Portrait Yurii Malitskyi
Menschen lösen tagtäglich Optimierungsprobleme. Mithilfe der mathematischen Struktur verschiedener solcher Probleme möchte der FWF-START-Preisträger Yurii Malitskyi bessere Algorithmen finden, um damit schneller zu Lösungen zu gelangen. © FWF/Stefanie Freynschlag

Herr Malitskyi, welche Rolle spielen Optimierungsprobleme in unserer Welt?

Yurii Malitskyi: Im Allgemeinen versuchen Menschen meist, die optimale Lösung für ihre Probleme zu finden. Nehmen wir an, ich will eine Brücke bauen. Dann werde ich Ansprüche an diesen Bau haben, etwa dass sie so sicher wie möglich sein soll, oder so günstig wie möglich.

Diese Ziele zu erreichen, ist ein Optimierungsproblem. Oder nehmen Sie ein Lieferunternehmen: Es wäre unklug, würden Sie Ihr Auto unnötig durchs Stadtzentrum schicken, um eine Firma in der Vorstadt zu beliefern. Menschen lösen also dauernd Optimierungsprobleme. Die Natur übrigens macht dasselbe, auch wenn wir nicht immer verstehen, wie.

Nun lassen wir uns bei solchen Problemen mehr und mehr von Computern unter die Arme greifen. Wie funktioniert das?

Malitskyi: Ohnehin sind die meisten Probleme zu schwierig, um sie im Kopf zu lösen. Darum braucht es Algorithmen, also einfache Rechenanweisungen, die schrittweise zum Ziel führen. Diese Strategien können in die Sprache der Mathematik übersetzt, von Computern und vorhandener Software angewendet werden.

Zur Person

Yurii Malitskyi ist Mathematiker. Nach Studium und Promotion an der Universität Kiew folgten Forschungsaufenthalte an der Technischen Universität Graz, der Universität Göttingen und der ETH Lausanne, woraufhin Malitskyi Assistenzprofessor an der Uni im schwedischen Linköping wurde. 2023 erfolgte der Ruf als Assistenzprofessor für computergestützte Optimierung an der Universität Wien. Folgerichtig sind Optimierungsalgorithmen Malitskyis Forschungsschwerpunkt.

„Im Wesentlichen geht es immer darum, eine Funktion zu minimieren oder maximieren.“ Yurii Malitskyi

Für solche Algorithmen gibt es zahlreiche Beispiele, im Wesentlichen geht es aber immer darum, eine Funktion zu minimieren oder maximieren. Weil wir über Computer reden: Wenig überraschend steht künstliche Intelligenz gerade stark im Fokus auch unserer Forschung, denn ein essenzieller Schritt beim maschinellen Lernen ist ebenso ein Optimierungsproblem.

Sie befassen sich im Rahmen Ihres Projekts mit kontinuierlichen Optimierungen. Was bedeutet das?

Malitskyi: Bei kontinuierlichen Optimierungsproblemen kann die Lösung Werte aus den reellen Zahlen annehmen. Dagegen kann die Lösung bei diskreten Optimierungen nur fixe Werte haben, also etwa null oder eins. Ein Beispiel für Letzteres wäre eine Platine mit vielen Schaltern, wo etwa der Strom maximiert werden soll. Hier wird die gesuchte Lösung nur diskrete Werte enthalten, denn jeder Schalter ist entweder offen oder nicht.

Tatsächlich sind solche diskreten Probleme in der Regel nicht lösbar, das bedeutet, es bleibt einem nichts anderes übrig, als jede Möglichkeit nacheinander auszuprobieren und so das Optimum zu finden – bei sehr vielen Alternativen kann das praktisch unendlich lang dauern. Allerdings gibt es Fälle, wo man kontinuierliche Optimierung verwenden kann, um sich der Lösung für ein diskretes Problem anzunähern.

Für Sie ist aber die Lösung eines konkreten Problems nicht das Wichtigste, richtig?

