Was hat es auf sich mit dem Wandel in der Berufswelt, und wovon hĂ€ngt Karriere ab? Die Forschung zeigt ein differenziertes Bild. © Shutterstock/Rawpixel

Karrieren sind heute geprĂ€gt von Wandel – von hĂ€ufigen Jobwechseln und persönlichen Ambitionen. Die KomplexitĂ€t in der beruflichen Laufbahn nimmt ĂŒberdies zu, einhergehend mit FlexibilitĂ€t und Selbstbestimmtheit, die von den Betroffenen auch als wĂŒnschenswert angesehen werden. – So lautet die weit verbreitete, vor allem durch den amerikanischen Diskurs geprĂ€gte Meinung zum Thema Karriere. Empirische Studien zeigen jedoch ein anderes Bild. Als primĂ€rer Karrierewunsch in Europa beispielsweise hat sich in den vergangenen 25 Jahren relativ stabil die traditionelle Karriere in der Welt der (Groß-) Organisationen gehalten.

Managementkarrieren von vier Generationen

Das ist das Ergebnis einer von wenigen groß angelegten Studien ĂŒber KarriereverlĂ€ufe fĂŒr den europĂ€ischen Raum. Im Rahmen des vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Vienna Career Panel Project (www.vicapp.at) haben Wissenschafterinnen und Wissenschafter der WirtschaftsuniversitĂ€t Wien seit mehr als zehn Jahren Karrierewege ihrer Absolventinnen und Absolventen untersucht. In einer LĂ€ngsschnittstudie wurden die Karrieren der jeweiligen Studienabschluss-JahrgĂ€nge von 1970, 1990, 2000 und 2010 verglichen. Nach der VerlĂ€ngerung des Projekts ViCaPP hat ein Team rund um Projektleiter Wolfgang Mayrhofer drei weitere Jahre die VerlĂ€ufe von Managementkarrieren erforscht. Dabei haben sich die Forscherinnen und Forscher auf die Frage konzentriert, ob das PhĂ€nomen des Wandels in Karrierekontexten wirklich existiert, und wenn ja, welchen Einfluss und welche Bedeutung verschiedene Elemente des Wandels auf KarriereverlĂ€ufe haben. Die FWF-Fortsetzungsstudie unter dem Titel „VerĂ€nderungen in Managementkarrieren?“ liefert damit neue empirisch belegte Einsichten ĂŒber den viel zitierten Wandel in der Berufswelt fĂŒr Europa. Dazu wurden erstmals auch Daten aus dem sozio-ökonomischen Panel (SOEP) des Deutschen Instituts fĂŒr Wirtschaftsforschung herangezogen.

Grenzenlose Freiheit?

Die Ergebnisse zeigen laut Karriereforscher Wolfgang Mayrhofer ein differenziertes Bild. „Auf der einen Seite sehen wir durchaus zunehmende VerĂ€nderungen in Form von Jobwechsel innerhalb der ersten zehn Karrierejahre bei den jeweils JĂŒngeren. Das Ă€ußert sich ĂŒbrigens nicht in einem steigenden Einkommen“, ergĂ€nzt der Experte. – Denn wer mehr Lohn auf seinem Gehaltskonto finden will, braucht vor allem eines: Erfahrung. Die Karrierejahre haben einen wesentlich stĂ€rkeren Einfluss auf EinkommenszuwĂ€chse als ein Jobwechsel. – Dem Bild der so genannten „neuen“ Karrieren entsprechen laut Studie auch die Tatsachen, dass stabile ArbeitsverhĂ€ltnisse und TĂ€tigkeitsfelder zurĂŒckgehen und das Weiterkommen auf der Karriereleiter kein SelbstlĂ€ufer ist. Auf der anderen Seite sinken die wahrgenommenen Jobalternativen, das heißt, was aus Sicht der Betroffenen an alternativen Jobs und Karriereoptionen verfĂŒgbar ist. DarĂŒber hinaus streben gerade jĂŒngere Generationen die erwĂ€hnte traditionelle Karriere in einer Organisation an. „Damit ist zumindest die zunehmende ‚psychologische Grenzenlosigkeit‘ infrage gestellt, die von nicht-existenten inneren Grenzen in Sachen Karriereentwicklung ausgeht “, so Wolfgang Mayrhofer.

Starke Bindungen

Neben den quantitativen Erhebungen von den insgesamt 1517 Personen der unterschiedlichen Generationengruppen haben die Wissenschafterinnen und Wissenschafter der WirtschaftsuniversitĂ€t Wien in 42 Interviews den Fokus auf das Zusammenspiel von Persönlichkeit und Ă€ußeren Rahmenbedingungen gerichtet. Dabei wurden verschiedene ArbeitsverhĂ€ltnisse (Freiberufler, SelbststĂ€ndige oder Angestellte) berĂŒcksichtigt. Eine gemeinsam mit der UniversitĂ€t Hamburg im Rahmen des Projekts durchgefĂŒhrte Analyse zeigt, dass die Bindung zwischen Organisation und Arbeitnehmer/in, unabhĂ€ngig vom Arbeitsvertrag, nach wie vor hoch ist. Organisationen kaufen zwar nicht mehr Leistungsbereitschaft und Weisungsunterworfenheit, dafĂŒr aber aktuell erbrachte Leistung als erkennbares, marktfĂ€higes und sozial bewertetes Produkt. Der transaktionale Leistungsvertrag ersetzt also den mehr relational gestĂŒtzten Arbeitsvertrag.

Ergebnis vieler Faktoren

Die Forschungsergebnisse zeigen, dass Karriere nicht, wie oft suggeriert wird, vor allem ein Produkt persönlichen Ehrgeizes und der Umsetzung individueller Möglichkeiten ist. Vielmehr hĂ€ngt sie von vielen Faktoren ab: wie zum Beispiel von Qualifikationen, Netzwerken oder monetĂ€ren Mitteln als Basis fĂŒr persönliche Qualifizierungsmaßnahmen oder der ÜberbrĂŒckung von Zeiten der Nicht-BeschĂ€ftigung auf der Seite des Individuums. Auf der Seite der Unternehmen sind es Rahmenbedingungen und organisationale Grenzen, die wiederum dem globalen Wechselspiel von Angebot und Nachfrage unterliegen.


Zur Person Der Betriebswirt Wolfgang Mayrhofer leitet das InterdisziplinĂ€re Institut fĂŒr Verhaltenswissenschaftlich Orientiertes Management (ivm) an der WirtschaftsuniversitĂ€t Wien. Mayrhofer forscht zu den Schwerpunkten internationale Personal- und UnternehmensfĂŒhrung, Karriere- und Laufbahnforschung, Neuere Systemtheorie und Betriebswirtschaftslehre.


Publikationen

Schneidhofer, T., Latzke, M., & Mayrhofer, W.: Careers as Sites of Power: A Relational Understanding of Careers Based on Bourdieu's Cornerstones. In A. Tatli & M. Özbilgin & M. Karatas-Özkan (Eds.), Pierre Bourdieu, Organisation, and Management: 19-36. New York, London: Routledge 2015
Kattenbach, R., Schneidhofer, T. M., LĂŒcke, J., Latzke, M., Loacker, B., Schramm, F., & Mayrhofer, W.: A quarter of a century of job transitions in Germany. Journal of Vocational Behavior, 84: 49-58, 2014
Mayrhofer, W.: Die Analyse von Karrieren in Organisationen. In S. Titscher & W. Mayrhofer & M. Meyer (Eds.), Praxis der Organisationsanalyse: 279-301. Wien et al.: facultas WUV UTB, 2010

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