Ein Innsbrucker Forschergruppe konnte klĂ€ren, wie der Körper beschĂ€digte Zellen an der weiteren Teilung hindert oder in den kontrollierten Zelltod schickt. © Shutterstock

Fehler bei der Zellteilung können zur Entwicklung von Krebszellen fĂŒhren, weshalb die Untersuchung dieser Fehler von besonderem Interesse fĂŒr die Forschung ist. Ein solcher Fehler ist eine unvollstĂ€ndige Zellteilung: Die Zelle bereitet die Teilung vor, die Chromosomen werden dupliziert, doch die eigentliche Teilung (Zytokinese) wird nicht vollzogen. Solche Zellen werden „tetraploid“ genannt, von „tetra“ fĂŒr „vier“, weil sie im Gegensatz zu gesunden Zellen nicht zwei, sondern vier ChromosomensĂ€tze haben. Eine solche Zelle ist dabei normal lebensfĂ€hig, problematisch ist das erst bei der nĂ€chsten Zellteilung, wo die vielen Chromosomen nicht richtig auf die beiden neuen Zellen verteilt werden, da nicht nur das Erbgut in vierfacher AusfĂŒhrung vorliegt, sondern sich auch die Zahl der sogenannten Zentrosomen verdoppelt hat. Bei Letzteren handelt es sich um wichtige Zellorganellen, deren Aufgabe es ist, die Chromosomen fĂŒr die Teilung richtig anzuordnen. Das fĂŒhrt zu asymmetrischer Zellteilung und in Folge unterschiedlichsten SchĂ€den im Erbgut, was Krebs auslösen kann. Eine Forschungsgruppe um Andreas Villunger von der Medizinischen UniversitĂ€t Innsbruck hat nun in einem vom Wissenschaftsfonds FWF finanzierten Grundlagenprojekt einen wichtigen Mechanismus klĂ€ren können, wie der Körper sich vor diesem Szenario schĂŒtzt, indem er beschĂ€digte Zellen an der weiteren Teilung hindert oder in den kontrollierten Zelltod schickt.

Funktion des Tumor-unterdrĂŒckenden Proteins p53

„Wir arbeiten seit langer Zeit zum Thema Zelltod, insbesondere mit dem Tumorsupressor p53“, sagt Villunger im GesprĂ€ch mit scilog. Das Protein p53 sei von zentraler Bedeutung fĂŒr die Krebsforschung: „Bei mehr als 50 Prozent aller Tumorpatientinnen und -patienten ist es mutiert oder verloren gegangen.“ Die tumorunterdrĂŒckende Funktion ist dann beeintrĂ€chtigt. Es war bekannt, dass p53 auch in tetraploiden Zellen oder der AnhĂ€ufung von Zentrosomen aktiviert wird, um die Zellteilung zu verhindern. „Das wusste man schon sehr lange“, erklĂ€rt der Forscher, „doch man wusste nicht, wie diese Aktivierung in der Zelle ausgelöst wird.“

Aktivierung von p53 bei unvollstÀndiger Zellteilung

Villungers Gruppe untersuchte nun einen Proteinkomplex namens PIDDosome, von dem man vermutete, dass er mit p53 und Zelltod in Zusammenhang steht. Genaueres war aber nicht bekannt. Tetraploidie oder Zentrosomen waren zunĂ€chst nicht der Fokus des Projekts, doch bei den Untersuchungen zeigte sich Überraschendes: „Wir haben gesehen, dass ein bestimmtes Protein des Komplexes aktiviert wird, wenn Zellen bei der Teilung Fehler begehen und den letzten Schritt, die Zytokinese, nicht vollstĂ€ndig ausĂŒben können.“ Das ist eben jenes Szenario, bei dem tetraploide Zellen mit der doppelten Chromosomen- und auch Zentrosomenzahl entstehen. Die Forschergruppe schaltete die Proteine des PIDDosome-Komplex gezielt aus. Daraufhin funktionierten die zelleigenen Korrekturmechanismen in tetraploiden Zellen nicht mehr, insbesondere die Aktivierung von p53 fehlte. Damit war gezeigt, dass hier ein direkter Zusammenhang besteht.

