Der Anteil der Frauen in der Wissenschaft ist nach wie vor gering, vor allem in den höheren Positionen. Bis zur höchsten Auszeichnung, dem Nobelpreis, schaffen es die wenigsten. Zwischen 1901 und 2016 waren von insgesamt 881 Personen nur 48 weiblich. Zuletzt erhielt die Chinesin Tu Youyou 2015 den Nobelpreis für Medizin. © Nobel Media AB 2015/Pi Frisk

„Die Karriereperspektiven für Forschende an österreichischen Universitäten sind von Rahmenbedingungen geprägt, die durchgängige Karrieren erschweren, nur enge und späte Karriereperspektiven eröffnen und eingeschlagene Karrierewege zu Einbahnstraßen werden lassen“, so der Befund des Wissenschaftsministeriums laut „Aktionsplan für einen wettbewerbsfähigen Forschungsraum“ aus dem Jahr 2015. In der universitären Personalpolitik gibt es seit Längerem eine Schieflage. Das dürfte Konsens unter allen Verantwortlichen des Hochschulwesens in Österreich sein. Prekäre Beschäftigungssituationen, Kettendienstverträge und viel zu wenige unbefristete Laufbahnstellen machen es dem wissenschaftlichen Nachwuchs schwer, Fuß im vom Wettbewerb getriebenen System zu fassen. Besonders betroffen davon sind Frauen. In Sachen Gleichstellung zwischen den Geschlechtern sind die Fortschritte an den Universitäten, trotz verbesserter Voraussetzungen, bis heute langsam und zäh. Zwar erhöhte sich etwa die Zahl von Frauen auf Professuren seit 2000 von sechs auf 22 Prozent, doch „insgesamt ist die Entwicklung eher enttäuschend“, konstatiert Johanna Hofbauer von der Wirtschaftsuniversität Wien im Gespräch mit scilog.


Prekäre Beschäftigungsverhältnisse An den Universitäten wurden im Jahr 2000 Kettenvertragsregelungen eingeführt, um Arbeitnehmer/innen vor andauernden prekären Beschäftigungsbedingungen zu schützen, indem befristete Arbeitsverhältnisse maximal sechs Jahre umfassen dürfen. Aufgrund des Mangels an festen Stellenangeboten hat die Regelung jedoch nicht nur eine abschreckende Wirkung auf Frauen gehabt, sondern insgesamt bewirkt, dass der Anteil der befristeten Dienstverhältnisse hoch ist und prekäre Arbeitsbedingungen verstärkt wurden. In Österreich sind rund drei Viertel des wissenschaftlichen Personals in befristeten Anstellungsverhältnissen.


Gleichstellungsarbeit sehr unterschiedlich

Die Soziologin hat in einem vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt Wissenschaftskarrieren an den Universitäten mit dem Fokus auf Gleichstellungsarbeit analysiert. Ihr Fazit fällt nüchtern aus: Nur einer von vier untersuchten Universitäten ist es gelungen, Gleichstellungsziele im Rahmen der umfassenden Strukturreformen der Hochschulen, die ab der Jahrtausendwende angestoßen wurden, zu verankern. „Bei den anderen hat die Umstellung auf unternehmerische Steuerungsformen keinen Kulturwandel mit sich gebracht. Hier ist man nach wie vor mit grundlegenden Fragen zur Gleichstellung beschäftigt“, fasst Hofbauer die Studienergebnisse zusammen. Dabei haben die gesetzlichen Vorgaben der Universitätsreformen seit 2000 wichtige Voraussetzungen für die Gleichstellung von Frauen und Männern an den Universitäten geschaffen. Heute ist dieses Thema bei den gestärkten Leitungsorganen, also den Rektoraten, fix verankert und dort auch institutionell angesiedelt. Das Ziel geschlechtergerechter Laufbahnen ist damit zumindest formell verankert. Doch wie unterschiedlich die Umsetzung dieser Anliegen ausfällt, zeigt der wissenschaftliche Befund. „Man möchte meinen, dass das Universitätsgesetz gleiche Voraussetzungen für alle schafft. Unsere Untersuchungen zeigen, dass das nicht der Fall ist“, berichtet Johanna Hofbauer.


Neu: Das Laufbahnmodell 2009 wurde ein sogenanntes Laufbahnmodell an den Hochschulen eingeführt, um unter anderem der Abwanderung „exzellenter Köpfe“ aus Österreich entgegenzuwirken. Das Modell ist vergleichbar mit den Tenure-Track-Karrierepfaden im englischsprachigen Raum. Das Laufbahnmodell eröffnete erstmals wieder eine Perspektive für Nachwuchswissenschafter/innen auf planbare Karrierewege und unbefristete Beschäftigungsverhältnisse auf dem Weg zur Professur. Es sieht einen sechsjährigen Arbeitsvertrag als Assistenzprofessor/in mit Qualifizierungsvereinbarungen vor. Werden die Ziele erreicht, folgt der Umstieg auf eine unbefristete Stelle als assozierte/r Professor/in. Die Umsetzung des Modells erfolgt an den Universitäten noch zögerlich. Aktuell sind nur rund fünf Prozent des wissenschaftlichen Personals in Laufbahnstellen.


