UnterschĂ€tzer Risikofaktor fĂŒr Thromboseneigung

Angefangen hat fĂŒr den Gastroenterologen Christoph Gasche alles mit den Blutbildern einer Risikogruppe: Patientinnen und Patienten mit chronisch entzĂŒndlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa. Krankheitsbedingt verlieren sie Blut ĂŒber den Darm und damit auch den Sauerstofftransporter HĂ€moglobin, dessen zentrales Element Eisen ist. Die genaue Analyse der Blutwerte zeigte als Nebeneffekt eine Thrombozytose, also eine krankhaft gesteigerte Menge von BlutplĂ€ttchen (Thrombozyten) im Blut. In einer ersten Studie gelang der Nachweis, dass Eisenmangel die PlĂ€ttchenproduktion ankurbelt und Eiseninfusionen das Wohlbefinden der Patientinnen und Patienten mit den Darmerkrankungen verbessert. Die begleitende Eisen-Therapie ist heute ein Behandlungsstandard. âDass die BlutplĂ€ttchen sich bei Eisenmangel vermehren war insofern ĂŒberraschend, als alle anderen Zellsysteme stillgelegt werden. Jede Zelle braucht Eisen, also hören sie bei einem Mangel auf zu wachsenâ, beschreibt Projektleiter Christoph Gasche die Ausgangssituation fĂŒr ein vom Wissenschaftsfonds FWF unterstĂŒtztes Forschungsprojekt zum Thema Eisenmangel und Thromboseneigung.
Die Devise bei Blutverlust: Löcher stopfen
Da Thrombozyten an der Blutgerinnung federfĂŒhrend beteiligt sind, lag fĂŒr das Team an der Medizinischen UniversitĂ€t Wien der Schluss nahe, dass Eisenmangel und Gerinnselbildung zusammenhĂ€ngen. Aus der klinischen Praxis sind Thrombosen, also die Bildung von Blutpfropfen in venösen oder arteriellen GefĂ€Ăen, als gefĂŒrchtete Begleiterscheinung chronisch entzĂŒndlicher Darmerkrankungen bekannt: âThrombosen haben verschiedene Ursachen, aber Eisenmangel kommt relativ hĂ€ufig vor. Wir sind also einem bisher unbeachteten, aber wichtigen Mitspieler bei der Sterblichkeit auf der Spur, der weit ĂŒber das Krankheitsbild DarmentzĂŒndung hinaus reicht.â Auch bei Operationen flieĂt meist Blut, bei Frauen im gebĂ€rfĂ€higen Alter sogar jeden Monat. Thrombosen sind postoperativ ein hohes Risiko und 20 Prozent der Frauen unter 50 mangelt es an Eisen â ihr Thromboserisiko ist daher höher als das von MĂ€nnern. Eisen mit der ErnĂ€hrung aufzunehmen ist möglich, aber schwierig bzw. streng limitiert. Es lag die Hypothese nahe, dass die Produktion von BlutplĂ€ttchen fĂŒr mehr Blutgerinnung systemisch sinnvoll ist, um ein Verbluten zu stoppen. Unwissenschaftlich könnte man es als den Versuch âLöcher zu stopfenâ bezeichnen.
Bei Blutarmut bilden sich schneller Gerinnsel
Zuviele BlutplĂ€ttchen im Blut sind also kurzfristig sinnvoll, dauerhaft steigert eine Thrombozytose aber das Risiko fĂŒr Gerinnselbildung. Im FWF-Projekt wurde der Einfluss des Eisenmangels auf die venöse und arterielle Blutgerinnung im Rattenmodell untersucht. Die PhD-Studentin Kristine Jimenez verglich dazu drei Gruppen von gesunden Ratten. Die erste Gruppe wurde mangelernĂ€hrt in Bezug auf Eisen, die zweite ebenfalls, aber mit begleitender Eiseninfusion und die Kontrollgruppe bekam normales Futter. Um das venöse System zu untersuchen, wurde bei allen drei Gruppen die untere Hohlvene abgebunden, um den Querschnitt zu verengen, und die Entstehung der Thrombose mit Ultraschall beobachtet. Die Thromben wurden im Anschluss histopathologisch untersucht. Alle Gruppen bildeten Thromben, aber bei den anĂ€mischen Ratten bildeten sich gröĂere Pfropfen mit hohem Thrombozytenanteil in kĂŒrzerer Zeit. Die Kontrollgruppe und die Ratten mit Eisensubstitution verhielten sich in Bezug auf die Gerinnselbildung gleich. FĂŒr das arterielle System wurde in allen drei Gruppen die Halsschlagader prĂ€pariert und das GefÀà gereizt, was die Blutgerinnung innen zuverlĂ€ssig aktiviert. Obwohl der Blutdruck viel höher als in der Hohlvene ist, bildete sich dort ebenfalls ein Verschluss. Bei den mangelernĂ€hrten Ratten wiederum schneller und gröĂer. Parallel suchte Kristina Jimenez nach biologischen Aktivierungsmarkern auf den Megakaryozyten, also jenen Zellen, die BlutplĂ€ttchen bilden, konnte aber noch keine festmachen. Mit solchen Tests könnten weniger offenkundige Risikogruppen schnell identifiziert werden.
Gutes Eisenlevel als OP-Vorbereitung
âWir konnten zeigen, dass arterielle und venöse Thromben Ă€hnliche Entstehungswege haben, in denen Eisenmangel eine wichtige EinflussgröĂe ist. Von auĂen gesehen haben ein Herzinfarkt und geschwollene Beine kaum etwas miteinander zu tun, aber die eisenmangelinduzierte Thrombose ist fĂŒr beide relevant und durch die weite Verbreitung von Eisenmangel von Bedeutungâ, fasst Christoph Gasche die Ergebnisse zusammen. Er wĂŒrde sich wĂŒnschen, dass bei jeder OP-Freigabe auf den Eisenspiegel geachtet wird, um das Risiko einer Thrombozytose zu minimieren und sich nicht nur auf Blutkonserven zu verlassen â denn jede Gerinnselbildung ist potenziell lebensgefĂ€hrlich. Als nĂ€chstes will das Team chronisch entzĂŒndliche Darmerkrankungen bei MĂ€usen untersuchen. Es gilt herauszufinden, ob die eisenmangelbedingten PlĂ€ttchenverĂ€nderungen einen Einfluss bei Thrombosebildung und DarmentzĂŒndung haben und ob es gelingen kann, durch Eisengabe die EntzĂŒndung zu behandeln.
Zur Person Christoph Gasche ist Internist mit den Schwerpunkten Gastroenterologie und Hepatologie. 1999 bis 2001 forschte er an der University of California in San Diego, wo er molekulare und genetische Aspekte von entzĂŒndlichen Darmerkrankungen und Darmkrebs untersuchte. Neben seiner TĂ€tigkeit an der UniversitĂ€tsklinik arbeitet er im Labor fĂŒr âMolekulare Karzinomeâ der Medizinischen UniversitĂ€t Wien und etablierte durch seine Forschung Eiseninfusionen als Behandlungsstandard fĂŒr Menschen mit chronisch entzĂŒndlichen Darmerkrankungen. Er ist GrĂŒnder des Kompetenzzentrums Loha for Life fĂŒr Eisenmangel-Erkrankungen.
Publikationen