Malitskyi: Exakt, das Ziel ist nicht nur, ein Problem zu lösen, sondern im Allgemeinen neue Algorithmen zu konstruieren, ihre theoretischen Eigenschaften zu untersuchen und dann natürlich auch anzuwenden. Klar, vielen wird die Theorie egal sein, Hauptsache, der Algorithmus funktioniert. Aber als Mathematiker möchten wir Algorithmen verstehen und ihre Eigenschaften studieren.

Hierbei spielt die Blackbox-Annahme eine zentrale Rolle: Wir gehen bei unserer Forschung davon aus, dass wir keinen Zugriff auf die Funktion haben, die optimiert werden soll. Wir haben nur eine Blackbox, die Informationen ausspuckt, etwa Funktionswerte oder die Ableitung an manchen Punkten – was auch immer. Basierend auf diesen limitierten Informationen konstruieren wir Algorithmen.

Genau in diese Blackbox wollen Sie aber hineinschauen.

Malitskyi: Ja, denn in dieser Blackbox befinden sich viele verschiedene Funktionen mit verschiedenen Eigenschaften, die in verschiedenen Anwendungen auftreten. Ich denke daher, es ist an der Zeit, über diese Blackbox hinauszugehen und Informationen über die Strukturen der Funktionen zu nutzen, um zu erforschen, was die besten Algorithmen für kleinere Funktionsklassen sind und wieso wir nicht besser sein können.

Zum Projekt

Mithilfe der mathematischen Struktur verschiedener Optimierungsprobleme will Yurii Malitskyi einerseits bessere Algorithmen finden, um schneller zu Lösungen zu gelangen, andererseits die mathematischen Eigenschaften der Algorithmen besser verstehen. Dazu muss er die Blackbox- Annahme fallen lassen, die standardmäßig für Funktionen in Optimierungen gilt. Das Lüften dieses Schleiers verspricht Fortschritte in Grundlagenforschung und Anwendungsgebieten wie künstlicher Intelligenz.

„Schnellere Algorithmen sparen Ressourcen und reduzieren Kosten.“ Yurii Malitskyi

Ein Beispiel dafür sind adaptive Algorithmen: Stellen Sie sich eine Funktion als eine Landschaft vor, deren Berg oder Tal Sie suchen. Setzen Sie einen Algorithmus in dieses Terrain, bewegt er sich schrittweise Richtung Maximum bzw. Minimum, bis Sie diesen Punkt erreichen. Ein adaptiver Algorithmus würde nun die lokale Struktur der Funktion nutzen, um etwa größere Schritte zu machen und schneller ans Ziel zu kommen. Schnellere Algorithmen aber sparen Ressourcen und reduzieren Kosten.

Welche Auswirkungen hätte das auf künstliche Intelligenz?

Malitskyi: Unser Projekt wird nicht das gesamte Feld der KI verändern. Da aber der aufwendigste Schritt beim maschinellen Lernen ein Optimierungsproblem ist, ist es jedenfalls wichtig, neue Algorithmen zu suchen und ihre Eigenschaften zu verstehen. Uns geht es aber primär um die mathematischen Aspekte der Optimierung.

Was geschieht jetzt nach dem START-Preis?

Malitskyi: Der überwiegende Teil der Förderung wird in Personalkosten fließen, unter anderem für drei PhD-Student:innen, sowie Konferenz- und Reisekosten. Doch der Preis gibt mir auch die Zeit, Ideen zu entwickeln und das passende Team zu finden. Und wie jeder weiß, der in der Forschung tätig ist: Zeit ist wertvoller als Geld.

Der FWF-START-Preis

Das Karriereprogramm des Wissenschaftsfonds FWF richtet sich an junge Spitzenforschende, denen die Möglichkeit gegeben wird, auf längere Sicht und finanziell weitgehend abgesichert ihre Forschungen zu planen. Der FWF-START-Preis ist mit bis zu 1,2 Millionen Euro dotiert und zählt neben dem FWF-Wittgenstein-Preis zur prestigeträchtigsten und höchstdotierten wissenschaftlichen Auszeichnung Österreichs.