Meeresbiologe Robert Schabetsberger hat herausgefunden, wo sich Aale paaren. Das könnte das Überleben der gefĂ€hrdeten Spezies sichern. © Ursula Sichrovsky

Schon einmal Aal gegessen? In Österreich handelte sich aller Wahrscheinlichkeit nach um einen europĂ€ischen Aal. Das Tier wurde demnach in der Sargassosee nahe dem amerikanischen Kontinent geboren. Der Aal ist ein sogenannter „katadromer“ Wanderfisch, der als Larve in einer mehrjĂ€hrigen Wanderung den Atlantik ĂŒberquert, um danach in europĂ€ische FlĂŒsse und Seen aufzusteigen. Wenn er ausgewachsen ist, schwimmt er wieder flussabwĂ€rts ins Meer. Im Einzugsgebiet der Donau ist der Aal eigentlich nicht heimisch – bis in die 1980er Jahre hat man insgesamt elf Millionen Aale aus FlussmĂŒndungen gefischt und in österreichische Seen eingesetzt. Die Tiere können von dort das Laichgebiet allerdings nicht mehr erreichen. Wie genau Aale laichen, ist bislang nicht bekannt. Nach wie vor ist es nicht gelungen, Aale in ihrer natĂŒrlichen Umgebung beim Laichen zu beobachten. Diese Unwissenheit ĂŒber das Leben im Ozean wird fĂŒr die Aale mehr und mehr zur Überlebensfrage: Der europĂ€ische Aal ist unter anderem durch den Fischereidruck vom Aussterben bedroht. In einem vom Wissenschaftsfonds FWF finanzierten und seit 2016 laufenden Projekt versucht der Biologe Robert Schabetsberger nun, Licht in die Frage nach den Laichgebieten der Aale zu bringen.

Perfekte Bedingungen auf Pazifikinsel

Die Idee zur Aalforschung entstand wĂ€hrend eines Forschungsprojekts, das Schabetsberger privat finanzierte. Er interessierte sich fĂŒr Seen auf den sĂŒdpazifischen Inseln. „Das ist das isolierteste SĂŒĂŸwasser der Welt“, erklĂ€rt Schabetsberger. Auf der Vulkaninsel Gaua im Vanuatu-Archipel fischte der lokale Guide zum Abendessen zwei riesige Aale. „Ich wusste, dass das der perfekte Ort wĂ€re, um die Wanderung der Aale zu erforschen.“ Einige Jahre spĂ€ter kehrte Schabetsberger auf die Insel zurĂŒck, um Aale auf dem Weg ins Meer mit Satellitensendern zu versehen. Da Aale nach dem Ablaichen sterben, sollte das Auftauchen der Sender einen Hinweis auf den Ort geben, wo das geschieht. Das Projekt war erfolgreich, drei Sender tauchten tatsĂ€chlich in einem Gebiet auf, in dem ein Laichgebiet vermutet wird. „Wir waren mit hoher Wahrscheinlichkeit die Ersten, die Aale bis ins Laichgebiet verfolgt haben. Dank dieser Ergebnisse konnten wir das FWF-Projekt an Land ziehen.“

Ein tropischer Aal mit Satellitensender. © Robert Schabetsberger

Genetische und ozeanografische Untersuchungen

In dem laufenden biologischen Grundlagenprojekt arbeitet Schabetsberger nun mit Aalforscherinnen und -forschern aus aller Welt zusammen, um verschiedene Aspekte der Aalwanderungen zu untersuchen. Schon in Vanuatu fielen dem Forscherteam Individuen auf, die wie Mischlinge zweier Arten aussahen. Genetische Untersuchungen des Auslandsösterreichers Robert Jehle im Rahmen des Projekts haben das inzwischen bestĂ€tigt. „Zurzeit untersuchen wir etwa 500 genetische Proben aus dem pazifischen und indischen Ozean von drei verschiedenen Aal-Arten – ein einzigartiger Datensatz“, betont der Forscher. Seit Jahren versuchen internationale Expeditionen, die Laichgebiete der insgesamt 16 Aal-arten mit Forschungsschiffen aufzuspĂŒren. Die genetischen Untersuchungen helfen, die einzelnen Populationen abzugrenzen. Ein Erfolg des Projekts war die Analyse der Daten von automatisierten Meeresbojen. „Wir haben weltweit sogenannte Argofloats angeschaut, das sind autonome Bojen, von denen es 3800 StĂŒck gibt, und es werden stĂ€ndig neue ausgesetzt. Diese messen die Bedingungen im Ozean, wie Strömung, Temperatur oder Salzgehalt und schicken das zu Satelliten.“ Man habe sich die Daten der Argofloats in der NĂ€he vermuteter Laichgebiete angesehen und dabei eine ĂŒberraschende Entdeckung gemacht.

