Botschaften bei der Balz belauschen

Einige Tiere singen, um zu werben: Wale tun es fĂŒr uns unhörbar unter Wasser, leichter ist frĂŒhmorgens die Vielfalt von Vogelgezwitscher wahrnehmbar. Inzwischen wissen wir, dass auch MĂ€usemĂ€nnchen mehr als nur quietschen können. Vor vielen Jahren waren Forschende des Konrad-Lorenz-Instituts unter den Ersten, die das fĂŒr den Menschen unhörbare Spektrum der Ultraschallrufe von LabormĂ€usen wĂ€hrend Balz und Paarung aufzeichneten. Seit rund 15 Jahren ist bekannt, dass diese Lautfolgen Ă€hnlich komplex sind wie der Gesang von Vögeln. TatsĂ€chlich klingen die Ultraschallvokalisationen (USV) von MĂ€usen sogar Ă€hnlich wie Vogelzwitschern, wenn man sie so verlangsamt, dass sie hörbar werden, erklĂ€rt Dustin Penn vom Konrad-Lorenz-Institut fĂŒr Vergleichende Verhaltensforschung der VeterinĂ€rmedizinischen UniversitĂ€t Wien (VetMed). Gemeinsam mit Sarah Zala und Studierenden der VetMed fĂŒhrte der Verhaltensbiologe erste Studien mit wilden HausmĂ€usen durch, die in einem Forschungsprojekt, unterstĂŒtzt vom Wissenschaftsfonds FWF, mĂŒndeten. Das Ziel: die verhaltensbiologische Funktion der GesĂ€nge zu verstehen.
Um ĂŒberhaupt mit wilden HausmĂ€usen arbeiten zu können, mussten zunĂ€chst die Elterntiere in PferdestĂ€llen gefangen werden. Gearbeitet wurde dann mit den Nachkommen, um die Bedingungen kontrollieren und Parameter wie Lebensalter und Verwandtschaft ĂŒberblicken zu können. Es ist schwierig, eine wilde Hausmaus in Sing-Laune zu bringen, erklĂ€rt Dustin Penn. Hierzu wurden im Rahmen des Forschungsprojektes wichtige Erkenntnisse gesammelt.
Die Audioanalyse automatisieren
Das Team zeichnete die USV der MausmĂ€nnchen auf, charakterisierte sie und spielte die Aufzeichnungen weiblichen MĂ€usen vor, wobei das Verhalten und der Paarungserfolg der Tiere beobachtet wurde. Ein wichtiges Ergebnis dieser âLauschangriffeâ im Dienst der Wissenschaft ist, dass sich die MĂ€nnchen anhand ihrer LautĂ€uĂerungen identifizieren lassen. In diesen Studien wurde herausgefunden, dass die Weibchen sich stĂ€rker zu MĂ€nnchen der eigenen Spezies hingezogen fĂŒhlen und zu den Rufen nicht verwandter MĂ€nnchen im Vergleich zu ihren eigenen BrĂŒdern. Um zu erforschen, wie die USV-Botschaften funktionieren und wozu sie dienen, musste das Unhörbare zunĂ€chst zuverlĂ€ssig aufgezeichnet und anschlieĂend automatisiert ausgewertet werden.

Das Belauschen der Balzrufe umzusetzen war eine technische Herausforderung. Zum einen musste mit speziellen Mikrofonen und Lautsprechern im Ultraschallbereich gearbeitet werden. Die Auswertung der LautĂ€uĂerungen in Form von Spektrogrammen (eine bildliche Darstellung der Amplitude verschiedener Frequenzen in AbhĂ€ngigkeit von der Zeit) ist anspruchsvoll und zeitintensiv und wird in den meisten Studien noch manuell erfasst. Zehn Minuten aufgezeichnete MĂ€userufe können bis zu tausend einzelne USV enthalten, die wiederum in LĂ€nge, Schwingung und LautstĂ€rke variieren. Diese zu klassifizieren dauert Stunden. Um bessere Methoden zur Charakterisierung der gesammelten Aufzeichnungen zu entwickeln, arbeitete das Team eng mit Peter Balazs vom Institut fĂŒr Schallforschung der Ăsterreichischen Akademie der Wissenschaften zusammen. âGemeinsam haben wir mit dem Automatic Mouse Ultrasound Detector (A-MUD) ein neues Tool entwickelt, um USV automatisch zu erkennen und aufzuzeichnen. Gerade arbeiten wir an einem Tool, das die USV-Spektrogramme automatisch klassifiziert, was Auswertung und Analyse effizienter machen wirdâ, so Penn.

