Der START-Preisträger Aleksandar Matkovic sucht nach Materialien, die nur wenige Atome dick sind und besondere magnetische Eigenschaften haben, die sich für Anwendungen von Datenspeicherung bis zu Biotechnologie eignen könnten. © Sabine Hoffmann/FWF

FWF: Für welche Materialien interessieren Sie sich? Aleksandar Matkovic: Sie werden Van-der-Waals-Materialien genannt und bestehen aus sehr dünnen Schichten, die nur sehr schwach aneinandergebunden sind. Man kann sie sich wie einen Papierstapel aus dünnen Blättern vorstellen. Die ersten Materialien aus solchen Monoschichten, die manchmal nur eine Atomlage dick sind, wurden 2004 von Andre Geim und Konstantin Novoselow an der Universität Manchester gefunden. 2010 erhielten sie dafür den Nobelpreis. Sie sind sehr interessant für verschiedene Anwendungen, vor allem in der Elektronik, aber auch für Sensoren. Das bekannteste Material dieser Art ist Graphen. Man gewinnt es aus Graphit. Von 2004 bis 2017 fehlte aber ein Aspekt dieser Materialien in der Forschung: ihre magnetischen Eigenschaften. FWF: Warum fehlte das bis jetzt? Matkovic: Magnetische Van-der-Waals-Materialien sind sehr selten und beinhalten üblicherweise seltene Erden. Die wissenschaftliche Gemeinschaft interessiert sich aktuell besonders für die Materialien Iodit und Tellurid, die starke magnetische Eigenschaften haben, aber nur unter sehr speziellen Bedingungen, also ihm Hochvakuum und bei drei bis vier Grad über dem absoluten Nullpunkt. Sie enthalten Chlor, Iod oder Tellurium an den Oberflächen ihrer Monoschichten, weshalb sie sehr schnell oxidieren. Schon im Vakuum des erdnahen Weltraums würden sie augenblicklich verbrennen. Als Ausgangspunkt für technologische Anwendungen sind sie also ungeeignet. Darum konzentrieren wir uns auf Talk. FWF: Warum ist Talk so besonders? Matkovic: Von Talk weiß man aus der Geologie, dass er nur sehr selten in reiner Form vorkommt. In der Kosmetik, wo Talk verwendet wird, ist die Herstellung daher ein großes Thema. Man verwendet dort synthetischen Talk, weil natürlicher Talk oft Eisen enthält. Das weckte unser Interesse, denn Eisen führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Magnetismus. Eisen wird sehr leicht in die Kristallstruktur eingebaut und ersetzt das Magnesium. Und im Gegensatz zu Tellurid und Iodit ist das Material sehr stabil. Jede Schicht Talk besteht aus einer Monoschicht Magnesium-Hydroxid zwischen zwei Deckschichten aus Siliziumoxid – also im wesentlichen Glas. Die ganze Schicht ist nur einen Nanometer dick. Es ist gerade so, als wäre die mittlere Schicht perfekt eingekapselt. Wir sahen uns die Sache genauer an und hatten das Glück, einige seltene Proben von natürlichen Talkkristallen zu finden, mit denen wir experimentieren konnten.

„Es gelang uns zu zeigen, dass es in Talk in der Luft und bei Zimmertemperatur Magnetismus gibt. Das ist ein Game Changer für das gesamte Forschungsfeld.“ Aleksandar Matkovic