Fallstudien, Gender-Kompetenz und Verantwortliche

In den Fallstudien, die an vier unterschiedlich ausgerichteten österreichischen Universitäten durchgeführt wurden, haben die Wissenschafterinnen um Projektleiterin Hofbauer sowohl Dokumente analysiert (von Entwicklungsplänen über Leistungsvereinbarungen bis zu dem neuen Laufbahnmodell) als auch Interviews mit Führungskräften aus Rektorat und Senat, mit Gleichstellungsverantwortlichen und mit jungen Wissenschafterinnen und Wissenschaftern (Postdocs) geführt. Auf dem Weg zur Chancengleichheit braucht es sowohl das Bewusstsein der einzelnen Verantwortlichen dafür als auch das entsprechende Umfeld in der jeweiligen Organisation. Rektorate mit Persönlichkeiten, die sich für das Thema interessieren, Genderkompetenz und -forschung, schriftlich dokumentierte Entwicklungsziele und ein entsprechendes Personalmanagement sind wesentliche Voraussetzungen dafür, um einen nachhaltigen Kulturwandel in dem noch bis heute männlich geprägten Wissenschaftsbetrieb anzustoßen. – So ein zentraler Befund der Studie.

Transparenz, Ressourcen und Vernetzung

In der neoliberalen Dynamik, das heißt im Spannungsfeld von Wettbewerbsorientierung und Chancengleichheit, in dem sich heute die öffentlichen Universitäten befinden, sollte Gleichstellung nicht als zusätzliche Anforderung betrachtet werden, die anderen Reformen im Weg steht. „Dieser Konflikt ist konstruiert“, sagt Hofbauer. „Wir müssen uns vielmehr die Frage stellen, wie wir mit unserem Nachwuchs umgehen“, betont die Wissenschafterin und ergänzt: „Entscheidungsverantwortliche können Gleichstellungsziele argumentativ umgehen und damit die Karrierechancen von Frauen erschweren. Das ist dann einfacher, wenn es keine Gleichstellungskultur an der Universität gibt.“ Das Positivbeispiel zeigt den Weg in die Praxis: Formalisierung und Transparenz von Entscheidungsprozessen fördern Gleichstellungsarbeit, allerdings nur dann, wenn diese Arbeit von Akteurinnen und Akteuren getragen wird, die über organisationale Macht- und feministische Wissensressourcen verfügen und darüber hinaus gut vernetzt sind.


Zur Person Johanna Hofbauer forscht und lehrt am Institut für Soziologie und Empirische Sozialforschung der Wirtschaftsuniversität Wien. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Gender in der Wissenschaft sowie Arbeits- und Nachhaltigkeitsforschung. Das FWF-Projekt „Wissenschaftskarrieren und Geschlecht“ (2012-2016)  war Teil des DACH-Projekts „Entrepreneurial University and GenderChange“. An der österreichischen Untersuchung von Wissenschaftskarrieren wirkten mit: Birgit Sauer (Universität Wien) sowie Katharina Kreissl (TU München) und Angelika Striedinger (IHS Wien).


Publikationen und Beiträge

Kreissl, Katharina; Striedinger, Angelika; Sauer, Birgit; Hofbauer, Johanna: Will gender equality ever fit in? Contested discursive spaces of university reform. In: Gender and Education, vol. 27, no. 3, pp. 221-238, 2015
Striedinger, Angelika; Sauer, Birgit; Kreissl, Katharina; Hofbauer, Johanna: Feministische Gleichstellungsarbeit an unternehmerischen Hochschulen: Fallstricke und Gelegenheitsfenster. In: Feministische Studien, Jg. 16, Nr. 1, S. 9-22, 2016 (pdf)
Hofbauer, Johanna; Striedinger, Angelika; Sauer, Birgit ; Kreissl, Katharina: Akademischer Kapitalismus, Wettbewerb, Wissenschaftskarrieren. In: Dahmen, Jennifer / Thaler, Anita (Hg.), Soziale Geschlechtergerechtigkeit in Wissenschaft und Forschung, Barbara Budrich, Opladen: S. 211-228, 2017
Hofbauer, Johanna; Wroblewski, Angela: Equality Challenges in Higher Education Inhaltliche Dokumentation und Schlussfolgerungen aus der „8th European Conference on Gender Equality in Higher Education“. Dokumentation im Auftrag des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (bmwfw). Wien, Institut für Höhere Studien, 2015 (pdf)