Holz ist eine wichtige Quelle fĂŒr alternative Energien. Doch eine zunehmende Waldnutzung hat negative Auswirkungen auf die BiodiversitĂ€t. Internationale Forschergruppen nehmen diese Entwicklungen nun unter die Lupe. © Luca Bravo/unsplash

Der Klimawandel verlangt einen möglichst schnellen Ausstieg aus fossilen EnergietrĂ€gern. Bei der Suche nach Alternativen kommt dem Wald bereits jetzt eine SchlĂŒsselrolle zu. Viele HĂ€user werden von Gasheizungen auf mit Holzpellets betriebene Heizungen umgestellt. Die Bedeutung der WĂ€lder und ihrer Nutzung wird kĂŒnftig weiter steigen, ist der Ökologe Tord SnĂ€ll von der Schwedischen UniversitĂ€t fĂŒr Agrarwissenschaften ĂŒberzeugt: „Wenn wir die gleichen Mengen produzieren wollen und eine Energiequelle wegnehmen, werden wir das woanders ersetzen mĂŒssen.“ Die Auswirkungen einer verstĂ€rkten Waldnutzung sind schwer zu prognostizieren. Sicher ist, dass eine Zunahme von intensiver Forstwirtschaft mit einer Reduktion der BiodiversitĂ€t einhergeht – mit weitreichenden Auswirkungen.

Diese komplexe Situation zu simulieren, hat sich eine internationale Kooperation von Forschungsgruppen unter Tord SnĂ€lls Koordination zum Ziel gesetzt. Mit dabei ist das Internationale Institut fĂŒr Systemanalyse (IIASA) mit Sitz in Laxenburg bei Wien, dessen Beitrag vom Wissenschaftsfonds FWF finanziert. Das Ziel ist, Prognosen in Bezug auf die Waldnutzung und ihre Auswirkungen auf BiodiversitĂ€t und menschliches Wohlbefinden fĂŒr die nĂ€chsten hundert Jahre zu erstellen.

Der Artenreichtum von KĂ€fern

Genaue Prognosen fĂŒr derart lange ZeitrĂ€ume sind mit großen Unsicherheiten behaftet. Ein möglicher Ansatz besteht darin, verschiedene Szenarien durchzuspielen und zu vergleichen. Dazu untersucht das Projektteam, wie sich die Waldnutzung verĂ€ndert, wenn das Gesamtsystem auf ganz unterschiedliche Gesichtspunkte hin optimiert wird. „Wir fragen, wie die Welt aussehen wird, wenn der Fokus auf maximalen Profit, auf grĂ¶ĂŸtmögliche BiodiversitĂ€t oder auf menschliches Wohlbefinden gelegt wird“, erklĂ€rt SnĂ€ll.

Der Artenreichtum der KĂ€fer zeigt die BiodiversitĂ€t eines Waldes an. © Susan Lewis-Penix/unsplash

Besonders wichtig ist dabei der Aspekt der BiodiversitĂ€t. Dazu griffen SnĂ€ll und sein Team auf Daten von Projektpartnern zurĂŒck, die sich mit im Wald heimischen KĂ€ferspezies beschĂ€ftigen. „Wir wussten, dass der Artenreichtum bei KĂ€fern sehr hoch ist und dass es bei unseren Partnern in Deutschland, aber auch in Norwegen und Finnland sehr gute Daten darĂŒber gibt“, berichtet der Forscher. Der Artenreichtum der KĂ€fer erlaubt es, sie als Modell fĂŒr die BiodiversitĂ€t des Waldes zu benutzen. Dabei zeigte sich, dass Forstwirtschaft die BiodiversitĂ€t eher reduziert. „Forstwirtschaft heißt in vielen FĂ€llen, WĂ€lder zu fĂ€llen und dann wieder aufzuforsten“, so SnĂ€ll. Manche KĂ€ferspezies brauchen viele Jahre, um im Wald Fuß zu fassen. Der typische Bewirtschaftungszyklus ist dafĂŒr zu kurz. Waldbewirtschaftung verursache daher einen Verlust von BiodiversitĂ€t.

BiodiversitÀt versus CO2-Reduktion?