Salzgehalt des Wassers als Orientierungshilfe?

„Fast alle bekannten und vermuteten Laichgebiete sind in Bereichen mit erhöhtem Salzgehalt in ca. 150 Metern Tiefe, in sogenannten High Salinity Cores, und zwar an deren westlichen RĂ€ndern.“ Das könnte einen Hinweis auf die Sinne sein, mit denen sich die Aale im Meer auf ihrer tausende Kilometer langen Reise orientieren. „Die Frage der Orientierung ist ebenfalls ungelöst und wird kontroversiell diskutiert“, sagt der Biologe. Vielleicht sei der Salzgehalt eine Orientierungshilfe. In einem neuen Besenderungsprojekt auf der Insel Upolu in Samoa konnten vier kleinere Aale, möglicherweise MĂ€nnchen, mit Sendern ausgestattet werden. Die Sender blieben allerdings nur drei Wochen an den Tieren. Warum, ist nicht ganz klar. Vermutlich wurden sie von Raubfischen getötet. Es ist aber nicht auszuschließen, dass die Laichgebiete nĂ€her an der Insel liegen als gedacht. Jedenfalls zeigten auch die kleineren Tiere die typischen Vertikalwanderungen: Bei Tagesanbruch tauchen die Tiere von rund 150 m bis auf 750 Meter Tiefe hinab und steigen erst bei Einbruch der Dunkelheit wieder höher.

ZĂŒchtung von Aalen ermöglichen

Die Erforschung der Laichgebiete der Aale könnte fĂŒr die bedrohten Arten lebensrettend sein: „Die Idee dahinter ist, die Bedingungen an den LaichplĂ€tzen zu kennen. Bis heute ist es nicht gelungen, im Labor den Zyklus zu schließen, damit eine wirtschaftliche ZĂŒchtung in Aquakulturen möglich ist. Der europĂ€ische Aal ist vom Aussterben bedroht. Derzeit werden die jungen Aale, wenn sie beginnen, in die FlĂŒsse aufzusteigen, in großen Mengen abgefischt. FĂŒr mehrere tausend Euro das Kilo werden sie nach China geschickt und in Aalfarmen aufgezogen, wo sie nach Japan verkauft werden.“ Offiziell sei das Abfischen des europĂ€ischen Aals inzwischen verboten, es passiere aber nach wie vor, kritisiert Schabetsberger, der seine Forschungen auf den Indischen Ozean ausweiten will. „Inzwischen steigt auch der Druck auf die tropischen Arten“, betont der Forscher. Die Zeit drĂ€ngt also.


Zur Person Robert Schabetsberger ist Biologe und Privatdozent an der UniversitĂ€t Salzburg. Seine Wurzeln hat er in der heimischen Limnologie und Herpetologie. Mit einem Erwin-Schrödinger-Stipendium des FWF begann 1996 seine Arbeit als Meeresbiologe. Der Zoologe ist außerdem als TV-Journalist tĂ€tig und hat mehr als 200 BeitrĂ€ge fĂŒr den ORF produziert.


Publikation

Schabetsberger, R., M.J. Miller, G. Dall’Olmo, R. Kaiser, F. Økland, S. Watanabe, K. Aarestrup & K. Tsukamoto: Hydrographic features of anguillid spawning areas: potential signposts for migrating eels. Mar. Ecol. Prog. Ser., 554: 141–155, 2016