Todeszonen im Wasser
Dieser zweistufige Prozess der âNitrifikationâ hat immense ökologische Bedeutung. Nitrat wird besonders leicht aus dem Boden ausgeschwemmt und so geht mehr als die HĂ€lfte des DĂŒngemittels verloren und fĂŒhrt zur Stickstoffbelastung von Grundwasser, FlĂŒssen, Seen und Meeren. Die ĂberdĂŒngung der GewĂ€sser lĂ€sst diese âkippenâ. âIm Golf von Mexiko, wo groĂe Bereiche der USA durch den Mississippi und den Atchafalaya entwĂ€ssert werden, gibt es riesige sogenannte Todeszonen, in denen durch ĂberdĂŒngung Algen explosionsartig wachsen, die wiederum von Bakterien abgebaut werden, die dabei den Sauerstoff verbrauchen, weshalb kein höheres Leben mehr existieren kannâ, nennt Wagner ein Beispiel fĂŒr diese Dynamik.
Problem Lachgas
Die StickstoffdĂŒngung verursacht ein weiteres Problem: Bei der Nitrifikation setzen die Mikroben Lachgas frei, ein Treibhausgas, das 300-mal stĂ€rker wirkt als Kohlendioxid und die Ozonschicht zerstört. So problematisch diese nitrifizierenden Mikroben in der Landwirtschaft sind, in KlĂ€ranlagen spielen sie eine wichtige Rolle in der Reinigung von Abwasser, indem sie zusammen mit sogenannten denitrifizierenden Bakterien das Ammonium aus dem Abwasser in einem arbeitsteiligen Prozess in Luftstickstoff umwandeln. Doch gerade unter sauerstoffarmen Bedingungen, wie sie in KlĂ€ranlagen, aber auch gedĂŒngten Böden nach NiederschlĂ€gen vorkommen, wird besonders viel Lachgas freigesetzt. Mikrobiologen fragen sich darum schon lange, ob es vielleicht Nitrifikanten gibt, die weniger Lachgas freisetzen und ob man deren Wachstum in solchen Systemen gezielt fördern kann.
âComammoxâ â ein wissenschaftlicher Durchbruch
An der Erforschung neuer Nitrifikanten arbeitete die Forschungsgruppe um Wagner als ihnen 2015 in Zusammenarbeit mit Holger Daims von der UniversitĂ€t Wien ein weiterer wissenschaftlicher Durchbruch gelang: Sie entdeckten âComammoxâ-Bakterien (complete ammonia oxidizers). Es handelt sich um besonders effiziente Nitrifikanten, die Ammonium ganz alleine, ohne mikrobiellen Partner, zu Nitrat umwandeln. Ein Clou dabei: Es entstehen nur geringe Mengen an Lachgas. âEin grĂŒner Nitrifikant sozusagenâ, lacht Wagner. Die Wiener sind weltweit bisher die einzigen, die âComammoxâ im Labor zĂŒchten können. Sie forschen nun an den Wachstumsbedingungen dieser Bakterienart. Die Zukunftsvision ist, auf Basis dieser Erkenntnisse das Wachstum von Comammox in der Umwelt gezielt zu fördern, um so neue umweltfreundlichere AnsĂ€tze in der Praxis der Landwirtschaft, in KlĂ€ranlangen und der Trinkwasseraufbereitung zu entwickeln.
PrÀgendes Kindheitserlebnis
Das Studium der Biologie war fĂŒr den heute 54-JĂ€hrigen eine Bauchentscheidung, interessierte er sich doch schon immer fĂŒr die Vielfalt des Lebens. Der Weg in die Mikrobiologie war nicht geplant, vielleicht aber unbewusst gesteuert durch Kindheitserfahrungen, die ihn sehr geprĂ€gt haben. Als er sieben Jahre alt ist, erkrankt seine Mutter plötzlich und unerwartet an einer Gehirninfektion durch einen unbekannten Krankheitserreger. Damit Ă€ndert sich das Leben der Familie von einem Tag auf den anderen radikal. âDie Frage an welcher Krankheit meine Mutter litt und wie sie wohl am besten zu behandeln wĂ€re, hat unser Leben ĂŒber viele Jahre begleitetâ, erinnert sich der vierfache Vater. âVielleicht ist es darum nicht ganz zufĂ€llig, dass ich heute Methoden zur Identifizierung und Funktionsuntersuchung unbekannter Mikroben entwickleâ, sieht er hier einen Zusammenhang.
Vom âgallischen Dorfâ zur Weltklasse
Nach seinem Studium der Biologie an der TU MĂŒnchen, verbringt der junge Postdoc zunĂ€chst ein Forschungsjahr an der US-amerikanischen Northwestern University in Evanston, kehrt an die MĂŒnchner Technische UniversitĂ€t zurĂŒck, wo er sich habilitiert und Assoziierter Professor wird. 2003 folgt er einem Ruf nach Wien und wird Professor fĂŒr Mikrobielle Ăkologie an der UniversitĂ€t Wien. Mit ihm kommen Holger Daims, Matthias Horn und etwas spĂ€ter dann Alexander Loy, ehemalige Doktoranden seines Teams, heute hoch ausgezeichnete Wissenschaftler. âWir sind zusammen in einem BĂŒro gesessen und haben die neue Abteilung geplantâ, erinnert er sich an die AnfĂ€nge. âWir waren das kleine gallische Dorf, das schweiĂt zusammen.â Diesen Zusammenhalt sieht man auch auf dem Foto, das bei der Feier zur Verleihung des Wittgenstein-Preises 2019 gemacht wurde, wo ihn seine Kollegen buchstĂ€blich hochleben lassen: âDie anderen freuen sich von Herzen mit mir mit. Das ist das Schönste.â Heute zĂ€hlt das âgallische Dorfâ ca. 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus insgesamt 29 LĂ€ndern, 15 davon sind Projektleiterinnen und Projektleiter und sechs davon haben einen der hoch begehrten ERC-Grants des EuropĂ€ischen Forschungsrats erhalten.