Schmerzfreie Therapie bei Sehnenerkrankungen

Sehnenerkrankungen haben sich schon oft als wunder Punkt in einer Sportlerkarriere erwiesen. Dabei muss gar keine akute Verletzung dahinterstecken. Bereits falsche oder zu starke Belastungen können auf Dauer zu Problemen fĂŒhren. Typische Erkrankungen sind hier sogenannte Tendinopathien (lat. tendo âSehneâ und griech. pathos âErkrankungâ). Diese nichtentzĂŒndlichen Sehnenerkrankungen entstehen beispielsweise, wenn der Trainingsstil oder gewohnte Bewegungsmuster verĂ€ndert werden. Dazu muss man gar keinen Profisport betreiben: Bereits ein zu lange gebrauchter und abgenutzter Laufschuh kann mit der Zeit beispielsweise zu einer Tendinopathie der Achillessehne fĂŒhren.
Die Sehnenerkrankungen sind ein Forschungsgebiet von Florian Rieder, der aktuell im Bereich der physikalischen Medizin und Rehabilitation am Uniklinikum Salzburg tĂ€tig ist. In den vergangenen Jahren hat er sich in dem kĂŒrzlich abgeschlossenen FWF-Projekt âGood Vibrationsâ mit Erkrankungen der Patellasehne beschĂ€ftigt, die die Kniescheibe mit dem Schienbeinansatz am Unterschenkel verbindet. Patellartendinopathien, die etwa bei professionellen Volley- oder Basketballspielenden typisch sind, lösen bei den Patientinnen und Patienten starke Knieschmerzen aus. Dazu kommt, dass auch die bisherige Standardtherapie Ă€uĂert schmerzvoll sein kann. Rieder hat deshalb untersucht, wie wirkungsvoll ein neuerer Therapieansatz, eine Form des Vibrationstrainings, fĂŒr die Behandlung dieser Erkrankungen ist.
Fehlerhafter Gewebeaufbau
âDie Patellasehne ist fĂŒr die KraftĂŒbertragung zwischen Ober- und Unterschenkel zustĂ€ndig. Sie speichert beim Anspannen Energie, die beim Entlasten wieder abgegeben wird â Ă€hnlich einem Gummiband. Und sie fungiert als DĂ€mpfung bei stoĂartigen Bewegungenâ, fasst Rieder zusammen. Doch bei Ăberlastungen kann es dazu kommen, dass die Sehne degeneriert. âDie Reparaturprozesse des Körpers werden unterbrochen, der Gewebeaufbau ist fehlerhaftâ, erklĂ€rt der Sportwissenschaftler. Eine gut etablierte Therapiemethode sind spezielle Krafttrainings. Patientinnen und Patienten fĂŒhren dabei immer wieder langsame Bewegungen mit schweren Gewichten aus. Diese Belastungen sorgen dafĂŒr, dass die körpereigenen Reparaturmechanismen wieder aufgenommen werden. Der Ansatz ist wirkungsvoll, aber oft auch sehr schmerzhaft und deshalb fĂŒr viele Personen ungeeignet.
Bereits in seiner 2016 abgeschlossenen Dissertation an der UniversitĂ€t Salzburg hat sich der Sportwissenschaftler mit der Vibrationstherapie beschĂ€ftigt. Dabei positioniert man sich auf einer vibrierenden Platte, die etwa 30 Mal pro Sekunde schwingt. Rieder konnte damals erste Auswirkungen auf die Patellasehnen beschreiben. âIch konnte zeigen, dass bei gesunden Personen ein Aufbauprozess in Gang gesetzt wird. Der Sehnenquerschnitt hat sich signifikant vergröĂertâ, erklĂ€rt er. Auf dieser Arbeit baut das FWF-Projekt auf, das Rieder mit seinem Kollegen Hans-Peter Wiesinger vom InterfakultĂ€ren Fachbereich fĂŒr Sport- und Bewegungswissenschaft der UniversitĂ€t Salzburg umsetzte. âEs war ein sehr interdisziplinĂ€res Projekt, in das Forschende der Uni Salzburg und der Uniklinik Salzburg â hier vor allem aus dem Bereich der physikalischen Medizin und der Radiologie â viel zusĂ€tzliche Arbeit investiertenâ, betont Rieder.