Akustischer Fingerabdruck und Paarungserfolg
Warum ĂŒbermitteln MĂ€use solche Informationen ĂŒberhaupt im Ultraschallbereich? Einige Raubtiere sind sehr wohl in der Lage, die Laute zu hören. TatsĂ€chlich liegt es an ihrer KörpergröĂe: Der geringe Abstand zwischen den Ohren bewirkt, dass sie nur GerĂ€uschquellen mit niedrigen WellenlĂ€ngen genau lokalisieren können. FĂŒr Nager und FledermĂ€use bietet sich deswegen Ultraschall an, wĂ€hrend Elefanten sogar Infraschall verwenden können: sehr tiefe, langwellige Frequenzen, die ĂŒber weite Distanzen transportiert werden.
Mit dem Belauschen der Balzrufe ist es dem Team von Dustin Penn bereits gelungen, Beweise fĂŒr individuelle Signaturen, also einen âakustischen Fingerabdruckâ individueller MĂ€nnchen, zu erbringen. Bisher war man davon ausgegangen, dass die Tiere sich untereinander vor allem am Geruch erkennen: âWenn wir versuchen zu verstehen, wie Tiere ihre Partner suchen, und dafĂŒr nur Lockstoffe analysieren, verpassen wir wichtige Botschaftenâ, sagt der Spezialist fĂŒr Pheromone und Partnerwahl. Ein zweites wichtiges Ergebnis ist, dass die MĂ€usemĂ€nnchen ihre Laute anpassen: Die Dauer und KomplexitĂ€t der Balzrufe war höher, wenn MĂ€nnchen und Weibchen nicht miteinander verwandt waren, was letztlich wichtig fĂŒr den Paarungserfolg ist.
In einem Folgeprojekt geht es nun darum, wie die MĂ€use zwei unterschiedliche Sinneswahrnehmungen, Geruchs- und Audiosignale, im Gehirn integrieren und fĂŒr die Partnerwahl nutzen. In einem weiteren FWF-Projekt soll es darum gehen, wie die MĂ€use USV verwenden, um Individuen zu identifizieren.
Zur Person
Dustin Penn studierte Biologie mit Schwerpunkt Zoologie an den Universities of Central Oklahoma, Florida und Utah (USA), 2004 habilitierte er am Department fĂŒr Zoologie der UniversitĂ€t Wien. Von 2002 bis 2014 war er Leiter des Konrad-Lorenz-Instituts fĂŒr Vergleichende Verhaltensforschung der VeterinĂ€rmedizinischen UniversitĂ€t Wien, seit 2015 ist er ebendort Gruppenleiter am Department fĂŒr InterdisziplinĂ€re Lebenswissenschaften. Das Grundlagenprojekt âDie adaptive Funktion von UltraschallgesĂ€ngen bei MĂ€usenâ (2015â2020) wurde vom Wissenschaftsfonds FWF mit 338.000 Euro gefördert.
Publikationen
Abbasi R., Balazs P., Marconi MA, Nicolakis D., Zala SM, Penn DJ: Capturing the songs of mice with an improved detection and classification method for ultrasonic vocalizations (BootSnap), in: bioRxiv (Preprint), 2021
Marconi MA, Nicolakis D., Abbasi R., Penn DJ, Zala SM: Ultrasonic courtship vocalizations of male house mice contain distinct individual signatures, in: Animal Behaviour 2020
Nicolakis D., Marconi MA, Zala SM, Penn DJ: Ultrasonic vocalizations in house mice depend upon genetic relatedness of mating partners and correlate with subsequent reproductive success, in: Frontiers in Zoology 2020
Zala SM, Reitschmidt D., Marconi MA, Noll A., Balazs P., Penn DJ.: Primed to vocalize: wild-derived male house mice increase vocalization rate and diversity after a brief encounter with a female, in: PLOS ONE 2020