LĂŒcke im VerstĂ€ndnis geschlossen

„Das war die initiale Beobachtung“, sagt Villunger. „Wir konnten daraufhin zeigen, dass alle Proteine in diesem Komplex in den Prozess involviert sind. In weiterer Folge haben wir gesehen, dass das auslösende Signal nicht die Verdopplung der Chromosomen ist, sondern die Verdopplung von Zentrosomen.“ Vor jeder Zellteilung bildet sich ein zweites Zentrosom, um die gleichmĂ€ĂŸige Verteilung der Chromosomen auf beide Tochterzellen zu garantieren. Tetraploide Zellen, bei denen die Teilung unvollstĂ€ndig war, haben zwei Zentrosomen, die sich eben vor der nĂ€chsten Teilung verdoppeln und somit asymmetrische Zellteilung bedingen, welche mit einer ungleichförmigen Verteilung von Chromosomen einhergeht. Damit wurde eine wichtige LĂŒcke im VerstĂ€ndnis der Aktivierung von p53 geschlossen. Der Effekt war vermutet worden, allerdings hatte man sich auf die DNA konzentriert. Dass hier Zentrosomen so eine große Rolle spielen war fĂŒr Villunger und sein Team ĂŒberraschend. „Wir interessieren uns ja eigentlich fĂŒr Zelltod nach DNA-SchĂ€den. Doch dann haben wir gesehen, dass es nicht DNA-SchĂ€den sind, die p53 aktivieren, sondern die extra Zentrosomen. Die Folge ist auch nicht unbedingt Zelltod, sondern ein Anhalten des Zellzyklus.“ Die Zelle teilt sich danach nicht mehr.

Grundlagenprojekte mit ungewissem Ausgang

Das unerwartete Ergebnis dieses erst im dritten Anlauf vom FWF genehmigten Projekts hat nun die TĂŒr zu neuen Forschungen geöffnet, die es Villungers Team ermöglichten, einen mit mehreren Millionen Euro dotierten und auf Exzellenz ausgerichteten ERC-Grant des EuropĂ€ischen Forschungsrats an Land zu ziehen. Der Forscher betont die Wichtigkeit solcher Grundlagenprojekte, in denen flexibel auf interessante Entdeckungen reagiert werden kann. „Das ursprĂŒngliche Projekt zielte eigentlich nur darauf ab, zu verstehen, wie und ob ĂŒber diesen wenig verstandenen Proteinkomplex Zelltod reguliert wird. Doch als wir die interessanten Ergebnisse zu den Zentrosomen gesehen haben, haben wir uns darauf gestĂŒrzt.“ Besonders interessant ist fĂŒr Villunger, dass die Verdopplung der Chromosomen in manchen Organen absichtlich herbeigefĂŒhrt wird und wichtig fĂŒr die Differenzierung ist. „In der Leber sind viele Zellen tetraploid und haben extra Zentrosomen“, sagt Villunger. „Wir haben dann gesehen, dass auch dort das PIDDosome benötigt wird um p53 zu aktivieren.“ UrsprĂŒnglich sei man auf dem falschen Dampfer gewesen, erklĂ€rt Villunger, der betont, dass Forschung nicht immer geradlinig verlĂ€uft: „Die Hypothese des ursprĂŒnglichen Projektantrags war nicht richtig. Doch dann konnten wir einen Mechanismus aufklĂ€ren, der in der Literatur seit vielen Jahren vermutet wurde, molekular aber nicht verstanden war.“ Das habe das VerstĂ€ndnis des Tumorsupressors p53 vertieft, potenzielle Angriffspunkte fĂŒr zukĂŒnftige Krebstherapie geschaffen und zugleich eine Reihe neuer Forschungsfelder eröffnet.


Zur Person Andreas Villunger ist Biologe und Leiter der Abteilung fĂŒr Entwicklungsimmunologie an der Medizinischen UniversitĂ€t Innsbruck. Er interessiert sich fĂŒr Mechanismen des Immunsystems im Zusammenhang mit Krebs, insbesondere im Hinblick auf kontrollierten Zelltod.


Publikationen

Haschka M., Karbon G., Fava LL., Villunger A.: Perturbing mitosis for anti-cancer therapy: is cell death the only answer? EMBO reports 2018, doi: 10.15252/embr.201745440
Fava LL., Schuler F., Sladky V., Haschka MD., Soratroi C., Eiterer L., Demetz E., Weiss G., Geley S., Nigg EA., Villunger A.: The PIDDosome activates p53 in response to supernumerary centrosomes. Genes & development 2017, doi: 10.1101/gad.289728.116
Sladky V., Schuler F., Fava LL., Villunger A.: The resurrection of the PIDDosome - emerging roles in the DNA-damage response and centrosome surveillance. Journal of cell science 2017, doi: 10.1242/jcs.203448