Der Klimaschatz aus Nevada
Nevada im Südwesten Nordamerikas beherbergt einen einmaligen Ort. Wer am Rande von Death Valley durch die Amargosa-Wüste fährt, stößt auf ein geologisches Juwel. Eine schmale Felsspalte gibt dort den Blick frei auf ein weitläufiges unterirdisches Wasserreservoir. Das sogenannte Devils Hole (Teufelsloch) stellt einen Hotspot der Paläoklimaforschung dar. Denn aus dem warmen Wasser kristallisiert das Mineral Kalzit aus und bildet dicke Überzüge auf den Wänden dieser mindestens 150 m tiefen Spalte. Bereits Ende der 1980er Jahre belegten wissenschaftliche Untersuchungen, dass diese Ablagerungen eine komplette und sehr genaue Aufzeichnung des Klimas der vergangenen rund 500.000 Jahre bieten.
Klimadaten aus 1 Million Jahren
In einem Projekt des Wissenschaftsfonds FWF unter der Leitung des Geologen Christoph Spötl von der Universität Innsbruck werden aktuell neue Messungen in der Felskluft in Nevada erhoben, mit dem Ziel, den „Klimakalender“ bis auf 800.000 oder vielleicht sogar rund 1 Million Jahre zu erweitern. Dafür werden Proben des Kalzits von oberhalb des Grundwasserspiegels mit Bohrkernen entnommen und mit neuesten Messmethoden zeitlich eingestuft. „Das Besondere an diesem Ort ist, dass hier Kalzit extrem langsam und kontinuierlich auskristallisiert, Lage für Lage“, erklärt Spötl. „Wie bei einem Baum, nur tausende Male länger.“ Anders als vergleichsweise bei Tropfsteinen, die ebenso gesuchte „Klimaarchive“ der Forschung sind, wo das Wachstum nicht selten nach ein paar tausend, spätestens aber nach wenigen zehntausend Jahren wieder stoppt. Auch andere Faktoren helfen übrigens bei der Neuberechnung des Klimakalenders: wie etwa magnetische Signale. „Vor 780.000 Jahren hat sich das letzte Mal das Erdmagnetfeld um 180 Grad gedreht“, erklärt Spötl. Diese Umpolung ist in den tieferen Kalzitlagen von Devils Hole erhalten geblieben, wie in Kooperation mit der Montanuniversität Leoben herausgefunden wurde. „Das belegen erste, aber durchaus belastbare Daten“, freut sich Projektleiter Spötl.
Klimawechsel rekonstruieren
Neben den neuen Messungen zur zeitlichen Einstufung der Kalzitablagerungen untersuchen die Innsbrucker Forscherinnen und Forscher sowohl die Temperatur des Wasserspeichers als auch Schwankungen des Grundwasserspiegels. Die Kalkablagerungen zeigen, dass beispielsweise der Wasserspiegel vor rund 20.000 Jahren deutlich höher war – um rund neun Meter. Das Forscher-Team um Christoph Spötl kann so Trocken- und Feuchtphasen in diesem Teil Nordamerikas rekonstruieren – und damit auch ein klareres Bild der Klimageschichte zeichnen. Dies stellt eine wichtige historische Datengrundlage für den Südwesten der USA dar, der aktuell von Dürren heimgesucht wird.
Das große Rätsel
Nicht zuletzt möchten die Wissenschafterinnen und Wissenschafter mit den neuen Untersuchungen auch dem großen Rätsel rund um Devils Hole auf die Spur kommen. Denn die bisherigen Paläoklimadaten aus Nevada stimmen nicht mit jenen überein, die man zum Beispiel aus Ablagerungen am Meeresboden kennt. Das wird in der Scientific Community bis heute kontrovers diskutiert und stellt damit eine ungeklärte Frage in der Klimaforschung dar. „Die Kontroverse besteht darin, dass die ganz großen, globalen Klimaänderungen, nämlich der Übergang einer Eiszeit zu einer Warmzeit, hier deutlich früher einsetzte als überall anderswo“, berichtet Spötl und merkt an: „Wir sind der Lösung dieser seit mehr als 20 Jahren bestehenden Frage bereits sehr nahe, möchten aber laufenden Publikationsvorhaben nicht vorgreifen.“
Zur Person Der Geologe Christoph Spötl ist Professor für Quartärforschung am Institut für Geologie der Universität Innsbruck. Unter anderem durch Datierungen von Tropfsteinen in Höhlen der Alpen hat die Forschergruppe um Spötl einen wesentlichen Beitrag zur historischen Klimaforschung geleistet. Christoph Spötl forschte an renommierten Institutionen in den USA. 1999 erhielt er den START-Preis des Wissenschaftsfonds FWF. Das FWF-Projekt „Devils Hole, Nevada“ läuft noch bis 2018.
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