Ein Frauenvolleyball-Team in der Halle. Zwei junge Spielerinnen jubeln.
Hinter Knieschmerzen stecken häufig Sehnenprobleme, die durch Überlastung entstehen. Untersuchungen zeigen die positive Wirkung von Vibrationstrainings, die im Gegensatz zum Krafttraining auch schmerzfrei sind. © Vince Fleming / unsplash

Sehnenerkrankungen haben sich schon oft als wunder Punkt in einer Sportlerkarriere erwiesen. Dabei muss gar keine akute Verletzung dahinterstecken. Bereits falsche oder zu starke Belastungen können auf Dauer zu Problemen führen. Typische Erkrankungen sind hier sogenannte Tendinopathien (lat. tendo „Sehne“ und griech. pathos „Erkrankung“). Diese nichtentzündlichen Sehnenerkrankungen entstehen beispielsweise, wenn der Trainingsstil oder gewohnte Bewegungsmuster verändert werden. Dazu muss man gar keinen Profisport betreiben: Bereits ein zu lange gebrauchter und abgenutzter Laufschuh kann mit der Zeit beispielsweise zu einer Tendinopathie der Achillessehne führen.

Die Sehnenerkrankungen sind ein Forschungsgebiet von Florian Rieder, der aktuell im Bereich der physikalischen Medizin und Rehabilitation am Uniklinikum Salzburg tätig ist. In den vergangenen Jahren hat er sich in dem kürzlich abgeschlossenen FWF-Projekt „Good Vibrations“ mit Erkrankungen der Patellasehne beschäftigt, die die Kniescheibe mit dem Schienbeinansatz am Unterschenkel verbindet. Patellartendinopathien, die etwa bei professionellen Volley- oder Basketballspielenden typisch sind, lösen bei den Patientinnen und Patienten starke Knieschmerzen aus. Dazu kommt, dass auch die bisherige Standardtherapie äußert schmerzvoll sein kann. Rieder hat deshalb untersucht, wie wirkungsvoll ein neuerer Therapieansatz, eine Form des Vibrationstrainings, für die Behandlung dieser Erkrankungen ist.  

Fehlerhafter Gewebeaufbau

„Die Patellasehne ist für die Kraftübertragung zwischen Ober- und Unterschenkel zuständig. Sie speichert beim Anspannen Energie, die beim Entlasten wieder abgegeben wird – ähnlich einem Gummiband. Und sie fungiert als Dämpfung bei stoßartigen Bewegungen“, fasst Rieder zusammen. Doch bei Überlastungen kann es dazu kommen, dass die Sehne degeneriert. „Die Reparaturprozesse des Körpers werden unterbrochen, der Gewebeaufbau ist fehlerhaft“, erklärt der Sportwissenschaftler. Eine gut etablierte Therapiemethode sind spezielle Krafttrainings. Patientinnen und Patienten führen dabei immer wieder langsame Bewegungen mit schweren Gewichten aus. Diese Belastungen sorgen dafür, dass die körpereigenen Reparaturmechanismen wieder aufgenommen werden. Der Ansatz ist wirkungsvoll, aber oft auch sehr schmerzhaft und deshalb für viele Personen ungeeignet.

Bereits in seiner 2016 abgeschlossenen Dissertation an der Universität Salzburg hat sich der Sportwissenschaftler mit der Vibrationstherapie beschäftigt. Dabei positioniert man sich auf einer vibrierenden Platte, die etwa 30 Mal pro Sekunde schwingt. Rieder konnte damals erste Auswirkungen auf die Patellasehnen beschreiben. „Ich konnte zeigen, dass bei gesunden Personen ein Aufbauprozess in Gang gesetzt wird. Der Sehnenquerschnitt hat sich signifikant vergrößert“, erklärt er. Auf dieser Arbeit baut das FWF-Projekt auf, das Rieder mit seinem Kollegen Hans-Peter Wiesinger vom Interfakultären Fachbereich für Sport- und Bewegungswissenschaft der Universität Salzburg umsetzte. „Es war ein sehr interdisziplinäres Projekt, in das Forschende der Uni Salzburg und der Uniklinik Salzburg – hier vor allem aus dem Bereich der physikalischen Medizin und der Radiologie – viel zusätzliche Arbeit investierten“, betont Rieder.  

