Gute Freunde: Naturnahe Landschaften, wie zum Beispiel Wiesen, sind ideale Nachbarn fĂŒr das Ackerland. © BOKU/Frank

Biologische Vielfalt in unseren LebensrĂ€umen kann fĂŒr StabilitĂ€t sorgen. Doch Faktoren wie Klimawandel, Verbauung und Monokulturen gefĂ€hrden die Artenvielfalt und folglich die Aufrechterhaltung von Ökosystemfunktionen. Arten sterben heute 100 bis 1000 Mal schneller aus, als dies unter natĂŒrlichen Bedingungen der Fall wĂ€re. Das kann weitreichende Konsequenzen fĂŒr Natur und Menschen haben, wie zum Beispiel den Verlust von sauberem Wasser und fruchtbarem Boden. Landwirtschaftliche Nutzung hat einen starken Einfluss auf diese sogenannte BiodiversitĂ€t. Diese wiederum wird stark von politischen Gegebenheiten geprĂ€gt. 2008 etwa hat die EuropĂ€ische Union die Subventionen fĂŒr die Erhaltung von Agrarbrachen eingestellt, um auf den frei stehenden FlĂ€chen Energie aus nachwachsenden Rohstoffen zu produzieren.

Wissenschaft zeigt negative Auswirkungen auf

Der Biologe Thomas Frank von der UniversitĂ€t fĂŒr Bodenkultur Wien beobachtet diese Entwicklung mit Sorge. „Die Landschaft hat sich stark gewandelt. Sie wird immer monotoner, und die Agrarbrachen sind großflĂ€chig aus der Landschaft verschwunden“, sagt Frank. „Bisherige Untersuchungen lassen darauf schließen, dass der zunehmende Verlust von Brachland starke negative Auswirkungen auf die BiodiversitĂ€t und Ökosystemleistungen wie BestĂ€ubung und biologische SchĂ€dlingskontrolle haben wird.“ In einem soeben gestarteten dreijĂ€hrigen Projekt des Wissenschaftsfonds FWF will ein Team rund um Frank dieser negativen Dynamik entgegenwirken und den Nutzen der Artenvielfalt empirisch belegen.

Vom Quellhabitat, einer Wiese (grauer Querbalken), fĂŒhren neu angelegte Wiesenstreifen (hellgraue vertikale Balken) in das Ackerland. Die „Graskorridore“ sollen Ökosystemleistungen wie BestĂ€ubung und biologische SchĂ€dlingskontrolle wiederbeleben. © BOKU/Frank

Verbreitung der Artenvielfalt fördern

Ausgehend von einer bestehenden WiesenflĂ€che als Quelle, legen die Forscherinnen und Forscher in dem FWF-Projekt „Grasfahrbahnen“ als Querverbindungen von natĂŒrlicher Wiese zu AgrarflĂ€chen an. Diese Korridore mit einer Breite von 10 Metern und 450 Metern LĂ€nge sollen den Nutzen der Ökosystemleistungen fĂŒr die bewirtschaftete FlĂ€che erhöhen und die Artenvielfalt erhalten. „Wir wollen herausfinden, ob durch die neuen Grasstreifen, die an das große Quellhabitat angrenzen, Agrarlandschaften von NĂŒtzlingen wie zum Beispiel LaufkĂ€fer, Spinnen oder Wildbienen und Schwebfliegen verstĂ€rkt besiedelt werden“, erklĂ€rt Projektleiter Frank. Auf den neuen GrasflĂ€chen werden Pflanzenmischungen angebaut, die Ă€hnlich der Quellwiese sind, um den Tieren zu ermöglichen, leichter einzuwandern. Dabei wird das internationale Forschungsteam um Frank beobachten, welche Arten bereits vorhanden sind, wie lange die Ausbreitung auf das Ackerland dauert und welche Auswirkungen die Grasstreifen auf bereits vorhandene NĂŒtzlinge in den AgrarflĂ€chen haben. „Wiesen sind gute RĂŒckzugsorte fĂŒr hĂ€ufig vorkommende Nutztiere, aber auch fĂŒr selten gewordene Arten wie RebhĂŒhner oder Feldhasen. Wir wollen der Frage nachgehen, ob sich die NĂŒtzlinge ĂŒber den Zeitraum von drei Jahren in ihrer Dichte erhöhen und ihre Leistungen steigern. Das ist noch relativ unbekannt“, erklĂ€rt Frank von der UniversitĂ€t fĂŒr Bodenkultur Wien. Unter anderem werden in dem Projekt BlattlĂ€use als Beute angeboten, um so das Ausmaß der biologischen SchĂ€dlingskontrolle zu beobachten.

Ergebnisse fĂŒr Agrar- und Umweltprogramme liefern

„Die Agrarlandschaft sieht so aus, wie Agrarsubvention gerade lĂ€uft“, sagt Thomas Frank zu den Maßnahmen rund um Umweltschutz und Agrarentwicklung. Das internationale Jahr der BiodiversitĂ€t 2010 habe durch viel mediale PrĂ€senz zwar Bewusstsein fĂŒr das Thema bewirkt. Doch schon im darauffolgenden Jahr sei das Interesse wieder stark abgeebbt, resĂŒmiert Frank. Obwohl die EU neue, konkretere BiodiversitĂ€tsziele fĂŒr 2020 festgelegt hat, die unter anderem das rasante Artensterben einbremsen sollen, bleibt der Wissenschafter skeptisch. Frank ist Mitglied der österreichischen BiodiversitĂ€tskommission, einem beratendem Gremium, das vom Lebensministerium koordiniert wird, und weiß, dass Papier geduldig ist. „Es ist leicht, Ziele zu formulieren. Eine andere Sache ist es, sie in die Praxis umzusetzen.“ Der Erfolg der Programme hĂ€nge letztendlich von der Ausgestaltung der Landschaft ab. Mit den Erkenntnissen aus der Grundlagenforschung wollen die Forscherinnen und Forscher einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung von Agrarumweltmaßnahmen und zur Förderung der Vielfalt leisten. Den aktuellen Trend zum GĂ€rtnern und zu PflanzenraritĂ€ten sieht Frank ĂŒbrigens als erfreulich an, und empfiehlt, GrĂŒnflĂ€chen naturnah anzulegen oder sich selbst zu ĂŒberlassen. „Je mehr das tun, desto grĂ¶ĂŸer der Gewinn fĂŒr die BiodiversitĂ€t.“


Zur Person Thomas Frank ist Professor an der UniversitĂ€t fĂŒr Bodenkultur Wien. Dort leitet er das Institut fĂŒr Zoologie am Department fĂŒr Integrative Biologie und BiodiversitĂ€tsforschung. Seine Forschungsschwerpunkte sind Agrarökologie, BiodiversitĂ€t, Zoologie und Ökologie der Tiere. Frank ist Mitglied in zahlreichen wissenschaftlichen Gesellschaften, unter anderem der Nationalen BiodiversitĂ€tskommission.


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