Das berĂŒhmte Foto von Hitler und Mussolini war, wie jetzt bekannt ist, ein Foto des "BĂŒro Laux". Durch den geheimen Austausch mit AP wurde es keine 72 Stunden nach dem missglĂŒckten Anschlag auf Hitler im "New York Herald Tribune" vom 23. Juli 1944 gedruckt. © BĂŒro Laux/AP Radiophoto

Freude glimmt in Norman Domeiers Augen auf: Im FrĂŒhjahr 2018 wird er eine Entdeckung in der Öffentlichkeit platzieren. Viel verrĂ€t er nicht, nur so viel, dass es sich um die Anbahnung von FriedensgesprĂ€chen am Ende des Ersten Weltkriegs handelt. Und dass ein amerikanischer Journalist als „postillon d‘amour“ selbige hĂ€tte einfĂ€deln sollen. Streng geheim. Ein kleiner medialer und fachlicher Coup, den der deutsche Zeitgeschichteforscher landen will. Domeier ist derzeit im Rahmen eines Lise-Meitner-Stipendiums des Wissenschaftsfonds FWF am Institut fĂŒr Zeitgeschichte der UniversitĂ€t Wien tĂ€tig. „Journalismus hat mich immer schon fasziniert“, sagt er. Beinahe wĂ€re er selbst in diesem Fach gelandet. Letztlich waren Studium, Forschung und akademische Laufbahn dann aber doch stĂ€rker. „Wobei ich da wie dort recherchiere“, relativiert er und zieht Parallelen zwischen seiner und der journalistischen TĂ€tigkeit.

Eine vergebene Chance

Da wie dort braucht es eine SpĂŒrnase, ein Auge fĂŒr das kleine Detail, welches zu ungeahnten Erkenntnissen fĂŒhrt. Ein Detail, eine Bildunterschrift war es, die ihn zu seiner bisher wichtigsten Arbeit gefĂŒhrt hat. Zu jener ĂŒber die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) und ihrer engen Zusammenarbeit mit dem einem BĂŒro von SS und AuswĂ€rtigem Amt zwischen 1942 und 1945. „In einem Buch aus den 1980er-Jahren ĂŒber die Geschichte der Pressefotografie wurde ganz selbstverstĂ€ndlich auf die reibungslosen Kontakte zwischen Agentur und Nazi-Reich hingewiesen“, berichtet der Historiker im GesprĂ€ch mit scilog. Es habe sich damals niemand dafĂŒr interessiert. Ein fataler Fehler, denn zu diesem Zeitpunkt hĂ€tten die Protagonisten dieser Geschichte alle noch gelebt, im besten Alter und bei bester Gesundheit. Im Kern geht es um eine Vereinbarung, die es der amerikanischen Agentur ermöglichte, ĂŒber ihre ehemaligen Mitarbeiter im deutschen „BĂŒro Laux“, exklusiv Bildmaterial aus dem Dritten Reich zu beziehen. Im Gegenzug lieferte AP ebenso exklusiv Fotos der Alliierten an Berlin. Auf beiden Seiten mit dem Wissen höchster Stellen, auf beiden Seiten abgesichert, unantastbar geradezu.

Des Diktators Bilderschau

„Man muss wissen, dass Hitler sich jeden Tag Fotos vorlegen ließ, die besten, die interessantesten, die bedeutendsten“, schildert Norman Domeier. – Sozusagen der tĂ€gliche Instagram-Feed fĂŒr den Diktator. Die nachgeordneten Dienststellen reißen sich um diesen Schatz, suchen Zugang zu ihm, suchen ihn zu nutzen. SelbstverstĂ€ndlich auch zum Zwecke der Propaganda. „Es gibt eine Reihe amerikanischer Fotos, die von den Nazis bearbeitet oder in einen anderen Kontext gestellt wurden“, weiß der Historiker.

