Der zÀhe Weg zur Gleichstellung

âDie Karriereperspektiven fĂŒr Forschende an österreichischen UniversitĂ€ten sind von Rahmenbedingungen geprĂ€gt, die durchgĂ€ngige Karrieren erschweren, nur enge und spĂ€te Karriereperspektiven eröffnen und eingeschlagene Karrierewege zu EinbahnstraĂen werden lassenâ, so der Befund des Wissenschaftsministeriums laut âAktionsplan fĂŒr einen wettbewerbsfĂ€higen Forschungsraumâ aus dem Jahr 2015. In der universitĂ€ren Personalpolitik gibt es seit LĂ€ngerem eine Schieflage. Das dĂŒrfte Konsens unter allen Verantwortlichen des Hochschulwesens in Ăsterreich sein. PrekĂ€re BeschĂ€ftigungssituationen, KettendienstvertrĂ€ge und viel zu wenige unbefristete Laufbahnstellen machen es dem wissenschaftlichen Nachwuchs schwer, FuĂ im vom Wettbewerb getriebenen System zu fassen. Besonders betroffen davon sind Frauen. In Sachen Gleichstellung zwischen den Geschlechtern sind die Fortschritte an den UniversitĂ€ten, trotz verbesserter Voraussetzungen, bis heute langsam und zĂ€h. Zwar erhöhte sich etwa die Zahl von Frauen auf Professuren seit 2000 von sechs auf 22 Prozent, doch âinsgesamt ist die Entwicklung eher enttĂ€uschendâ, konstatiert Johanna Hofbauer von der WirtschaftsuniversitĂ€t Wien im GesprĂ€ch mit scilog.
PrekĂ€re BeschĂ€ftigungsverhĂ€ltnisse An den UniversitĂ€ten wurden im Jahr 2000 Kettenvertragsregelungen eingefĂŒhrt, um Arbeitnehmer/innen vor andauernden prekĂ€ren BeschĂ€ftigungsbedingungen zu schĂŒtzen, indem befristete ArbeitsverhĂ€ltnisse maximal sechs Jahre umfassen dĂŒrfen. Aufgrund des Mangels an festen Stellenangeboten hat die Regelung jedoch nicht nur eine abschreckende Wirkung auf Frauen gehabt, sondern insgesamt bewirkt, dass der Anteil der befristeten DienstverhĂ€ltnisse hoch ist und prekĂ€re Arbeitsbedingungen verstĂ€rkt wurden. In Ăsterreich sind rund drei Viertel des wissenschaftlichen Personals in befristeten AnstellungsverhĂ€ltnissen.
Gleichstellungsarbeit sehr unterschiedlich
Die Soziologin hat in einem vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt Wissenschaftskarrieren an den UniversitĂ€ten mit dem Fokus auf Gleichstellungsarbeit analysiert. Ihr Fazit fĂ€llt nĂŒchtern aus: Nur einer von vier untersuchten UniversitĂ€ten ist es gelungen, Gleichstellungsziele im Rahmen der umfassenden Strukturreformen der Hochschulen, die ab der Jahrtausendwende angestoĂen wurden, zu verankern. âBei den anderen hat die Umstellung auf unternehmerische Steuerungsformen keinen Kulturwandel mit sich gebracht. Hier ist man nach wie vor mit grundlegenden Fragen zur Gleichstellung beschĂ€ftigtâ, fasst Hofbauer die Studienergebnisse zusammen. Dabei haben die gesetzlichen Vorgaben der UniversitĂ€tsreformen seit 2000 wichtige Voraussetzungen fĂŒr die Gleichstellung von Frauen und MĂ€nnern an den UniversitĂ€ten geschaffen. Heute ist dieses Thema bei den gestĂ€rkten Leitungsorganen, also den Rektoraten, fix verankert und dort auch institutionell angesiedelt. Das Ziel geschlechtergerechter Laufbahnen ist damit zumindest formell verankert. Doch wie unterschiedlich die Umsetzung dieser Anliegen ausfĂ€llt, zeigt der wissenschaftliche Befund. âMan möchte meinen, dass das UniversitĂ€tsgesetz gleiche Voraussetzungen fĂŒr alle schafft. Unsere Untersuchungen zeigen, dass das nicht der Fall istâ, berichtet Johanna Hofbauer.
