Frauenpolemik und die Amerikanische Revolution

âDas Ziel unseres Projekts ist, schreibende Frauen der frĂŒhen amerikanischen Theaterkultur aus den FuĂnoten der Literaturgeschichte herauszuholen und sie in den Haupttext einzuordnenâ, erzĂ€hlt Ralph Poole von der UniversitĂ€t Salzburg im GesprĂ€ch mit scilog. In dem vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt âGeschlechterkomödien der Amerikanischen Revolutionâ hat der Amerikanist ĂŒber drei Jahre sowohl das Prestige der Gattung Komödie als auch die Rolle der Frauen neu bewertet, die sich dieses Genre als politisches Sprachrohr zunutze machten. Denn die ermahnenden Worte, die Abigail Adams, die Ehefrau des zweiten PrĂ€sidenten der USA, anlĂ€sslich der nahenden UnabhĂ€ngigkeitserklĂ€rung Amerikas 1776 an ihren Mann richtete â die berĂŒhmten âRemember the Ladiesâ â sollten ungehört bleiben. Theoretisch garantierte die Verfassung zwar jeder BĂŒrgerin und jedem BĂŒrger die gleichen Rechte, praktisch blieben die Frauen jedoch von einer aktiven politischen Teilhabe ausgeschlossen. So verschafften sie sich ĂŒber den Umweg des Dramas und insbesondere seiner komischen Formen Gehör â wie ĂŒber die sentimentale und soziale Komödie, die Komische Oper oder die Satire und Farce. âNur sind viele von ihnen in Vergessenheit geraten und aus dem kulturellen GedĂ€chtnis wie auch aus der Literaturgeschichte gelöschtâ, wie Poole erklĂ€rt. Theater spiegelt damals wie heute die realen politischen VerhĂ€ltnisse wider. âGerade die Komödie ist besonders gut geeignet, politische RealitĂ€ten zu thematisieren und zu parodierenâ, sagt Forschungsleiter Poole. Nach Jahren des Theaterverbots durch die britischen Kolonialherren erlebte das Theater zur Zeit der Revolution einen massiven Aufschwung. âDie StĂŒcke waren eminent politischâ, betont der Literaturwissenschafter. Es war eine improvisierte Ăra des Theaters, die die improvisatorische politische Welt der Vereinigten Staaten des spĂ€ten 18. Jahrhunderts widerspiegelte.
Das Theater als Sprachrohr fĂŒr Frauen
Wie das aktuelle Forschungsprojekt nun sichtbar macht, nutzten auch Frauen diesen kĂŒnstlerischen Umweg, um sich politisch zu Ă€uĂern. Eine von ihnen war Mercy Otis Warren. In den wenigen Jahren von 1772 bis 1779 entwickelte die Dramatikerin aus Massachusetts sowohl eine beachtliche politische Kraft als auch eine Ă€sthetische QualitĂ€t, die neue Standards setzen sollte. Warren, die auch unter Pseudonym schrieb, unterstĂŒtzte die Rebellion gegen England und forderte zugleich die BerĂŒcksichtigung der BedĂŒrfnisse der amerikanischen Frauen ein. AuĂer Warren waren etwa die frĂŒhe Feministin und Journalistin Judith Sargent Murray und Susanna Haswell Rowson unter den wenigen prominenten Stimmen der frĂŒhen amerikanischen BĂŒhne. Viele andere StĂŒcke von Frauen wurden entweder nicht aufgefĂŒhrt oder gingen verloren.
Beitrag zur Selbstfindung der jungen Republik
In ihren BĂŒhnenstĂŒcken haben die Frauen gĂ€ngige Elemente der klassischen Komödie variiert. So wird etwa das typische âHappy Endâ in Form einer glĂŒcklichen Frau-Mann-Beziehung durch neue Beziehungsmodelle ersetzt, wie die glĂŒckliche Single-Frau oder die Frau, die sich ihren Mann selber aussucht. âFrauen sind hier nicht nur Objekte des Begehrens und des Verlachens, sondern gestaltende Akteurinnenâ, sagt Poole. Inhaltlich stehen Themen wie Gleichstellung, Bildung oder BerufsausĂŒbung auch fĂŒr Frauen im Vordergrund. âDiese StĂŒcke wurden in der Regel zerrissenâ, sagt Poole, âda sie nicht konsensfĂ€hig waren.â Eine Ausnahme bildete Susanna Rowson mit sehr erfolgreichen StĂŒcken wie der Komischen Oper âSlaves in Algiersâ. Das StĂŒck, dessen Handlung ĂŒberwiegend von Frauen getragen wird, ist eine Art Allegorie auf die junge amerikanische Republik. Es geht um Fragen der Selbstdefinition des Nationalbildes und um Ideale wie Freiheit, Gleichheit, Demokratie. âDas amerikanische Theater des 18. Jahrhunderts, vor allem in seiner komischen Form, hat wesentlich zur Selbstdefinition der jungen Nation beigetragenâ, erlĂ€utert Ralph Poole und ergĂ€nzt: âEntgegen der Ăberzeugung vieler Literaturhistorikerinnen und -historiker waren die UrsprĂŒnge des nordamerikanischen Theaters nicht ohne literarische Verdienste, insbesondere im Hinblick auf Schriftstellerinnen.â Die noch junge amerikanische BĂŒhne reflektierte den kulturellen Wandel der Revolutionszeit und nahm Entwicklungen voraus.
Transnationale Querverbindungen aufdecken
So sehr sich die StĂŒcke, die in dem Forschungsprojekt wieder neu entdeckt oder gar erstmals erschlossen wurden und Eingang in die Literaturgeschichte gefunden haben, als genuin amerikanisch erweisen, entstanden sie aber auch zu einer Zeit, die stark von Europa geprĂ€gt war. Das Projekt habe daher noch viel Potenzial im transatlantischen und interdisziplinĂ€ren Dialog, berichtet Poole. Der Wissenschafter möchte kĂŒnftig in Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen wie der Germanistik oder Musikwissenschaft diese Querverbindungen deutlicher herausarbeiten. âDa gibt es viel mehr Vernetzungen als wir bis jetzt sehen.â
Zur Person Ralph J. Poole ist Professor fĂŒr Amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaft an der UniversitĂ€t Salzburg. Sein Forschungsschwerpunkt richtet sich auf die ZusammenhĂ€nge von Geschlecht und kultureller Produktion im Bereich Literatur, Kultur und Medien und reicht von der Theatergeschichte der amerikanischen Kolonialzeit bis zu PopulĂ€rkultur des 21. Jahrhunderts.
Publikationen