Bakterien, Totholz und der Klimawandel

âDie FĂŒlle an Mikroorganismen im Totholz war ĂŒberraschendâ, sagt Mikrobiologin Judith Ascher-Jenull. Dass sie im Boden höchst zahlreich vertreten sind, ist hinlĂ€nglich bekannt. Bei Holz freilich, bei jenem abgestorbenen Holz, welches in den WĂ€ldern liegt und langsam vor sich hin morscht und modert, ging die Forschung bis dato in erster Linie von Pilzen als den Treibern der Zersetzung aus. Die Ergebnisse des vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekts âKlimagesteuerte Abbaudynamik von Totholz auf alpinen Bödenâ sprechen indes eine andere Sprache. Was sich herauskristallisiert, ist ein synergistisches Zusammenspiel zwischen Pilzen, Bakterien und auch Archaeen. âDieses Forschungsergebnis ist ein Grundstein fĂŒr kĂŒnftige Studien ĂŒber die Wechselwirkungen zwischen Pilzen und Bakterien im Totholz und deren Auswirkungen auf die Bodenkohlenstoffbilanz und damit auf die ProduktivitĂ€t der WĂ€lderâ, erlĂ€utert Projektleiter Heribert Insam vom Institut fĂŒr Mikrobiologie der UniversitĂ€t Innsbruck.
Mikrobielle Gemeinschaften untersuchen
Dass WĂ€lder eine wichtige Rolle in der Speicherung von Kohlenstoff spielen, also eine eminent wichtige Position im Zusammenhang mit dem globalen Klimawandel einnehmen, ist Allgemeinwissen. Dabei speichern nicht nur die BĂ€ume Kohlenstoff, auch der Waldboden speichert ihn. Dennoch sind viele Funktionsweisen des Kohlenstoff-Kreislaufs nach wie vor weitgehend unbekannt. âUns geht es darum, das System zu verstehenâ, erklĂ€rt Insam. Das ist wichtig, der Grund liegt auf der Hand: âWĂ€lder zĂ€hlen zu den globalen Pools von Kohlenstoff, der entweder im Boden oder in der Biomasse gebunden sein kann oder eben in der AtmosphĂ€re zu finden ist. Die Frage, die sich nun stellt, ist, wie beeinflusst das sich Ă€ndernde Klima den Abbau?â, fĂŒhrt der Mikrobiologe weiter aus.

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, haben die Innsbrucker im Rahmen des internationalen DecAlp-Projekts gemeinsam mit Geologen, Dendrochronologen (Holzalterbestimmung) und Modellierern im Val di Rabbi gearbeitet. Dort, im italienischen Trentino, auf zehn ForschungsflĂ€chen zwischen 1.200 und 2.400 Metern Seehöhe und sowohl nord- wie sĂŒdexponierten HĂ€ngen, wurden entlang ausgewĂ€hlter Klimasequenzen Struktur und Funktion mikrobieller Gemeinschaften untersucht. Insam und seine Gruppe, bestehend aus Judith Ascher-Jenull, MarĂa GĂłmez-BrandĂłn und Tommaso Bardelli, setzen dabei neueste Techniken und Technologien ein. âTotholzforschung ist seit Jahrzehnten Thema. Was passiert im Holz? Was passiert unter dem Holz? Aber erst durch molekulare Methoden zur Erfassung der Mikrobiota können wir jetzt VorgĂ€nge bakterieller Art charakterisierenâ, so Insam.
Die Temperatur als treibender Faktor
âDie Annahme warâ, fĂŒhrt Ascher-Jenull weiter aus, âdass Pilze beim Abbau von Holz a priori einen Vorteil haben. Wir konnten nun nachweisen, dass stickstofffixierende Bakterien im Totholz aktiv sind und den Pilzen Stickstoff zufĂŒhren.â Eine Verbindung, die auf den Abbau des Holzes und die Speicherung von Kohlenstoff unmittelbar einwirkt. Es sind die Bakterien, die die Pilze gleichsam zu Spitzenleistungen antreiben. âWir konnten auch feststellenâ, fĂŒhrt Insam fort, âdass der Abbau auf nordexponierten HĂ€ngen schneller vor sich geht als bei sĂŒdexponierten.â Ein durchaus ĂŒberraschendes Ergebnis, das die Bedeutung der Feuchtigkeit ĂŒber die der Temperatur hervorhebt. Und was bedeutet das im Zusammenhang mit dem Klimawandel? FĂŒhren höhere Temperaturen mit der verbundenen schlechteren WasserverfĂŒgbarkeit per se zu einem langsameren Abbau, zu weniger Kohlenstoffspeicherung im Boden? âUnsere Studie ist ein Puzzlestein von vielenâ, schrĂ€nkt Insam ein. Die Versuchsanordnung wird nun auch im Apennin angewandt, mit anderen BĂ€umen, Buchen statt LĂ€rchen, in einem anderen Klima. SchlĂŒsse globalerer Natur wird erst eine Metastudie erlauben, in welche die Ergebnisse aus dem Val di Rabbi, aus dem Apennin, aus anderen Forschungsprojekten einflieĂen werden. FĂŒrs Erste bleibt die Erkenntnis, dass Totholz im Wald nicht alleine fĂŒr das Wohlergehen von Insekten essenziell ist, sondern wohl eine weitaus prĂ€gnantere Rolle beim Aufbau von Waldböden und ihrer Funktion als Speicher fĂŒr Kohlenstoff spielt.
Zur Person Heribert Insam war an der Forschungsanstalt fĂŒr Landwirtschaft in Braunschweig sowie an der University of Calgary tĂ€tig bis er 1993 an das Institut fĂŒr Mikrobiologie der UniversitĂ€t Innsbruck wechselte, das er seit 2011 leitet. Als Projektleiter betreute er zwischen 2012 und 2016 im Rahmen der internationalen Kooperation DecAlp das Projekt âKlimagesteuerte Abbaudynamik von Totholz auf alpinen Bödenâ.
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