Eine Brücke zur Quantenwelt
Herr Küng, Quantencomputer sind in aller Munde und werden als die nächste technische Revolution gehandelt. Wofür könnte man solche Systeme brauchen?
Richard Küng: Die Bereiche, wo Quantenrechner besser als klassische Computer abschneiden, werden nicht die herkömmlichen Aufgabengebiete sein: In Laptops finden Billionen von Rechenoperationen pro Sekunde statt – bei Quantencomputern würde uns schon ab etwa zehntausend Operationen das technische Rauschen jegliche Signale zerstören. Wirkliches Potenzial sehe ich dagegen bei künstlicher Intelligenz, wo wir zeigen konnten, dass der Trainingsaufwand mithilfe von Quantenverschränkung stark reduziert werden kann. Doch dazu müssen wir erst Daten aus der Quantenwelt dem maschinellen Lernen zugänglich machen – und dafür Informationen aus der Quanten- in die mikroskopische Welt heben.
Und das ist mit fundamentalen Schwierigkeiten verbunden, die Sie mit Platons Höhlengleichnis vergleichen. Wie kann man sich das vorstellen?
Küng: Quantensysteme, vor allem wenn sie aus vielen Qubits bestehen, sind komplexe, hochdimensionale Objekte. Doch wir Menschen können von diesen Systemen nur niedrigdimensionale, schlecht aufgelöste Schemen wahrnehmen. Ähnlich geht es den Gefangenen in Platons Gleichnis, die von der dreidimensionalen Welt nur die Schatten an der Höhlenwand sehen.
Doch um die durch Quantenalgorithmen bearbeiteten Qubits auslesen zu können, muss genau das geleistet werden: die Objekte anhand ihrer Schatten erkennen. Welche Probleme ergeben sich dabei?
Küng: Um die Resultate der Quantencomputer in eine von anderen Rechnern verwendbare Form zu bringen, muss ich Messungen an den Qubits durchführen. Damit verschwinden aber die Quanteneigenschaften, oder wie Fachleute sagen: Die Wellenfunktion kollabiert. Doch die Information ist nicht in einem einzelnen System gespeichert, sondern in den Beziehungen von mehreren Qubits – der Quantenalgorithmus muss also mehrmals laufen, was extrem zeitaufwändig ist. Zudem braucht es exponentiell viele Bits, um die Information auszulesen. Bei den bisher kleinen Quantencomputern spielt das keine Rolle, bei zukünftig größeren Geräten dagegen werden wir uns die nötigen Bitressourcen nicht mehr leisten können.
Zur Person
Richard Küng ist assoziierter Professor für Quanteninformatik an der Johannes Kepler Universität Linz (JKU). Nach seinem Studium an der ETH Zürich und der Promotion an der Universität Köln folgten ein mehrjähriger Forschungsaufenthalt am renommierten Caltech in Kalifornien, schließlich die Habilitation an der JKU. Küng arbeitet an effizienten und einfachen Lösungen für Probleme der Informationsverarbeitung mit klassischen und Quantencomputern. Für seine Forschung erhielt er zahlreiche Preise, darunter den Willi-Studer-Preis der ETH Zürich und den Kardinal-Innitzer-Preis der Erzdiözese Wien.
„Wirkliches Potenzial von Quantenrechnern sehe ich bei künstlicher Intelligenz.“
Für Ihre Idee, diese als Readout-Problem bekannte Herausforderung zu meistern, sind Sie mit dem START-Preis 2023 ausgezeichnet worden. Was ist Ihr Ansatz?
Küng: Anstatt wie bisher die Quantensysteme hintereinander zu messen, möchte ich diese Vorgänge parallelisieren – mithilfe von Verschränkung. Wie wir in einem Pilotprojekt mit Google zeigen konnten, birgt das enormes Potenzial. Wir gewinnen so einen direkteren Zugang zur Quantenwelt und schonen unsere Ressourcen.
„Der START-Preis gibt mir die Unabhängigkeit, mein Projekt ohne Kompromisse zu verfolgen.“
Nach dem Preis ist vor der Forschung: Was sind die nächsten Schritte?
Küng: Als Theoretiker muss ich mir nicht erst ein Labor einrichten, daher werde ich als ersten Schritt mein Team aus Doktoratsstudent:innen vergrößern, mit dem ich mich zunächst dem Readout-Problem widmen werde. Das Preisgeld wird dementsprechend in Personalkosten fließen – und in Reisebudget, denn mir ist der internationale Austausch sehr wichtig, unter anderem mit unseren Projektpartnern am Caltech (California Institute of Technology). Als weiteren Schritt wollen wir Synergien mit künstlicher Intelligenz erforschen, um unsere Konzepte abschließend auf realen Quantencomputern zu implementieren.
Sie haben Ihr Forschungsleben sehr international angelegt. Wieso verfolgen Sie Ihr Projekt ausgerechnet in Österreich?
Küng: In den USA etwa hatte ich zwar Gelegenheit, mit führenden Unternehmen zu kooperieren – und so manches Jobangebot –, doch letztlich glaube ich an die Grundlagenforschung und die freie Verfügbarkeit von Wissen. Der FWF und der START-Preis geben mir die Mittel und die Unabhängigkeit, mein Projekt wirklich ohne Kompromisse zu verfolgen.
Zum Projekt
Der größte Vorteil von Quantencomputern ist auch ihre Schwachstelle: Diese Systeme arbeiten mit Informationsträgern, die auf den Überlagerungseffekten der Quantenphysik beruhen, sogenannten Qubits. Doch die so verarbeiteten Daten können nicht ohne Weiteres in ein von normalen Rechnern – oder Menschen – lesbares Format gebracht werden. Im START-prämierten Projekt „Q-Shadows“ will Richard Küng die Mittel der Quanteninformationstheorie selbst nutzen, um dieses Ausleseproblem fundamental zu lösen, und dabei Zeit und Bitressourcen sparen. Darauf aufbauend sollen künstliche Intelligenzen lernen, sich in der Quantenwelt zu orientieren. Seine Ideen will Küng schließlich mit künftigen Quantencomputern praktisch umsetzen.
Der FWF-START-Preis
Das Karriereprogramm des Wissenschaftsfonds FWF richtet sich an junge Spitzenforschende, denen die Möglichkeit gegeben wird, auf längere Sicht und finanziell weitgehend abgesichert ihre Forschungen zu planen. Der FWF-START-Preis ist mit bis zu 1,2 Millionen Euro dotiert und zählt neben dem FWF-Wittgenstein-Preis zur prestigeträchtigsten und höchstdotierten wissenschaftlichen Auszeichnung Österreichs.