Studie mit 60 Probandinnen und Probanden

Ähnlich wie beim Krafttraining führt auch die Vibrationstherapie dazu, dass Muskeln angespannt und entspannt und die Sehnen wechselnden Zugkräften ausgesetzt werden. Intensität und Frequenz unterscheiden sich aber grundsätzlich. „Die Frage war nun, welche Effekte bei dieser schmerzfreien Alternative nachweisbar sind“, sagt Rieder. Die Forschenden rekrutierten für die Studie insgesamt etwa 60 Probandinnen und Probanden, die sie in drei Gruppen teilten: In der ersten Gruppe wurden die Patientinnen und Patienten drei Monate lange drei Mal pro Woche mit der Vibrationstherapie behandelt, in der zweiten stand Krafttraining am Programm. Angehörige der dritten Gruppe harrten dagegen ohne Therapie aus. Sie ermöglichten den Vergleich zu Erkrankten, bei denen vorerst keine Behandlung erfolgt.

In einer Nebenstudie stellten die Forschenden zuerst die Frage in den Fokus, wie sich eine gesunde von einer kranken Sehne mechanisch unterscheidet. „Die Untersuchungen ergaben, dass kranke Sehnen im Vergleich deutlich verdickt sind. Mit dem Querschnitt nimmt allerdings nicht ihre Steifheit zu – was beim Training von gesunden Sehnen der Fall ist. Im Gegenteil, sie weist sogar geringere Werte auf“, erklärt Rieder. „Damit könnte sich das Verletzungsrisiko erhöhen.“

Direkter Therapievergleich

Der Vergleich der Trainingsmethoden ergab schließlich, dass sowohl in der Krafttrainings- als auch in der Vibrationsgruppe klinisch relevante Veränderungen zu verzeichnen waren. „Die Verbesserungen betreffen sowohl den Maximalschmerz als auch funktionelle Einschränkungen“, sagt der Sportwissenschaftler. „Die Patientinnen und Patienten hatten also weniger intensive Schmerzen und konnten sich wieder besser bewegen.“ Der direkte Vergleich der Ansätze zeigte aber auch Unterschiede. „Während beide Therapieformen eine ähnlich gute Reduktion des Maximalschmerzes erzielen konnten, war das konventionelle Krafttraining bei den funktionellen Einschränkungen etwas wirkungsvoller“, erklärt Rieder. In allen Fällen waren die Therapieerfolge dauerhaft, wie eine Kontrolluntersuchung nach sechs Monaten ergab.

Doch auch wenn die Effektivität der Vibrationstherapie leicht hinter dem Krafttraining zurückbleibt, bestätigt die Studie für Rieder, dass sie in vielen Fällen eine gute Alternative ist. „Es gibt Patientengruppen, für die das schmerzhafte Krafttraining nicht infrage kommt. Dazu zählen Sportlerinnen und Sportler, die während ihres Trainings keine zusätzlichen Kraftübungen unterbringen können, oder auch ältere Menschen, die mit den Schmerzen nicht zurechtkommen. Für sie ist es auf jeden Fall zielführend, die Vibrationstherapie zu versuchen.“


Zur Person

Florian Rieder schloss 2016 sein Doktoratsstudium der Sportwissenschaften an der Universität Salzburg ab. In den darauffolgenden Jahren war er sowohl am Interfakultären Fachbereich für Sport- und Bewegungswissenschaft der Universität Salzburg als auch an der Einheit für Physikalische Medizin und Rehabilitation am Uniklinikum Salzburg tätig. Seit 2020 ist er am Uniklinikum im vollen Umfang als Sportwissenschaftler und Trainingstherapeut tätig. Das von Rieder geleitete Projekt „Good Vibrations: Effektivität von Vibrationstraining zur Behandlung von Tendinopathie“ wurde vom Wissenschaftsfonds FWF mit 270.000 Euro gefördert.


Publikationen

Wiesinger HP, Seynnes OR, Kösters A, Müller E, Rieder F: Mechanical and Material Tendon Properties in Patients With Proximal Patellar Tendinopathy, in: Frontiers in Physiology 2020

Wiesinger HP, Rieder F, Kösters A, Müller E, Seynnes OR: Sport-specific capacity to use elastic energy in the patellar and Achilles tendons of elite athletes, in: Frontiers in Physiology 2017

Rieder F, Wiesinger HP, Kösters A, Müller E, Seynnes OR: Whole-body vibration training induces hypertrophy of the human patellar tendon, in: Scandinavian Journal of Medicine and Science in Sports 2016

Rieder F, Wiesinger HP, Kösters A, Müller E, Seynnes OR: Immediate effects of whole body vibration on patellar tendon properties and knee extension torque, in: European Journal of Applied Physiology 2016