Biologe Hannes Schuler untersucht die Lebensgemeinschaften von Kirschfruchtfliegen (hier eine Larve) und Bakterien zum Schutz der Obsternten. © Hannes Schuler

Die sĂŒĂŸesten FrĂŒchte fressen nicht nur große Tiere. Auch kleine Kirschfruchtfliegen schĂ€tzen reifes Steinobst und machen durch massenhafte Eiablage die Ernte unbrauchbar. In vielen europĂ€ischen LĂ€ndern gelten die EuropĂ€ische Kirschfruchtfliege und die vor 30 Jahren eingeschleppte Amerikanische Kirschfruchtfliege als unliebsame SchĂ€dlinge im Obstbau. Als Wirte geschĂ€tzt werden die Fruchtfliegen wiederum von Bakterien der Gattung Wolbachia. Unterschiedliche Wolbachia-StĂ€mme leben in beiden Arten und machen sich die Fortpflanzung der Fliegen fĂŒr die eigene Verbreitung zunutze. Genau das macht sie fĂŒr den Schutz von Obsternten interessant. Hannes Schuler will nun mit UnterstĂŒtzung des Wissenschaftsfonds FWF die Lebensgemeinschaften von Fliegen und Bakterien genauer beleuchten und damit folgende Fragen beantworten: Wie die bakteriellen Mitbewohner die Fitness der Fliegen beeinflussen, wie unterschiedliche Wolbachia-StĂ€mme in einem Fliegenorganismus aufeinander wirken, wie die Bakterien-StĂ€mme weitergegeben werden und wie schnell sie sich in den Populationen ausbreiten.

Verwurmte Kirschen fĂŒr die Forschung

Hannes Schuler ist neuer Juniorprofessur an der Freien UniversitĂ€t Bozen in SĂŒdtirol, die mit der UniversitĂ€t fĂŒr Bodenkultur, wo er bis vor Kurzem tĂ€tig war, kooperiert. Er wird seine Forschung in Wien als externer Projektleiter am Institut fĂŒr Forstentomologie weiterfĂŒhren. Hier hat er sich bereits seit der Masterarbeit mit den ObstbaumschĂ€dlingen beschĂ€ftigt. Zwei Jahre verbrachte er im Rahmen des Erwin-Schrödinger-Programms des FWF an der University of Notre Dame (USA) und knĂŒpfte Kontakte zur dortigen Forschungsgruppe, die ihn nun mit Proben und Know-how zur Amerikanischen Kirschfruchtfliege unterstĂŒtzen werden. Im Sommer 2018 ist Hannes Schuler auf Dutzende KirschbĂ€ume gestiegen – in Deutschland (auch entlang der Grenze zu Polen) und Ungarn – und hat verwurmte Kirschen fĂŒr weitere Auswertungen gesichert. „Da beide Arten der Kirschfruchtfliegen sich nur einmal im Jahr fortpflanzen und nicht sehr weit fliegen, beherbergt ein Baum eine Population“, beschreibt Hannes Schuler.

Des einen Freud, des anderen Leid: Die parasitĂ€re Wolbachia-Bakterie könnte sich als Waffe gegen die EuropĂ€ische Kirschfruchtfliege (im Bild) erweisen. © Hannes Schuler

Wer lebt in welcher Fliegen-WG?

Ein Teil der Larven jedes Baums wird fĂŒr genetische Auswertungen verwendet. Hier will der Projektleiter zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: „Wir können mit den Analysen des Erbguts nicht nur die Fliegen, sondern auch deren Parasiten genau bestimmen. Wir vergleichen genetisches Material von Amerikanischen Kirschfruchtfliegen aus den USA, der US-Art in Europa und der EuropĂ€ischen Kirschfruchtfliege mit ihren jeweiligen Mitbewohnern. In den genetischen Analysen können wir erkennen, welche Wolbachia-StĂ€mme gemeinsam vorkommen und auch, ob sie einander genetisch beeinflussen.“ Die Puppen aus der Ernte 2018 liegen noch in simulierter Winterruhe im KĂŒhlschrank, bis der Forscher sie aufweckt, um mit den geschlĂŒpften Fliegen Kreuzungsversuche und Fitnesstests durchzufĂŒhren: „Wir wissen, dass die Wolbachia-StĂ€mme nur von infizierten Fliegenweibchen an deren Nachkommen weitergegeben werden. Trifft ein infiziertes FliegenmĂ€nnchen auf ein nicht-infiziertes Weibchen, sorgt das Bakterium Wolbachia dafĂŒr, dass die gemeinsamen Nachkommen nicht ĂŒberleben. Durch diesem Trick steigt der Anteil von Wolbachia infizierten Fliegen in der Population ĂŒberproportional an“, erklĂ€rt der Projektleiter.

Mit den erhobenen VerhĂ€ltniszahlen und jĂ€hrlicher Probenahme, kann die Ausbreitungsgeschwindigkeit der beiden Fliegenarten und ihrer Wolbachia-Ausstattung simuliert werden. Um die Weitergabe zwischen Arten aus Europa und den USA zu klĂ€ren, nimmt Hannes Schuler Schlupfwespen ins Visier, die ihre Eier in den Larven der Fliegen ablegen und mit ihrem Legestachel vielleicht Bakterien verschleppen. Außerdem wird geprĂŒft, ob es doch zur Kreuzung von EuropĂ€ischen und Amerikanischen Kirschfruchtfliegen kommt, oder die irrtĂŒmliche Kopulation zwischen den getrennten Arten als Ansteckungsweg in Frage kommt. Sind die Gegenspieler und Parasiten der in Europa vorkommenden Kirschfruchtfliegen erst einmal gut untersucht, könnten diese wiederum fĂŒr den Pflanzenschutz im Obstbau genutzt werden.

Zur Person

Hannes Schuler studierte Agrarwirtschaft und Phytomedizin an der UniversitĂ€t fĂŒr Bodenkultur in Wien mit den Schwerpunkten Insektenkunde und Endosymbionten in SchĂ€dlingen. Von 2014 bis 2016 war er Erwin-Schödinger-Fellow an der University of Notre Dame in Indiana/USA. Zuletzt war Schuler Forschungsassistent am Versuchszentrum Laimburg in SĂŒdtirol. Seit Oktober 2018 ist er Assistenzprofessor fĂŒr allgemeine und angewandte Entomologie an der Freien UniversitĂ€t Bozen (Italien).

Publikationen

Bakovic V, Schebeck M, Telschow A, Stauffer C, Schuler H: Spatial spread of Wolbachia in Rhagoletis cerasi populations, in: Biology Letters 2018

Schuler H, Köppler K, Daxböck-Horvath S, Rasool B, Krumböck S, Schwarz D, Hoffmeister TS, Schlick-Steiner BC, Steiner FM, Telschow A, Stauffer C, Arthofer W, Riegler M: The hitchhiker's guide through Germany – The selective sweep of a mitochondrial haplotype of Rhagoletis cerasi with its invading Wolbachia strain, in: Molecular Ecology 2016

Schuler H, Kern P, Arthofer W, Vogt H, Fischer M, Stauffer C, Riegler M: Wolbachia in parasitoids attacking native European and introduced eastern cherry fruit flies in Europe, in: Environmental Entomology 2016