Alte Bekannte mit neuen Vorzügen
Alte Liebe rostet nicht. Bereits vor 130 Jahren wurde die spezielle positive Wechselbeziehung zwischen Hülsenfrüchten und Bodenbakterien entdeckt und beschrieben. Erbsen, Bohnen, Schneckenklee, Lupinen, Linsen oder Soja können mit zu ihnen passenden Bakterien in der Erde, denen sie in eigenen Wurzelknöllchen einen Lebensraum bieten, Stickstoff aus der Luft verwerten. Ein Team um die Biologin Stefanie Wienkoop hat nun herausgefunden, dass zum Beispiel die Futterpflanze Schneckenklee auf diese Weise nicht nur besser in nährstoffarmen Böden gedeiht, sondern auch mit Trockenheit besser umgehen kann. Dass der Boden austrocknet und Bewässerung auf sich warten lässt, ist im Zuge des Klimawandels öfter zu erwarten. Umso wichtiger ist es, zu verstehen, wie genau diese positive Wechselbeziehung (Symbiose) funktioniert. Im Zuge eines vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekts hat die Forscherin die Rolle des Proteins Ferritin genauer untersucht, das die positive Symbiose mit anbahnt und erhält.
Versuche mit Futterpflanzen
Das Projekt fußt auf einer Vorstudie, die ebenfalls vom FWF gefördert wurde. Projektleiterin Stefanie Wienkoop: „Wir hatten beobachtet, dass die Pflanzen mit den symbiontischen Bodenbakterien besser mit geringer Bodenfeuchte auskommen als jene, die gedüngt wurden. Dafür mussten wir nicht ins Labor: Der Stay Green Effect war mit freiem Auge zu sehen.“ Wenn die Versuchspflanzen einige Tage nicht bewässert wurden, welkten ihre Blätter nicht so rasch, denn sie wurden wohl durch das Zusammenspiel mit den bakteriellen Mitbewohnern unterstützt. Und nach der Bewässerung erholten sie sich wiederum schneller. Gedüngte Pflanzen ohne Knöllchen hingegen verloren mehr Blätter oder starben gar ab. Auch im aktuellen Projekt arbeitet das Team mit Schneckenklee, stellvertretend für Erbsen, Bohnen oder Soja. Die Pflanze kommt weltweit vor und wird als Futtermittel verwendet. Bisher dachte man, dass die Resistenz gegen Trockenheit rein genetisch bedingt sei. Doch in den Untersuchungen zeigte sich, dass sie von der Beziehung zu den Symbionten stark beeinflusst wird. Bestätigen konnten die Forschenden der Universität Wien das anhand von Versuchen, in denen sie extrem unterschiedliche Gruppen verglichen.
Zur Person
Stefanie Wienkoop studierte Pflanzenbiologie in Deutschland. Es folgten Stationen in Kanada, Dänemark und am Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam-Golm (Deutschland). Seit 2008 forscht sie an der Universität Wien und leitet dort die Gruppe für „Pflanzen-Mikrosymbionten-Interaktion“ (PMInt). Das Projekt "Symbioprotein Ferritin" wird vom Wissenschaftsfonds FWF mit 133.000 Euro gefördert.
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„High Performer“ und „Low Performer“ profitieren
Aus einer US-Studie war bekannt, dass einige Sorten Schneckenklee sich auch bei geringer Bodenfeuchte als grüne High Performer zeigten. Andere welkten schneller (Low Performer). Aus diesen beiden Extremgruppen wurde nun in Wien ein Testkollektiv gewählt. Die eine Hälfte der Versuchspflanzen mit Vertretern beider Gruppen wurde gedüngt. Sie hatten also keine Partnerorganismen in den Wurzeln. Die andere wurde im Labor mit Symbionten für die Stickstoffversorgung ausgestattet und bildete Wurzelknöllchen aus. Nach 4 bis 5 Wochen Wachstum wurden alle Pflanzen experimentell in starken Trockenstress gebracht (mit einer Bodenfeuchte unter 15 Prozent). Sie wurden 6 bis 9 Tage nicht bewässert, was einer anhaltenden Trockenperiode in Europa durchaus vergleichbar ist. Gemessen wurde ein breites Stoffwechselprofil – vor dem Stressversuch und drei Tage nach der erneuten Bewässerung – sowie der Gehalt des Proteins Ferritin in Blatt und Wurzel. Gefunden und bestätigt wurde so ein „Symbiont-Induced Stay-Green Effect“, erklärt Stefanie Wienkoop. Unabhängig von der genetischen Ausstattung (High oder Low Performer) kamen alle Pflanzen mit bakteriellen Mitbewohnern besser mit Trockenheit zurecht. Ihre Ergebnisse sollen schon bald veröffentlicht werden.
Das Kupplerprotein Ferritin
Was hat es nun mit dem Protein Ferritin auf sich? Bekannt war, dass der Komplex aus Proteinen Eisen in Pflanzenzellen einfängt und es in Blättern oder Wurzeln wieder freisetzt. Der schwer verfügbare Nährstoff will gut abgepuffert und im Gleichgewicht gehalten werden. Wienkoop bezeichnet es als „Symbioprotein“, weil es auch die Symbiose mit den stickstofffixierenden Bodenbakterien in Hülsenfrüchten anbahnt. Wahrscheinlich wurde diese Rolle bisher übersehen, weil das Protein grundsätzlich in allen Pflanzen vorkommt. Ferritin kommt in verschiedenen chemischen Formen an verschiedenen Stellen in der Pflanze vor, was die Bestimmung komplex macht. Es spielt bei der Ausbildung der Wurzelknöllchen eine Rolle. Und wenn die Symbiose aufrecht ist, erhöht sich der Gehalt von Ferritin auch in den Blättern, um dort bei Trockenheit vor dem Verwelken zu schützen Der Ferritingehalt und die chemischen Formen werden gerade mit einer eigens entwickelten Messmethode in verschiedenen Versuchsphasen und Pflanzenteilen massenspektroskopisch identifiziert und quantifiziert. Zum Vergleich messen die Wissenschaftler:innen zudem genetisch veränderte Pflanzen mit herunterreguliertem Ferritinlevel.
Teilen macht stark
Gegenwärtig wird bei der Zucht von Saatgut für Hülsenfrüchte auf hohen Ertrag in gedüngter Erde optimiert. Wenn die Hülsenfrüchte statt aus gedüngter Erde den Stickstoff mit Symbionten aus der Luft holen, kommt es zu Veränderungen in ihrem Stoffwechsel, die auf das Immunsystem wirken. Das bedeutet meist ein langsameres Wachstum und etwas geringere Erträge. Wenn Trockenstress und Bewässerungsprobleme durch den Klimawandel aber zunehmen, werden symbiontische Hülsenfrüchte einen zusätzlichen Vorteil haben.