Klein und zäh: Die Geheimnisse des schwarzen Pilzes
Er ist ein echter Überlebenskünstler: Kälte setzt ihm ebenso wenig zu wie Hitze. Ob viel oder wenig Sauerstoff, ob es nass, salzig, trocken oder der Boden verseucht ist. – Der schwarze Pilz bleibt gelassen und fühlt sich in jeder noch so widrigen Umgebung wohl. Wie schafft er das? „Die große Überraschung war, dass die Pilze so gut wie keine Stressreaktion zeigen. Das heißt, dass sie per se etwas haben, was sie resistent macht“, erzählt Katja Sterflinger. Mit Unterstützung des Wissenschaftsfonds FWF hat die Mikrobiologin in einer Klimakammer unterschiedliche Stresssituationen simuliert, wie sie die Pilze in extremen Regionen wie etwa in der Arktis oder in der Wüste erleben. Dabei hat sie zunächst beobachtet, wie die Zellen des Pilzes, genau genommen die Proteine (Eiweiße), auf Kälte, Hitze, Ozon oder Trockenheit reagieren.
Einzigartiges „Proteinwerkzeug“
Katja Sterflinger leitet das „Extremophile Center“ am Vienna Institute of Biotechnology (VIBT) der Universität für Bodenkultur in der Wiener Muthgasse. Die für das Institut eigens gebaute Klimakammer und modernste Sequenziertechnologien haben es erstmals ermöglicht, die Proteine des schwarzen Pilzes zu identifizieren. „Das war sehr schwierig, weil diese mit nichts vergleichbar oder ident sind, was wir bisher kannten“, so Sterflinger. Jetzt wissen die Forscherinnen und Forscher, dass die „mikrokolonialen Pilze“, so der Fachausdruck, eine eigene Proteinausstattung haben, die es ihnen ermöglicht, sowohl bei null Grad Celsius wie auch bei 45 Grad zu wachsen. Sogar eine Reise zum Mars haben die Mikroben überlebt. Dazu ist ein leichtes „Finetuning“ in der Zelle ausreichend. „Je nachdem, ob es kalt oder heiß ist, bewegt sich der Pilz ein wenig. Das sind aber nur Feineinstellungen“, erklärt Katja Sterflinger im Gespräch mit scilog. Das ist durchaus geschickt von ihm, weil dramatische Wechsel Energie verbrauchen. Das muss er gar nicht und bleibt so selbst in nährstoffarmen Umgebungen wie am Gletscher oder auf Gestein aktiv.
Zelluläre Prozesse verstehen
In einem nächsten Schritt hat das Team um Sterflinger die gewonnenen Proteindaten mit den Transkriptomdaten abgeglichen, das heißt den Ablauf der zellulären Prozesse analysiert. Dabei hat die Forschergruppe entdeckt, dass das Geheimnis der Zelle scheinbar weniger in den Proteinen als vielmehr in der nicht-kodierenden RNA steckt. Diese Moleküle sind in der Zelle aktiv, ohne in Proteine übersetzt zu werden. Ihre biologische Funktion war bis vor Kurzem noch weitgehend unbekannt. Inzwischen weiß man, dass sie bei der Regulation verschiedenster Prozesse in der Zelle eine wichtige Rolle spielen. Schließlich werden nur zwei Prozent des genetischen Materials, das aktiv abgelesen wird, in Proteine übersetzt.
Ausnahmetalent „Exophiala dermatitidis“
Als besonders vielseitig unter den „Extrem-Liebhabern“ hat sich unter den hunderten von Pilz-Stämmen, die in Wien bis dato untersucht wurden, „Exophiala dermatitidis“ herausgestellt. – Eine sogenannte schwarze Hefe, die sich auf der ganzen Bandbreite von kalt bis warm bewegt und einfach alles aushält. „Die wächst auf dem Gletscher ebenso wie in der Sauna, leider auch in unseren Geschirrspülern. Und sie hat die unangenehme Eigenschaft, dass sie humanpathogen ist“, erklärt Katja Sterflinger. Das ist die negative Seite des Pilzes. Gleichzeitig hat er die positive Eigenschaft, Kohlenwasserstoffe, und damit Giftstoffe optimal abbauen zu können. Deswegen haben die Mikrobiologinnen und Mikrobiologen des „Extremophile Center“ in einem zweiten FWF-Projekt auf der Suche nach einem biologischen „Reinigungsmittel“ für Abgase und verseuchte Böden mehr als 200 schwarze Hefen gescreent. Mit dem Ergebnis, dass neben „Exophiala“ nur ein zweiter Pilz sehr gut darin ist, Umweltgifte abzubauen. – Doch auch er ist nahe verwandt mit humanpathogenen Stämmen. Was den Plan, in Richtung Biofilter zu gehen, vorerst auf Eis gelegt hat.
Fokus Medizin
Stattdessen richten die Expertinnen und Experten der Universität für Bodenkultur ihren Fokus nun verstärkt auf medizinische Fragestellungen und wollen die Moleküle des krank machenden „Exophiala dermatitidis“ weiter identifizieren. Denn der Pilz verursache nicht nur bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem, sondern auch zunehmend bei durchschnittlich gesunden Menschen Infektionen, wie Sterflinger in Hinblick auf die Relevanz ihrer Forschung für die Medizin betont. Die ausgeprägte Stresstoleranz des Pilzes habe, so die Wissenschafterin, mit großer Wahrscheinlichkeit etwas mit seiner Pathogenität zu tun. „Darüber wissen wir aber noch zu wenig. Unser Ziel ist nun, mehr über die Virulenzfaktoren des Pilzes herauszufinden.“
Zur Person Katja Sterflinger leitet das „Extremophile Center“ am Vienna Institute of Biotechnology (VIBT) der Universität für Bodenkultur Wien. Die Mikrobiologin hat sich auf die Erforschung von Pilzen und schwarzen Hefen spezialisiert und ist in diesem Bereich unter anderem eine gefragte Expertin in der Denkmalpflege.
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