Vitamin D auch als TherapieergÀnzung geeignet

âBei uns an der UniversitĂ€tsklinik fĂŒr Innere Medizin messen wir heute routinemĂ€Ăig bei den Betroffenen den Vitamin-D-Spiegel mit. Diese MaĂnahme ist die Umsetzung der Ergebnisse unserer Studie ĂŒber die Wirkung einer Vitamin-D-Supplementierungâ, berichtet Elisabeth Lerchbaum, Internistin an der Abteilung fĂŒr Endokrinologie und Diabetologie der Medizinischen UniversitĂ€t Graz. Die Rede ist vom âPolyzystischen Ovar-Syndromâ (PCOS), einer der hĂ€ufigsten hormonellen Störungen, die oft Ursache von Zyklusstörungen bis hin zu Unfruchtbarkeit ist. In Ăsterreich sind zehn bis zwölf Prozent aller Frauen betroffen. Charakteristisch sind vergröĂerte Eierstöcke mit etlichen kleinen Follikeln. Viele Therapien berĂŒcksichtigen deshalb hĂ€ufig (nur) den Aspekt unerfĂŒllter Kinderwunsch. Die gesundheitlichen Folgen sind jedoch umfassender. So gilt ein erhöhtes Risiko fĂŒr Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes Typ2 als belegt, wobei die ungĂŒnstige Wirkung auf Stoffwechselparameter wie Blutzuckerwert und Insulin mit dem höheren Testosteron-Spiegel der Patientinnen zusammenhĂ€ngt. AuĂerdem ist Vitamin-D-Mangel eine hĂ€ufige Begleiterscheinung und laut Lerchbaum bei rund 80 bis 85 Prozent der Patientinnen vorhanden. Bei ihr an der Klinik erhalten sie im Falle eines Vitamin-D-Mangels nun ergĂ€nzend zur Standard-Therapie eine medizinisch abgesicherte Dosis Vitamin D. Wie sich der Vitamin-D-Spiegel entwickelt, bleibt unter Beobachtung. Die Verabreichung von Vitamin D hatte nĂ€mlich in der vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Studie bei den Erkrankten auf Blutzuckerwerte einen positiven Effekt.
Vitamin D senkt Blutzuckerwerte
In einer zufallsbedingten (randomisierten) placebo-kontrollierten Studie nahmen 180 Frauen mit und 150 Frauen ohne PCOS ĂŒber sechs Monate hinweg einmal wöchentlich ein Vitamin-D-PrĂ€parat zu sich. Allen gemeinsam war, dass sie zu Studienbeginn einen Vitamin-D-Mangel hatten. Bei den Frauen mit PCOS wirkte sich die zusĂ€tzliche Einnahme des Vitamins schon nach kurzer Zeit positiv auf die Blutzuckerwerte aus: âDer NĂŒchtern-Blutzuckerwert ist ein Risikomarker fĂŒr Vorstufen von Diabetes. Wir haben zusĂ€tzlich den Anstieg des Blutzuckerwerts nach einer normalen Mahlzeit mithilfe von Zuckerwasser simuliertâ, erklĂ€rt die Ărztin. Letzteres macht noch frĂŒhere Vorstufen von Diabetes Typ2 erkennbar. Das ist insofern wichtig, weil frĂŒhe Formen von Stoffwechselproblemen, wie leicht erhöhte Blutzuckerwerte oder ein gesteigerter Insulinspiegel, oft bereits im FrĂŒhstadium eines PCOS auftreten. LĂ€sst sich diese Entwicklung beeinflussen, kann dies das Risiko von Stoffwechselerkrankungen senken. Was die Forschenden ĂŒberraschte: Bei den gesunden Studienteilnehmerinnen wirkte sich die Einnahme von Vitamin D ungĂŒnstig auf den Blutzuckerwert aus.
