Haben sich resistente Gene im Acker ausgebreitet? Forschende entnehmen Proben, um Resistenzen aufzudecken, die wiederum bei Tieren und Menschen landen könnten. © Alexander Eder/BAW

Was viele nicht wissen: Resistenzgene stammen nicht nur aus Kliniken, dem veterinärmedizinischen Bereich und der intensiven Tierhaltung und verbreiten sich von dort aus weiter. Auch im Boden, in der Luft und im Wasser gibt es einen riesigen Pool davon. Das bereitet wiederum den Menschen Probleme. „Einige Resistenzgene, welche zum Beispiel die Antibiotika Fluorchinolone, Carbapeneme und Colistin inaktiv machen, stammen mit hoher Wahrscheinlichkeit ursprünglich von Umweltkeimen. Es ist keine Frage, ob weitere Resistenzen aus Umweltreservoiren auf humanpathogene Keime übertreten. Es ist nur eine Frage wann“, sagt Markus Wögerbauer. Er forscht und arbeitet in der Abteilung für Risikobewertung der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES).

Antibiotika, antibiotikaresistente Bakterien oder Resistenzgene können sich über viele Wege – etwa über das Abwasser – über Ökosystemgrenzen hinweg ausbreiten. Ein weiteres Beispiel ist Gülle. Resistente Darmbakterien, etwa von Schweinen, können auf den Ackerboden und damit wieder in die Lebensmittelkette und Futtermittelkette gelangen. „Ein großes Problem ist: Antibiotika produzieren einen hohen Selektionsdruck unter den natürlichen Bakterienpopulationen. Resistente Bakterien werden so vermehrt und breiten sich aus“, erklärt Markus Wögerbauer.

EU-weite Zusammenarbeit

Doch wie genau breiten sich die Bakterien und Resistenzgene im Boden aus? Und kann eine hohe mikrobielle Biodiversität in einem Ökosystem deren Ausbreitung eindämmen? Das ergründen Teams von Forschenden aus sieben europäischen Ländern im Projekt ANTIVERSA unter der Koordination des Limnologen Thomas Berendonk von der Technischen Universität Dresden. Für Österreich sind das Institut für Wassergüte und Ressourcenmanagement der Technischen Universität (TU) Wien und die AGES involviert. Das Projekt läuft im Rahmen von Biodiversa+, einer europäisch kofinanzierten Biodiversitätspartnerschaft, die Forschung über biologische Vielfalt fördert. Neben regionalen Förderschienen der anderen Länder fördert der FWF das Projekt mit rund 250.000 Euro. Die Arbeitsgruppe der TU Wien unter der Leitung von Julia Vierheilig analysiert dazu unter anderem Biofilme aus Bächen. Markus Wögerbauer und sein Team nehmen den Boden in den Fokus.

Untersuchungen im hydrologischen Freiluftlabor (HOAL) in Niederösterreich sollen das Verständnis für Bodenbeschaffenheiten verbessern. © Alexander Eder/BAW

Bodenproben von Acker, Fluss und Wald

Dazu nahmen sie vier Arten von Bodenproben mit und ohne menschlichen Einfluss sowie von hoher und niedriger mikrobieller Biodiversität. Zwei Proben stammten aus einem Agroökosystem, konkret von Feldern des Freiluftlabors für Hydrologie in Petzenkirchen. Eine Probe stammt von einem Feld, das mit Schweinegülle gedüngt wird, die andere von einem mit Kompost gedüngtem. Dazu kommen zwei Vergleichsbodenproben aus einem Laubwald im Nationalpark Donauauen und einem Nadelwald in den Gutensteiner Alpen.

Im Labor bauten die Forschenden mit jeweils wenigen Gramm aus jeder der Proben Hunderte sogenannter Mikrokosmen auf. Darauf brachten sie einen Enterokokken-Stamm auf. Dieser trug auf einem Plasmid, also einem kleinen Ring aus doppelsträngiger DNA, ein Antibiotikaresistenzgen. Über einen Zeitraum von acht Monaten beobachten die Forschenden die Entwicklungen. Die Arbeitsgruppe der TU Wien führt vergleichbare Analysen mit Biofilmen aus mehr oder weniger biodiversen Bächen durch.