Neu: Das Laufbahnmodell 2009 wurde ein sogenanntes Laufbahnmodell an den Hochschulen eingefĂŒhrt, um unter anderem der Abwanderung âexzellenter Köpfeâ aus Ăsterreich entgegenzuwirken. Das Modell ist vergleichbar mit den Tenure-Track-Karrierepfaden im englischsprachigen Raum. Das Laufbahnmodell eröffnete erstmals wieder eine Perspektive fĂŒr Nachwuchswissenschafter/innen auf planbare Karrierewege und unbefristete BeschĂ€ftigungsverhĂ€ltnisse auf dem Weg zur Professur. Es sieht einen sechsjĂ€hrigen Arbeitsvertrag als Assistenzprofessor/in mit Qualifizierungsvereinbarungen vor. Werden die Ziele erreicht, folgt der Umstieg auf eine unbefristete Stelle als assozierte/r Professor/in. Die Umsetzung des Modells erfolgt an den UniversitĂ€ten noch zögerlich. Aktuell sind nur rund fĂŒnf Prozent des wissenschaftlichen Personals in Laufbahnstellen.
Fallstudien, Gender-Kompetenz und Verantwortliche
In den Fallstudien, die an vier unterschiedlich ausgerichteten österreichischen UniversitĂ€ten durchgefĂŒhrt wurden, haben die Wissenschafterinnen um Projektleiterin Hofbauer sowohl Dokumente analysiert (von EntwicklungsplĂ€nen ĂŒber Leistungsvereinbarungen bis zu dem neuen Laufbahnmodell) als auch Interviews mit FĂŒhrungskrĂ€ften aus Rektorat und Senat, mit Gleichstellungsverantwortlichen und mit jungen Wissenschafterinnen und Wissenschaftern (Postdocs) gefĂŒhrt. Auf dem Weg zur Chancengleichheit braucht es sowohl das Bewusstsein der einzelnen Verantwortlichen dafĂŒr als auch das entsprechende Umfeld in der jeweiligen Organisation. Rektorate mit Persönlichkeiten, die sich fĂŒr das Thema interessieren, Genderkompetenz und -forschung, schriftlich dokumentierte Entwicklungsziele und ein entsprechendes Personalmanagement sind wesentliche Voraussetzungen dafĂŒr, um einen nachhaltigen Kulturwandel in dem noch bis heute mĂ€nnlich geprĂ€gten Wissenschaftsbetrieb anzustoĂen. â So ein zentraler Befund der Studie.
Transparenz, Ressourcen und Vernetzung
In der neoliberalen Dynamik, das heiĂt im Spannungsfeld von Wettbewerbsorientierung und Chancengleichheit, in dem sich heute die öffentlichen UniversitĂ€ten befinden, sollte Gleichstellung nicht als zusĂ€tzliche Anforderung betrachtet werden, die anderen Reformen im Weg steht. âDieser Konflikt ist konstruiertâ, sagt Hofbauer. âWir mĂŒssen uns vielmehr die Frage stellen, wie wir mit unserem Nachwuchs umgehenâ, betont die Wissenschafterin und ergĂ€nzt: âEntscheidungsverantwortliche können Gleichstellungsziele argumentativ umgehen und damit die Karrierechancen von Frauen erschweren. Das ist dann einfacher, wenn es keine Gleichstellungskultur an der UniversitĂ€t gibt.â Das Positivbeispiel zeigt den Weg in die Praxis: Formalisierung und Transparenz von Entscheidungsprozessen fördern Gleichstellungsarbeit, allerdings nur dann, wenn diese Arbeit von Akteurinnen und Akteuren getragen wird, die ĂŒber organisationale Macht- und feministische Wissensressourcen verfĂŒgen und darĂŒber hinaus gut vernetzt sind.
Zur Person Johanna Hofbauer forscht und lehrt am Institut fĂŒr Soziologie und Empirische Sozialforschung der WirtschaftsuniversitĂ€t Wien. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Gender in der Wissenschaft sowie Arbeits- und Nachhaltigkeitsforschung. Das FWF-Projekt âWissenschaftskarrieren und Geschlechtâ (2012-2016) war Teil des DACH-Projekts âEntrepreneurial University and GenderChangeâ. An der österreichischen Untersuchung von Wissenschaftskarrieren wirkten mit: Birgit Sauer (UniversitĂ€t Wien) sowie Katharina Kreissl (TU MĂŒnchen) und Angelika Striedinger (IHS Wien).
Publikationen und BeitrÀge