenzial eines Standorts einzuschĂ€tzen“, erlĂ€utert Maas. Die AnbauflĂ€chen werden dabei in drei Kategorien eingeteilt, die dieses Potenzial widerspiegeln. Die Nutzer:innen erhalten VorschlĂ€ge, wie man die Situation verbessern oder wenigstens eine Verschlechterung verhindern kann. Mit jedem neuen krĂ€uterbewachsenen GrĂŒnstreifen, mit jeder neu gepflanzten Hecke soll so ein kleines StĂŒck BiodiversitĂ€t in die Jahrtausende alten KulturflĂ€chen zurĂŒckgeholt werden.

Zur Person

Bea Maas engagiert sich als Agrarökologin und Naturschutzforscherin fĂŒr BiodiversitĂ€t und nachhaltige Entwicklung in der Landnutzung. Sie ist an der UniversitĂ€t Wien und an der UniversitĂ€t Sant’Anna in Pisa tĂ€tig und koordiniert internationale Projekte zur Etablierung innovativer Managementstrategien fĂŒr Agrarlandschaften, u.a.  ein FWF-gefördertes Projekt zur . Das Forschungsprojekt „ECO-OLIVES“ (Ökologisches Management europĂ€ischer Olivenagroforste, 2022–2024) wurde im Elise-Richter-Programm des Wissenschaftsfonds FWF mit 240.000 Euro gefördert.

Publikationen

Maas B., Ocampo-Ariza C., Whelan C. J.: Cross-disciplinary approaches for better research: The case of birds and bats, in: Basic and Applied Ecology 2021

Maas B., Fabian Y., Kross S. M., Richter A.: Divergent farmer and scientist perceptions of agricultural biodiversity, ecosystem services and decision-making, in: Biological Conservation 2021