Wird es der Acker-Schmalwand zu heiß, reduziert sie ihr Wachstum und fährt im Gegenzug dazu die Abwehr gegen Krankheitserreger hoch. © Kristian Peters/Wikimedia

Alle 300.000 Pflanzenarten unseres Planeten sind in einem Dilemma verwurzelt: Lieber wachsen oder sich besser wehren? Um zu überleben, müssen festsitzende Organismen angesichts beschränkter Ressourcen die beiden Strategien gut aufeinander abstimmen. Sowohl Wachstum als auch die Abwehr von Krankheitserregern kosten viel Energie und sind daher nur im Abtausch zu stemmen. Zudem steigt mit dem Klimawandel bis zum Jahr 2100 die globale durchschnittliche Temperatur um bis zu vier Grad. Im Umkehrschluss wird daraus ein Ressourcenthema für die hungrige Menschheit in einer heißer werdenden Umwelt: von geeignetem Saatgut bis zu sinkenden Erträgen.

Wie höhere Temperaturen die Fähigkeiten von Pflanzen, zu wachsen und sich zu verteidigen, beeinflussen, hat Youssef Belkhadir mit seiner Gruppe am Gregor-Mendel-Institut für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Kooperation mit Grégory Vert vom Plant Science Research Laboratory an der Universität Toulouse (LRSV) herausgefunden, unterstützt vom Wissenschaftsfonds FWF und der französischen Förderorganisation ANR.

Je wärmer, desto weniger Wachstum

Steigende Temperaturen bedeuten Stress für Pflanzen. Zum einen steht ihnen weniger Wasser zur Verfügung, zum anderen verändert sich nachweislich die Zusammensetzung, Dichte und Diversität der Mikroben, die sie belagern. Dass Pflanzen nicht so gut wachsen, wenn sie sich gegen Mikroorganismen verteidigen müssen, ist bekannt. Auch Brassinosteroide (BR) werden seit drei Jahrzehnten beforscht. Es sind Pflanzenhormone, die Wachstum befördern, aber auch als Knotenpunkt für weitere Signalwege agieren, die Stressfaktoren und Nährstoffe betreffen. In Kooperation mit der Gruppe um Grégory Vert in Toulouse haben die Forscherinnen und Forscher in Wien das aktive Forschungsfeld „Wachsen oder Wehren“ um die Variable Temperatur erweitert. Als Modellorganismus diente die gut erforschte Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana).

Die grüne Markierung in der Fluoreszenz-Mikroskopie zeigt, dass in verschiedenen Wurzelzellen von Arabidopsis thaliana Gene der Immunabwehr aktiviert wurden. © GMI/ Ho-Seok Lee

Die Forschungsgruppen haben steril gezogene Sämlinge unter kontrollierten Bedingungen unterschiedlichen Situationen und Belastungen ausgesetzt und das Pflanzenmaterial anschließend biochemisch, molekulargenetisch, genomisch und zellbiologisch untersucht: „Brassinosteroide erlauben der Zelle, sich zu verlängern. Wenn man BR aufsprüht, wachsen Pflanzen schnell. Uns interessierten weitere molekulare Player, die mitentscheiden, wohin Pflanzen die Energie lenken“, erzählt Projektleiter Belkhadir. Dabei fanden die internationalen Forscherteams Folgendes heraus: Wenn Sämlinge statt bei 21 Grad bei 24 bis 26 Grad gehalten werden, wächst ihr Wurzelsystem nicht mehr so gut. „Wenn man die Temperatur steigert, wird der BR-Rezeptor abgebaut. Selbst wenn viel Steroid da ist, kann die Pflanze das Wachstumshormon dann quasi nicht mehr sehen“, erläutert Belkhadir.

Wärme triggert breite Immunantwort

Gefunden haben die Forscherinnen und Forscher weitere Rezeptoren, die der Pflanze erlauben, ihr Wachstum einzustellen und im Gegenzug die Abwehr moduliert hochzufahren. Um Mikroorganismen unschädlich zu machen, haben Pflanzen generell zwei Abwehrstrategien. Pathogene an der Zelloberfläche werden entweder mit einer Fülle von Rezeptoren erkannt und es wird eine milde, aber breit gefächerte Immunreaktion losgetreten. Dabei gelangen Abwehrstoffe aus dem Stoffwechsel der Pflanze an die Zelloberfläche und wirken gegen verschiedene Organismen. Oder es wird eine starke Immunantwort ausgelöst, die das betroffene Gewebe absterben lässt. Das ist dann der Fall, wenn Rezeptoren im Inneren der Zelle auf fremdes Material stoßen.

Bei höheren Temperaturen konnte das Team eine starke Aktivierung von Genen der ersten Abwehrstrategie nachweisen – selbst wenn die Umgebung nach wie vor steril war. Das ist ein sinnvoller Anpassungsmechanismus der Pflanzen, da außerhalb des Labors mit einem verstärkten Ansturm und einer großen Bandbreite von Pathogenen zu rechnen ist. Auch das gestoppte Wurzelwachstum bei höheren Temperaturen fügt sich in das Bild der hochgefahrenen Abwehr von Pathogenen. Wachstum bedeutet im ersten Schritt dünnere Zellwände. Bis diese wieder versteift werden, sind die Mauern um das Zellinnere leichter zu überwinden. Die Forschungsergebnisse zeigen, wie sich Pflanzen bei hohen Temperaturen zwischen Wachstum und Verteidigung entscheiden, und liefern so wichtige Grundlagen für biotechnologische Werkzeuge zur Entwicklung von Saatgut, das für die globale Erwärmung besser gerüstet ist.


Zur Person

Youssef Belkhadir studierte Biochemie und Genomik in Paris und absolvierte sein Doktorat in Molekularer Genetik an den Universitäten Paris-Sud (Orsay, Frankreich) und North Carolina (Chapel Hill, USA). 2006 bis 2010 forschte er am SALK Institute for Biological Studies in La Jolla (USA). Seit 2014 ist er Gruppenleiter am Gregor-Mendel-Institut für Molekulare Pflanzenbiologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Davor war er Direktor am Department für Pflanzen-Biotechnologie der Moroccan Foundation for Advanced Science und Mitgründer des Labors Atlas Genomics in Casablanca. Das internationale Forschungsprojekt „Temperaturabhängige Wachstums- und Verteidigungsregulierung“ (2018–2022) wird vom Wissenschaftsfonds FWF mit 300.000 Euro gefördert.


Publikationen

Smakowska E., Kong J., Busch W., Belkhadir Y.: Organ-specific regulation of growth-defense tradeoffs by plants, in: Current Opinion in Plant Biology 2016

Belkhadir Y., Jaillais Y.: The molecular circuitry of brassinosteroid signaling, in: The New Phytologist 2015

Belkhadir Y., Jaillais Y., Epple P., Balsemão-Pires E., Dangl J. and Chory J.: Brassinosteroid modulate the efficiency of the plant immune system, in: PNAS 2012