Helmut Laux (rechts) mit Joachim von Ribbentrop und Pierre Laval in MĂŒnchen, 9./10. November 1942 © bpk/Bayerische Staatsbibliothek/Heinrich Hoffmann

Zwischen 35.000 und 40.000 Fotos wurden im Lauf der Kriegsjahre ĂŒber Boten in Lissabon und Stockholm ausgetauscht. „Das war nicht der Basar, auf dem mit Zeitschriften oder Hollywoodfilmen gehandelt wurde, das war ein eigener, solider und perfekt eingerichteter Kanal“, betont Domeier. Wie das NS-Regime die Bilder nutzte, das konnte er nachvollziehen. AusstĂ€ndig ist noch der Zugang der Amerikaner. „Die wussten, dass sie von den Deutschen Propagandabilder geliefert bekamen, die wussten auch, dass ihre Bilder zu Propagandazwecken benutzt wurden. Sie werden ihre Bilder ebenso genutzt und ausgewĂ€hlt haben“, ist der Wissenschafter ĂŒberzeugt. Denn als die US-Armee 1945 den GeschĂ€ften des BĂŒro Laux und seinem Archiv nachgeht, da wird die Untersuchung auf Order Washingtons gestoppt.

Wechselspiel der IdentitÀten

„Es fragt sich nur, wurden auf dieser Route lediglich Fotos transportiert? Oder nutzten beide Seiten den Kanal auch anderweitig?“, das interessiert Domeier. Deswegen hofft er, dass AP endlich sein Archiv öffnen wird und die US-Amerikaner dem Forscher Zugang zu ihren Akten gewĂ€hren. Es weist diese Geschichte natĂŒrlich auch alle Facetten der NĂ€he und Anpassung, des Opportunismus, der kĂŒhlen GeschĂ€ftemacherei auf, die viele Biografien jener Zeit kennzeichnet. Wenn etwa deutsche Mitarbeiter der Bild- und Nachrichtenagentur flugs der Waffen-SS beitreten, um nach dem Mai 1945 diesen Beitritt in einen Akt geradezu heroischen Widerstands umzudeuten. Die LebenslĂ€ufe der Mitarbeiter des BĂŒro Laux, die lesen sich wie ein Filmskript, eine Crime-Story zwischen Bomben und Ruinen. Und wie verhĂ€lt es sich mit der Moral aus der Geschichte? Domeier hĂ€lt inne: „Wir sollen und wir können Moral und Ethik eigentlich nur im Kontext der jeweiligen Zeit betrachten.“ War es moralisch einwandfrei mit dem NS-Regime GeschĂ€fte zu machen? Oder stand hinter dem GeschĂ€ft mit exklusivem Bildmaterial noch ein anderer Gedanke? Domeier verwehrt sich Wertungen vorzunehmen. Er recherchiert, beschreibt, was war. Arbeitet als Historiker im besten Sinne wissenschaftlich und journalistisch. Und freut sich auf das FrĂŒhjahr und seinen nĂ€chsten kleinen Coup.


Zur Person Norman Domeier ist Akademischer Rat a. Z. am Historischen Institut der UniversitĂ€t Stuttgart. Nach Forschungsstipendien, die ihn unter anderem nach Washington DC, Tokio, Neu-Delhi und Moskau brachten, arbeitet er derzeit als Lise Meitner Fellow am Institut fĂŒr Zeitgeschichte der UniversitĂ€t Wien.


Publikationen

Norman Domeier: Geheime Fotos – Die Kooperation zwischen Associated Press und NS Regime (1942-1945) in: Zeithistorische Forschungen, 2017
Norman Domeier: Staatsgeheimnis und Auslandspresse im „Dritten Reich“. Spielraum fĂŒr Aushandlungen zwischen Regime und auslĂ€ndischen Journalisten, in: Daniel MĂŒnzner / Robert Radu (Hg.), Kampf um Wissen. Spionage, Geheimhaltung und Öffentlichkeit zwischen Nationalstaat und Globalisierung (1870-1940). Paderborn 2015
Norman Domeier: Der Eulenburg-Skandal. Eine politische Kulturgeschichte des Kaiserreichs (Campus Historische Studien 55). Frankfurt am Main/New York 2010