Fettsäuren beeinflussen Winterschlaf
Winterschläfer haben es auch nicht leicht. Anstatt den ganzen Winter im Energiesparmodus (auch als Torpor bezeichnet) zu verbringen, müssen sie in unregelmäßigen Abständen ihre Körperfunktionen hochfahren, sich erwärmen und dabei insgesamt 80 Prozent ihrer gesamten im Winter verbrauchten Energie bereitstellen. Warum sie das tun ist ein Rätsel, doch dass die Menge an Omega-6-Fettsäure in der Nahrung dies beeinflusst ist bekannt. Ein Team um Sylvain Giroud vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien untersucht nun, wie die Tiere mit einem Zuviel oder Zuwenig an mehrfach ungesättigter Omega-6-Fettsäure umgehen – und hofft so, das Rätsel um ihr winterliches Erwärmen zu lösen.
Herzensangelegenheit
Hinter den geplanten Untersuchungen an Gartenschläfern – Nagetieren aus der Familie der Bilche – steht dabei eine handfeste Arbeitshypothese, wie Giroud erläutert: "Mehrfach ungesättigte Fettsäuren sind wichtige Bausteine für Zellmembranen. Wir vermuten, dass sie die Auswirkungen niedriger Temperaturen auf die Funktion eines membrangebundenen Proteins im Herzmuskel beeinflussen." Dieses Protein – SERCA2A genannt – ist in der Membran des sogenannten sarkoplasmatischen Retikulums eingebettet, eines Organells in der Zelle. Dort reguliert es den Kalziumhaushalt der Herzmuskelzellen, der von essenzieller Bedeutung für die Funktionsfähigkeit des Herzens ist. "Bei niedriger Temperatur", so erläutert Giroud weiter, "wird von dem Protein nichts mehr hergestellt. – Es wird aber weiterhin langsam abgebaut. Das führt dazu, dass mit der Zeit immer weniger SERCA2A vorhanden ist und die Funktionsfähigkeit des Herzens eingeschränkt werden könnte."
Aufwachen mit Herzklopfen
Somit könnten die Aufwärmphasen laut Giroud dazu dienen Körperbedingungen zu schaffen, die eine Herstellung neuen SERCA2A erlauben, und so die Herzfunktion im tiefen Torpor wieder sichern. Wenn die Hypothese des Teams nun stimmt und mehrfach ungesättigte Fettsäure die Aktivität von SERCA2A quasi ankurbelt, dann müsste ein höherer Gehalt dieser Fettsäure in der Nahrung den Tieren längere Schlafphasen erlauben. Genau das untersucht das Team um Giroud nun.
Fette Forschung
Dazu werden mehreren Gartenschläfergruppen verschiedene Nahrungssituationen geboten, die sich in der Menge der Omega-6-Fettsäure (speziell Linolsäure) unterscheiden. Der Arbeitshypothese folgend sollte dies zu verschieden langen Schlafperioden führen. Dazu Giroud: "Zunächst erwarten wir natürlich, dass ein optimaler Gehalt an Linolsäure zu deutlich selteneren Aufwärmphasen als bei jener Gruppe führt, die zu wenig dieser ungesättigten Fettsäure aufnehmen kann. Denn, stimmt unsere Hypothese, dann können diese optimal versorgten Tiere SERCA2A in der Membran des sarkoplasmatischen Retikulums aktivieren und die Herzfunktion auch bei niedrigen Körpertemperaturen optimal aufrecht erhalten."
Zuviel des Guten
Doch tatsächlich ist bekannt, dass auch ein Zuviel an Linolsäure zu häufigeren Unterbrechungen des Winterschlafs führt. So befasst sich ein weiterer Aspekt der Arbeiten von Giroud damit, diese Effekte genauer zu analysieren. "Wir vermuten hier einen oxidativen Stress durch den Abbau des Zuviels an Omega-6 mehrfach ungesättigter Fettsäure. Dieser kann sich negativ auf die SERCA2A-Aktivität auswirken und so die Tiere – genau wie bei einem Zuwenig an Omega-6 mehrfach ungesättigter Fettsäure – zu häufigeren Aufwärmphasen zwingen, in denen neues SERCA2A hergestellt werden muss." Doch gerade in diesen Aufwärmphasen würden sich dann die schädlichen Produkte des oxidativen Stresses anhäufen und so Zellschäden und Alterungsvorgänge in den Tieren beschleunigen. Ob das tatsächlich so ist, werden die Ergebnisse des Projekts zeigen. Das FWF-Projekt leistet einen wesentlichen Beitrag zur Klärung eines noch immer großen Rätsels der Physiologie. Denn, obwohl die Torpor-Erwärmungs-Zyklen vieler Tiere im Winterschlaf bestens beschrieben sind, ist wenig über die ursächlichen physiologischen Vorgänge bekannt.
Zur Person Sylvain Giroud ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Er befasst sich vor allem mit dem Energiestoffwechsel und der Ökophysiologie von Wildtieren. Nach einem Master an der Université Claude Bernard Lyon und einem PhD am Department d’Écologie, Physiologie et d’Éthologie (DEPE) der Université de Strasbourg forschte und lehrte er mehrere Jahre an der Nancy-Université (heute Université de Lorraine).
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