Ist Depression vererbbar?
ZellulĂ€re und molekulare VorgĂ€nge, die bei Ungeborenen eine Veranlagung fĂŒr Depressionen schaffen, sind Thema eines neuen FWF-Projekts. © Dr. Deeba Khan, MUW 2014

Der Gedanke ist erschreckend – doch die wissenschaftlichen Hinweise sind eindeutig: EinflĂŒsse, denen eine Mutter in der Schwangerschaft ausgesetzt ist, können sich auf die psychische Entwicklung des Kindes negativ auswirken. TatsĂ€chlich gilt es als gesichert, dass Schizophrenie und Autismus bei Kindern durch Infektionskrankheiten schwangerer MĂŒtter verursacht werden können. Ob dies auch fĂŒr Depressionen gilt, untersucht nun Daniela Pollak-Monje Quiroga am Department fĂŒr Neurophysiologie und Neuropharmakologie der Medizinischen UniversitĂ€t Wien in einem dreijĂ€hrigen Projekt des Wissenschaftsfonds FWF.

Maus & Mensch

Das erste Ziel ihrer Arbeit an MĂ€usen, die hier als Modellorganismus dienen, ist es festzustellen, ob depressionsartiges Verhalten im spĂ€teren Leben der Kinder tatsĂ€chlich durch Immunreaktionen wĂ€hrend der Schwangerschaft hervorgerufen werden kann. Ihre weiteren Ziele erlĂ€utert Pollak-Monje Quiroga so: "Uns interessiert auch, ob eine solche Immunantwort mit einer verĂ€nderten Hirnentwicklung zusammenhĂ€ngt und ob das auf mangelnder Wirkung eines speziellen Wachstumsfaktors beruht. ZusĂ€tzlich analysieren wir strukturelle, anatomische, molekulare und funktionelle VerĂ€nderungen des Gehirns." Die Arbeit von Pollak-Monje Quiroga ist dabei sowohl von großer gesellschaftlicher als auch wissenschaftlicher Bedeutung. TatsĂ€chlich zĂ€hlen GemĂŒtserkrankungen wie Depressionen zu den hĂ€ufigsten und schwersten psychischen Problemen – doch ĂŒber die verantwortlichen zellulĂ€ren und molekularen VorgĂ€nge weiß man noch immer sehr wenig. FĂŒr Pollak-Monje Quiroga ist dies auch einer der GrĂŒnde weswegen fĂŒr Diagnose und Behandlung solcher Erkrankungen nur eingeschrĂ€nkte Möglichkeiten zur VerfĂŒgung stehen: "Es gibt fĂŒr Depressionen kein klinisch objektives Diagnoseinstrument. Wir sind auf das gemeinsame Auftreten verschiedener Symptome als Kriterium angewiesen. Ähnlich steht es um die Behandlung – noch immer werden Substanzen eingesetzt, die auf sogenannte Monoamine, also spezielle Neurotransmitter, wirken. Deren Wirkung wurde vor ĂŒber 50 Jahren rein zufĂ€llig entdeckt, setzt therapeutisch langsam ein und ist von schweren Nebenwirkungen begleitet bzw. ist bei einem großen Anteil der Patienten und Patientinnen völlig unwirksam."

Um einen Beitrag zur Verbesserung dieser Situation zu leisten, wird sie sich in den nĂ€chsten drei Jahren mit den zellulĂ€ren und molekularen VorgĂ€ngen befassen, die zu Depressionen fĂŒhren können. Doch sie geht noch einen Schritt weiter: "Wir werden uns auch genetische Aspekte anschauen. Es kann sein, dass bestimmte genetische Voraussetzungen dazu beitragen, dass mĂŒtterliche Immunantworten in der Schwangerschaft zu einer spĂ€teren höheren Veranlagung zu Depressionen fĂŒhren. Das werden wir klĂ€ren."

Nervensache

Ihrer Arbeit liegt dabei die Annahme zugrunde, dass die Neurogenese – also die Bildung von Nervenzellen – im Hippocampus von Erwachsenen einen Einfluss auf die Entstehung von Depressionen hat. TatsĂ€chlich folgt die Neubildung in diesem Alter dem exakten Muster wĂ€hrend der embryonalen Entwicklung – was Pollak-Monje Quiroga zu der Überlegung fĂŒhrte, dass eventuell bereits wĂ€hrend dieser embryonalen Neurogenese die Weichen fĂŒr spĂ€tere Depressionen gestellt werden könnten. Eine Überlegung, die nun untersucht wird. Insgesamt ist dieses vom FWF ĂŒber drei Jahre unterstĂŒtzte Projekt die erste umfassende Untersuchung zur Wirkung mĂŒtterlicher Infektionen wĂ€hrend der Schwangerschaft auf die Entwicklung von Depressionen im spĂ€teren Leben. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse werden sowohl fĂŒr die neurowissenschaftliche Grundlagenforschung als auch fĂŒr die Identifizierung neuer Behandlungsmöglichkeiten von unschĂ€tzbarem Wert sein.

Zur Person

Die Neurowissenschafterin Daniela Pollak-Monje Quiroga ist Professorin am Institut fĂŒr Neurophysiologie und Neuropharmakologie der Medizinischen UniversitĂ€t Wien. 2011 habilitierte Pollak-Monje-Quiroga in „Physiologie“. Sie untersucht, wie psychische Erkrankungen mit molekularen Mechanismen zusammen hĂ€ngen. Pollak-Monje-Quiroga wurde 2013 vom FWF unter die 35 herausragendsten WissenschafterInnen Österreichs unter 35 Jahren gewĂ€hlt.