Studie mit 60 Probandinnen und Probanden
Ăhnlich wie beim Krafttraining fĂŒhrt auch die Vibrationstherapie dazu, dass Muskeln angespannt und entspannt und die Sehnen wechselnden ZugkrĂ€ften ausgesetzt werden. IntensitĂ€t und Frequenz unterscheiden sich aber grundsĂ€tzlich. âDie Frage war nun, welche Effekte bei dieser schmerzfreien Alternative nachweisbar sindâ, sagt Rieder. Die Forschenden rekrutierten fĂŒr die Studie insgesamt etwa 60 Probandinnen und Probanden, die sie in drei Gruppen teilten: In der ersten Gruppe wurden die Patientinnen und Patienten drei Monate lange drei Mal pro Woche mit der Vibrationstherapie behandelt, in der zweiten stand Krafttraining am Programm. Angehörige der dritten Gruppe harrten dagegen ohne Therapie aus. Sie ermöglichten den Vergleich zu Erkrankten, bei denen vorerst keine Behandlung erfolgt.
In einer Nebenstudie stellten die Forschenden zuerst die Frage in den Fokus, wie sich eine gesunde von einer kranken Sehne mechanisch unterscheidet. âDie Untersuchungen ergaben, dass kranke Sehnen im Vergleich deutlich verdickt sind. Mit dem Querschnitt nimmt allerdings nicht ihre Steifheit zu â was beim Training von gesunden Sehnen der Fall ist. Im Gegenteil, sie weist sogar geringere Werte aufâ, erklĂ€rt Rieder. âDamit könnte sich das Verletzungsrisiko erhöhen.â
Direkter Therapievergleich
Der Vergleich der Trainingsmethoden ergab schlieĂlich, dass sowohl in der Krafttrainings- als auch in der Vibrationsgruppe klinisch relevante VerĂ€nderungen zu verzeichnen waren. âDie Verbesserungen betreffen sowohl den Maximalschmerz als auch funktionelle EinschrĂ€nkungenâ, sagt der Sportwissenschaftler. âDie Patientinnen und Patienten hatten also weniger intensive Schmerzen und konnten sich wieder besser bewegen.â Der direkte Vergleich der AnsĂ€tze zeigte aber auch Unterschiede. âWĂ€hrend beide Therapieformen eine Ă€hnlich gute Reduktion des Maximalschmerzes erzielen konnten, war das konventionelle Krafttraining bei den funktionellen EinschrĂ€nkungen etwas wirkungsvollerâ, erklĂ€rt Rieder. In allen FĂ€llen waren die Therapieerfolge dauerhaft, wie eine Kontrolluntersuchung nach sechs Monaten ergab.
Doch auch wenn die EffektivitĂ€t der Vibrationstherapie leicht hinter dem Krafttraining zurĂŒckbleibt, bestĂ€tigt die Studie fĂŒr Rieder, dass sie in vielen FĂ€llen eine gute Alternative ist. âEs gibt Patientengruppen, fĂŒr die das schmerzhafte Krafttraining nicht infrage kommt. Dazu zĂ€hlen Sportlerinnen und Sportler, die wĂ€hrend ihres Trainings keine zusĂ€tzlichen KraftĂŒbungen unterbringen können, oder auch Ă€ltere Menschen, die mit den Schmerzen nicht zurechtkommen. FĂŒr sie ist es auf jeden Fall zielfĂŒhrend, die Vibrationstherapie zu versuchen.â
Zur Person
Florian Rieder schloss 2016 sein Doktoratsstudium der Sportwissenschaften an der UniversitĂ€t Salzburg ab. In den darauffolgenden Jahren war er sowohl am InterfakultĂ€ren Fachbereich fĂŒr Sport- und Bewegungswissenschaft der UniversitĂ€t Salzburg als auch an der Einheit fĂŒr Physikalische Medizin und Rehabilitation am Uniklinikum Salzburg tĂ€tig. Seit 2020 ist er am Uniklinikum im vollen Umfang als Sportwissenschaftler und Trainingstherapeut tĂ€tig. Das von Rieder geleitete Projekt âGood Vibrations: EffektivitĂ€t von Vibrationstraining zur Behandlung von Tendinopathieâ wurde vom Wissenschaftsfonds FWF mit 270.000 Euro gefördert.
Publikationen
Wiesinger HP, Seynnes OR, Kösters A, MĂŒller E, Rieder F: Mechanical and Material Tendon Properties in Patients With Proximal Patellar Tendinopathy, in: Frontiers in Physiology 2020
Wiesinger HP, Rieder F, Kösters A, MĂŒller E, Seynnes OR: Sport-specific capacity to use elastic energy in the patellar and Achilles tendons of elite athletes, in: Frontiers in Physiology 2017
Rieder F, Wiesinger HP, Kösters A, MĂŒller E, Seynnes OR: Whole-body vibration training induces hypertrophy of the human patellar tendon, in: Scandinavian Journal of Medicine and Science in Sports 2016
Rieder F, Wiesinger HP, Kösters A, MĂŒller E, Seynnes OR: Immediate effects of whole body vibration on patellar tendon properties and knee extension torque, in: European Journal of Applied Physiology 2016