Die getrockneten Bodenproben aus verschiedenen Tiefenstufen (0-30 cm, 30-45 cm und 45-70 cm) werden im Labor analysiert. © Gerhard Rab/Bundesamt für Wasserwirtschaft

Biodiversität als natürliche Barriere

Die Forschenden erheben, wie lange sich die Enterokokken im Mikrokosmos aufhalten können und was mit dem Resistenzgen passiert. Dafür ermitteln sie mittels qPCR-Verfahren die Anzahl der Kopien der Enterokokken und des Plasmides. „Die vorläufige Analyse der Daten nach fünf Monaten Beobachtung zeigt: Eine hohe bakterielle Biodiversität reduziert die Ausbreitung des Resistenzgens“, erklärt Projektleiter Markus Wögerbauer.

Der Experte berichtet von einem anderen Weg, den sich Resistenzen durch den Boden bahnen können und den die Forschenden im Blick behalten wollen. Dabei geht es um die sogenannte freie DNA außerhalb von Zellen. „Sie wird anfangs sehr rasch abgebaut. Ein kleiner Teil von wenigen Prozent wird allerdings im Boden gebunden und kann nur sehr schlecht abgebaut werden. Bakterien können diese gebundene DNA wieder in ihr Genom integrieren. Dies kann auch mit Antibiotikaresistenzgenen passieren“, erklärt der AGES-Forscher. Solche Prozesse seien allerdings äußerst selten.

Und was passiert ohne die mikrobielle Biodiversität als Barriere? Um dies zu beantworten, brachten die Forschenden Enterokokken auf sterilisierte Mikrokosmen auf. „Auf sterilen Böden fühlen sie sich recht wohl, auf den nativen Böden kommt es zu einem prägnanten Abfall, weil die Enterokokken nicht an das Ökosystem angepasst sind“, erläutert Wögerbauer. Auch ein Versuch mit E. coli zeigte: Das Bakterium überlebte im nativen Boden kaum. Aktuell erforschen Markus Wögerbauer und sein Team zudem, wie sich Resistenzen unter Trockenstress und Hitze ausbreiten.

Gesunde Umwelt für gesunde Menschen

Die zentrale Auswertung des ANTIVERSA-Projekts findet unter der Leitung der TU Dresden statt. Gemeinsam mit den Proben von Forschenden aus den weiteren Ländern, die am Projekt mitwirken, kommt eine hohe Vielfalt an Proben, Resistenzgenen und Umwelteinflüssen zusammen. Im laufenden Jahr wird der Endbericht des breit angelegten Forschungsprojekts veröffentlicht.

Was ist Markus Wögerbauers vorläufiges Fazit? „Je gesünder das Ökosystem ist, je weniger Stress von außen darauf einwirkt, umso besser ist das für uns und umso schlechter ist es für antibiotikaresistente Bakterien“, so der Experte. Bestätigt sich die Hypothese von ANTIVERSA, zeigt dies: Ohne gesunde, biodiverse Ökosysteme gibt es auch keine gesunden Menschen.


Zur Person

Markus Wögerbauer ist Senior Expert an der Abteilung für Risikobewertung der österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES). Er ist Mitglied des GMO-Expertennetzwerks der EFSA und Mitglied der Arbeitsgruppe der Regierungssachverständigen für Lebensmittelenzyme der GD SANTE der Europäischen Kommission. Sein Forschungsschwerpunkt ist der horizontale Transfer von Antibiotikaresistenzgenen durch freie extrazelluläre DNA und die Risikobewertung von Antibiotikaresistenzgenen in komplexen Matrices, also zum Beispiel in landwirtschaftlichen Böden. Markus Wögerbauer leitete unter anderem mehrere nationale Forschungsprojekte zum Transfer antibiotikaresistenter Gene in natürlichen Lebensräumen. Er war Mitglied in den Verwaltungsausschüssen mehrerer Aktionen der COST (European Cooperation in Science and Technology), die sich mit der Antibiotikaresistenz-Verbreitung im Abwasser und in der Umwelt beschäftigten.


Publikationen

Radu E., Woegerbauer M., Rab G., Oismüller M., Strauss P., Hufnagl P. et al.: Resilience of agricultural soils to antibiotic resistance genes introduced by agricultural management practices, in: Science of The Total Environment 756, 143699, 2021

Woegerbauer M., Bellanger X. und Merlin C.: Cell-Free DNA: An Underestimated Source of Antibiotic Resistance Gene Dissemination at the Interface between Human Activities and Downstream Environments in the Context of Wastewater Reuse, in: Frontiers in Microbiology 11(671), 2020

Woegerbauer M., Zeinzinger J., Gottsberger R.A., Pascher K., Hufnagl P., Indra A. et al: Antibiotic resistance marker genes as environmental pollutants in GMO-pristine agricultural soils in Austria, in: Environmental Pollution 206, 342–351, 2015