Probleme wandeln sich
Die Problematik mit der Erkrankung verĂ€ndert sich im Laufe des Lebens: Bei Frauen Anfang 20 sind meist Zyklusstörungen oder hormonbedingte Probleme mit Haut und Haar vorrangig. âSie haben darĂŒber hinaus kaum Beschwerden. SpĂ€ter kann der unerfĂŒllte Kinderwunsch zum Problem werden. Ab etwa Anfang 40 rĂŒcken dann Stoffwechselprobleme in den Vordergrundâ, erklĂ€rt Lerchbaum. An der UniversitĂ€tsklinik fĂŒr Innere Medizin, wo Lerchbaum tĂ€tig ist, setzt man deshalb bei der Behandlung von PCOS schon lange auch auf die Aspekte ErnĂ€hrung, Fitness und Lebensstil. Das soll die Entstehung von Stoffwechselerkrankungen verhindern helfen. Je ausgeprĂ€gter Stoffwechselprobleme wie Ăbergewicht oder Fettleibigkeit aber sind, und je mehr schon vergeblich dagegen getan wurde, desto schwieriger wird die Umsetzung eines gesĂŒnderen Lebensstils. Hinzu kommt, dass sich etwa eine starke Gewichtsabnahme ungĂŒnstig auf Muskelmasse und Knochendichte auswirkt. Vitamin D könnte beides in Schach halten, vor allem in Kombination mit Kalzium. âUnsere Dosierung ist sicher, gĂŒnstig, hat keine Nebenwirkungen, einfach in der Anwendung und unterstĂŒtzt in allen Stadien den Behandlungserfolgâ, betont die Ărztin. Das ist fĂŒr die Betroffenen wichtig, weil die gĂ€ngigen â oft hormonellen â Therapien wegen der Nebenwirkungen, dem hohen Zeitaufwand und der psychischen Belastung nicht zu unterschĂ€tzen sind. Elisabeth Lerchbaum erkennt speziell im niedergelassenen Bereich noch viel AufklĂ€rungsbedarf, was den Zusammenhang von PCOS mit Stoffwechselerkrankungen und den hohen Nutzen von PrĂ€ventionsmaĂnahmen betrifft und hat entsprechende Fortbildungen fĂŒr Ărzte entwickelt.
VernĂŒnftige Dosis ist wichtig
Ziel der MaĂnahme ist, den als optimal geltenden Vitamin-D-Spiegel zu erreichen. Die Studie hat zudem gezeigt, dass der individuelle Vitamin-D-Spiegel mit der genetischen Veranlagung zusammenhĂ€ngt â die Verfahren, um diesen genetisch zu ermitteln, sind aber noch zu kostspielig, um in der klinischen Routine Verwendung zu finden. Hierin steckt jedoch viel Potenzial, weil daraus das individuelle Optimum und die richtige Dosierung ermittelt werden könnten. Was Letzteres angeht, rĂ€t die Internistin, Vitamin D generell nicht ohne eine vorherige Bestimmung des Spiegels selbst einzunehmen. HĂ€ufig ist nĂ€mlich eine Ăberdosierung die Folge. Zudem wirkt sich bei Gesunden dieses âExtraâ an Vitamin D laut FWF-Studie sogar eher ungĂŒnstig auf Stoffwechselparameter aus. Auf der sicheren Seite ist, wer seinen Spiegel bestimmen lĂ€sst, im Falle eines Vitamin-D-Mangels eine gezielte Dosis einnimmt und nach ein paar Monaten den Vitamin-D-Spiegel kontrolliert. Fest steht heute jedenfalls, dass sich bei Frauen, die an PCOS erkrankt sind und einen Vitamin-D-Mangel aufweisen, die ErgĂ€nzung der Therapie durch richtig dosierte Vitamin-D-PrĂ€parate positiv auf die Blutzuckerwerte auswirkt â und leicht umsetzbar ist. Durch lĂ€ngerfristiges Beobachten der Studienteilnehmerinnen möchte das Forscherteam darĂŒber hinaus herausfinden, ob diese MaĂnahme auch das Auftreten von Diabetes Typ2 tatsĂ€chlich âhinauszögern oder gar verhindern kannâ.
Zur Person Elisabeth Lerchbaum ist Internistin an der Klinischen Abteilung fĂŒr Endokrinologie und Diabetologie an der Medizinischen UniversitĂ€t Graz. Ihr Forschungsschwerpunkt ist die Endokrinologie. Die mehrfach ausgezeichnete Ărztin war 2012 zudem Forscherin des Jahres der Med-Uni Graz.
Publikationen