Die Montanuniversität Leoben hat eine Mineraliensammlung, wo wir Zugang zu sehr reinem Talk hatten. Und außerdem hatten wir das Glück, dass einer unserer Master-Studenten eine eigene Mineraliensammlung hatte und ein Stück Talk zur Verfügung stellte, das einen sehr hohen Eisenanteil hatte. Wir untersuchten das Material, um zu sehen, ob wir eine magnetische Reaktion bekommen würden. Es gelang uns zu zeigen, dass es dort tatsächlich Magnetismus gibt – schwächer als in den Materialien der anderen Gruppen, aber in der Luft und bei Zimmertemperatur. Das ist ein Game Changer für das gesamte Forschungsfeld. FWF: Sie arbeiten also mit natürlichem Talk? Matkovic: Das Projekt hat zwei Stufen. In der ersten Stufe werden wir mit natürlichen Proben arbeiten. Mittels unserer Kontakte zur Mineralogie konnten wir von der Universität Minnesota eine Probe eines Materials namens Minnesotait beschaffen, das im Inneren praktisch hundert Prozent Eisenanteil hat. Das Material ist sehr selten, in erster Linie, weil sich bisher niemand wirklich dafür interessierte. Wir bekamen tatsächlich ein einen Kubikzentimeter großes Stück von dem Kristall, der damals in den 1960er-Jahren verwendet wurde, um das Material zu benennen. Diese Menge reicht für ein ganzes Forscherleben. In den ersten drei Jahren wollen wir möglichst viele natürliche Talk-Proben untersuchen. Dann, wenn wir wissen, welche Kandidaten am vielversprechendsten sind, wollen wir beginnen, selbst Talkkristalle zu züchten. Das wird eine Herausforderung, weil der industrielle Prozess zur Erzeugung von Talk nur Pulver liefert, keine kristallinen Schichten. FWF: Wie wollen Sie das angehen? Matkovic: Es gibt ein eng verwandtes Material, Mica, das die größten Kristalle in der Natur bildet, mehrere Quadratmeter groß. Das Material sieht komplex aus, bildet sich aber auf natürlichem Weg. Diese Mechanismen wollen wir verstehen und nutzen, um synthetisch Mono-Schicht-Kristalle zu züchten. In den letzten Jahren gab es große Fortschritte in der Züchtung synthetischer Van-der-Waals-Materialien, die uns als Ausgangspunkt dienen. FWF: Wie ändert der START-Preis Ihre Forschungsarbeit? Matkovic: Für mich persönlich ist das ein Riesenschritt nach vorne. Ich bin kein ordentlicher Professor hier in Leoben. Als Postdoc hatte ich ein Lise-Meitner-Stipendium des FWF und entdeckte in diesem Rahmen das Potenzial der Talkkristalle. Im Gespräch mit Leuten von der Geologie in Leoben erkannten wir, dass das eine große Sache ist, und wir wollten versuchen, mehr Förderung dafür zu lukrieren. Ich bin sehr glücklich, dass ich nun die Mittel habe, mich die nächsten sechs Jahre damit zu beschäftigen. FWF: Was motiviert Sie an diesem Thema besonders? Matkovic: Mich fasziniert die experimentelle Arbeit mit diesen zweidimensionalen Materialien. Diese Monoschichten kann man buchstäblich anfassen und unter bestimmten Umständen sogar mit freiem Auge sehen – eine ein Atom dicke Materialschicht. Sie liegt direkt vor einem. Das fasziniert mich.


Aleksandar Matkovic forscht an der Montanuniversität Leoben. Seine Arbeit bewegt sich zwischen angewandter Physik und Materialwissenschaft und dreht sich um zweidimensionale Materialien. Außerdem interessiert er sich für Prozesse der Selbstordnung.

Zum Projekt Das Forschungsprojekt „Der unüberwindliche EISEN-TALK – 2D-magnetische Schichten“ befasst sich mit der Untersuchung der magnetischen Eigenschaften von Materialien aus geschichteten Materialien auf der Basis von Phyllosilikaten und Hydroxiden, bis zur Dicke von Monoschichten, die nur eine Atomlage dick sind. Insbesondere Talk, der aus solch dünnen Schichten besteht, verspricht, besondere magnetische Eigenschaften bei Raumtemperatur und an der Luft zu zeigen, wenn eine ausreichende Verunreinigung durch Eisenatome vorliegt. In einer ersten Stufe des Projekts werden natürliche Talkproben untersucht, später sollen magnetische Monoschichten synthetisch hergestellt werden.

Der START-Preis Das START-Programm des Wissenschaftsfonds FWF richtet sich an junge Spitzenforschende, denen die Möglichkeit gegeben wird, auf längere Sicht und finanziell weitgehend abgesichert ihre Forschungen zu planen. Es ist mit bis zu 1,2 Millionen Euro dotiert und zählt damit neben dem Wittgenstein-Preis zur prestigeträchtigsten und höchstdotierten wissenschaftlichen Auszeichnung Österreichs.