Frauen nutzten die Theaterbühne, um ihre Anliegen zu kommunizieren. Von links: Die Autorinnen Judith Sargent Murray, Mercy Otis Warren und Susanna Haswell Rowson © Wikimedia Commons/PD

„Das Ziel unseres Projekts ist, schreibende Frauen der frühen amerikanischen Theaterkultur aus den Fußnoten der Literaturgeschichte herauszuholen und sie in den Haupttext einzuordnen“, erzählt Ralph Poole von der Universität Salzburg im Gespräch mit scilog. In dem vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt „Geschlechterkomödien der Amerikanischen Revolution“ hat der Amerikanist über drei Jahre sowohl das Prestige der Gattung Komödie als auch die Rolle der Frauen neu bewertet, die sich dieses Genre als politisches Sprachrohr zunutze machten. Denn die ermahnenden Worte, die Abigail Adams, die Ehefrau des zweiten Präsidenten der USA, anlässlich der nahenden Unabhängigkeitserklärung Amerikas 1776 an ihren Mann richtete – die berühmten „Remember the Ladies“ – sollten ungehört bleiben. Theoretisch garantierte die Verfassung zwar jeder Bürgerin und jedem Bürger die gleichen Rechte, praktisch blieben die Frauen jedoch von einer aktiven politischen Teilhabe ausgeschlossen. So verschafften sie sich über den Umweg des Dramas und insbesondere seiner komischen Formen Gehör – wie über die sentimentale und soziale Komödie, die Komische Oper oder die Satire und Farce. „Nur sind viele von ihnen in Vergessenheit geraten und aus dem kulturellen Gedächtnis wie auch aus der Literaturgeschichte gelöscht“, wie Poole erklärt. Theater spiegelt damals wie heute die realen politischen Verhältnisse wider. „Gerade die Komödie ist besonders gut geeignet, politische Realitäten zu thematisieren und zu parodieren“, sagt Forschungsleiter Poole. Nach Jahren des Theaterverbots durch die britischen Kolonialherren erlebte das Theater zur Zeit der Revolution einen massiven Aufschwung. „Die Stücke waren eminent politisch“, betont der Literaturwissenschafter. Es war eine improvisierte Ära des Theaters, die die improvisatorische politische Welt der Vereinigten Staaten des späten 18. Jahrhunderts widerspiegelte.

Das Theater als Sprachrohr für Frauen

Wie das aktuelle Forschungsprojekt nun sichtbar macht, nutzten auch Frauen diesen künstlerischen Umweg, um sich politisch zu äußern. Eine von ihnen war Mercy Otis Warren. In den wenigen Jahren von 1772 bis 1779 entwickelte die Dramatikerin aus Massachusetts sowohl eine beachtliche politische Kraft als auch eine ästhetische Qualität, die neue Standards setzen sollte. Warren, die auch unter Pseudonym schrieb, unterstützte die Rebellion gegen England und forderte zugleich die Berücksichtigung der Bedürfnisse der amerikanischen Frauen ein. Außer Warren waren etwa die frühe Feministin und Journalistin Judith Sargent Murray und Susanna Haswell Rowson unter den wenigen prominenten Stimmen der frühen amerikanischen Bühne. Viele andere Stücke von Frauen wurden entweder nicht aufgeführt oder gingen verloren.

Beitrag zur Selbstfindung der jungen Republik

In ihren Bühnenstücken haben die Frauen gängige Elemente der klassischen Komödie variiert. So wird etwa das typische „Happy End“ in Form einer glücklichen Frau-Mann-Beziehung durch neue Beziehungsmodelle ersetzt, wie die glückliche Single-Frau oder die Frau, die sich ihren Mann selber aussucht. „Frauen sind hier nicht nur Objekte des Begehrens und des Verlachens, sondern gestaltende Akteurinnen“, sagt Poole. Inhaltlich stehen Themen wie Gleichstellung, Bildung oder Berufsausübung auch für Frauen im Vordergrund. „Diese Stücke wurden in der Regel zerrissen“, sagt Poole, „da sie nicht konsensfähig waren.“ Eine Ausnahme bildete Susanna Rowson mit sehr erfolgreichen Stücken wie der Komischen Oper „Slaves in Algiers“. Das Stück, dessen Handlung überwiegend von Frauen getragen wird, ist eine Art Allegorie auf die junge amerikanische Republik. Es geht um Fragen der Selbstdefinition des Nationalbildes und um Ideale wie Freiheit, Gleichheit, Demokratie. „Das amerikanische Theater des 18. Jahrhunderts, vor allem in seiner komischen Form, hat wesentlich zur Selbstdefinition der jungen Nation beigetragen“, erläutert Ralph Poole und ergänzt: „Entgegen der Überzeugung vieler Literaturhistorikerinnen und -historiker waren die Ursprünge des nordamerikanischen Theaters nicht ohne literarische Verdienste, insbesondere im Hinblick auf Schriftstellerinnen.“ Die noch junge amerikanische Bühne reflektierte den kulturellen Wandel der Revolutionszeit und nahm Entwicklungen voraus.

Transnationale Querverbindungen aufdecken

So sehr sich die Stücke, die in dem Forschungsprojekt wieder neu entdeckt oder gar erstmals erschlossen wurden und Eingang in die Literaturgeschichte gefunden haben, als genuin amerikanisch erweisen, entstanden sie aber auch zu einer Zeit, die stark von Europa geprägt war. Das Projekt habe daher noch viel Potenzial im transatlantischen und interdisziplinären Dialog, berichtet Poole. Der Wissenschafter möchte künftig in Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen wie der Germanistik oder Musikwissenschaft diese Querverbindungen deutlicher herausarbeiten. „Da gibt es viel mehr Vernetzungen als wir bis jetzt sehen.“


Zur Person Ralph J. Poole ist Professor für Amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaft an der Universität Salzburg. Sein Forschungsschwerpunkt richtet sich auf die Zusammenhänge von Geschlecht und kultureller Produktion im Bereich Literatur, Kultur und Medien und reicht von der Theatergeschichte der amerikanischen Kolonialzeit bis zu Populärkultur des 21. Jahrhunderts.


Publikationen

Ralph J. Poole und Leopold Lippert (Hg.): The Politics and Polemics of Gender in Early American Theater, Heidelberg 2019 (in Vorbereitung)
Ralph J. Poole: ’Remembering the Ladies’: Gender and Comedy in the Age of the American Revolution, Research Features Magazine 126, 2018
Leopold Lippert: Virtual Theatricality, Transatlantic Representation, and Mercy Otis Warren’s Revolutionary Plays, in: Approaching Transnational America in Performance: Birgit M. Bauridl und Pia Wiegmink (Hg.), Frankfurt am Main, Peter Lang 2016