Doch ist der Fokus auf Faktoren wie BiodiversitĂ€t bei der Waldnutzung angesichts der drĂ€ngenden Fragen der Klimakrise ĂŒberhaupt gerechtfertigt? Sollte nicht die CO2-Reduktion im Vordergrund stehen? SnĂ€ll dreht die Frage um: „Genauso gut könnte man fragen, warum wir uns nur auf die CO2-Problematik und nicht mehr auf BiodiversitĂ€t konzentrieren sollen.“ Diese beiden Dinge ließen sich nicht trennen. So seien artenreichere WĂ€lder robuster gegen SchĂ€dlinge oder Windbruch. „Inzwischen ist gut bekannt, dass BiodiversitĂ€t in einem Ökosystem auf verschiedenen Ebenen einen höheren Nutzen fĂŒr Menschen bedeutet, inklusive höherer ProduktivitĂ€t“, gibt SnĂ€ll zu bedenken. Mit höherer DiversitĂ€t von Baumsorten steige auch die BiodiversitĂ€t bei KĂ€fern.

Der Wald als WohlfĂŒhlort

BiodiversitĂ€t ist also eng mit dem Klimawandel verbunden. Doch SnĂ€ll und sein Team interessierten sich auch fĂŒr weniger offensichtliche ZusammenhĂ€nge, etwa die Frage, wie sich verschiedene Waldtypen auf das Wohlbefinden von Menschen auswirken. Letzteres ist durch eine Zusammenarbeit mit Psycholog:innen möglich, die untersuchen, welche Art von Wald Menschen als besonders erholsam wahrnehmen. Dass die Untersuchung dieses Aspekts ungewöhnlich ist, ist durchaus gewollt. „Wir waren bei der Planung sehr daran interessiert, die Arbeit auf neue Disziplinen zu erweitern“, betont SnĂ€ll. Die Untersuchungen gehören zum Bereich der sogenannten „Ecosystem Services“, Leistungen des Ökosystems, die eben nicht nur die StabilitĂ€t des Klimas und die Versorgung mit GĂŒtern inkludieren, sondern beispielsweise auch kulturelle Werte und gesundheitliche Effekte.

Ein globales Modell

All diese Aspekte lassen sich von den Partnerorganisationen in Deutschland, Norwegen, Schweden und Finnland auf nationaler Ebene simulieren. „Auf der Ebene von Staaten gibt es sehr detaillierte Modelle, die von den großen Forstwirtschaftsunternehmen fĂŒr ihre praktische Arbeit verwendet werden“, erklĂ€rt SnĂ€ll. FĂŒr weltweite Skalen ist der österreichische Projektpartner IIASA unter Leitung des Mathematikers und Ökonomen Nicklas Forsell zustĂ€ndig. Mit seinem Team hat er ein globales Landnutzungsmodell namens GLOBIOM entwickelt.

„Dazu wird der Planet in Pixel unterteilt und auf dieser Ebene die Dynamik des Waldes modelliert. Parallel dazu wird simuliert, wie die Gesellschaft sich wirtschaftlich verĂ€ndert“, erlĂ€utert SnĂ€ll. Mit der Simulationsumgebung GLOBIOM sollen also nationale Waldnutzungsmodelle unter einen Hut gebracht werden. Im Fall von SnĂ€lls Heimatland Schweden bedeutet das etwa, dass GLOBIOM eine bestimmte Menge an Holz berechnet, die Schweden zur Deckung steigender globaler Nachfrage liefern soll, und auf staatlicher Ebene wird untersucht, wie diese Menge erbracht werden kann. Als NĂ€chstes werden in dem noch bis Ende des Jahres laufenden Projekt die Simulationen auf globaler Ebene in Angriff genommen.

Zur Person

Tord SnĂ€ll ist Ökologe an der Schwedischen UniversitĂ€t fĂŒr Agrarwissenschaften (SLU) in Uppsala. Er interessiert sich fĂŒr die ZusammenhĂ€nge von Waldnutzung und BiodiversitĂ€t im Hinblick auf den Klimawandel und „Ecosystem Services“. Das internationale Projekt BIOESSHEALTH startete 2019 und lĂ€uft noch bis Ende 2022. Die Arbeit des IIASA wurde vom Wissenschaftsfonds FWF mit 86.000 Euro finanziert.

Publikationen

Functional structure of European forest beetle communities is enhanced by rare species, in: Biological Conservation 2022

Choosy beetles: How host trees and southern boreal forest naturalness may determine dead wood beetle communities, in: Forest Ecology and Management 2021

Traits mediate niches and co-occurrences of forest beetles in ways that differ among bioclimatic regions, in: Journal of Biogeography 2021