Die Schrödinger-Stipendiatin Bettina Baumgartner erforscht in Utrecht, wie sich die Fotosynthese nach dem Vorbild der Natur chemisch umsetzen und nützen lässt. © privat

Gemeinsam mit Kolleg:innen habe ich gerne gescherzt und mich gefragt, wie viel grüner das Gras an Unis ist, an denen weltbekannte Professor:innen forschen und die in Rankings besser abschneiden. Mit meinem Schrödinger-Stipendium wollte ich das herausfinden. – So viel vorab, es ist wirklich wunderbar grün im niederschlagsreichen Holland.

Den Grundstein für die Forschungsfrage, die ich während meines wissenschaftlichen Aufenthalts in Utrecht beantworten will, legte ich noch in Wien. Ich begann Materialien herzustellen, die ähnliche Bausteine beinhalten, wie Pflanzen sie für die Fotosynthese nutzen. Während Pflanzen verwelken, sind diese Materialien über lange Zeit stabil. An der Universität Utrecht beforsche ich die Umsetzung von CO2 mithilfe dieser „künstlichen Pflanzen“ und von Licht. Zu diesem Zweck setze ich spektroskopische Techniken ein, die es erlauben, die erzeugten Chemikalien zu unterscheiden und auch ihre Menge während der Fotoreaktion zu bestimmen. Das Sammeln dieser Informationen bis in den Mikrosekundenbereich (zum Vergleich: Ein Augenzwinkern dauert etwa 300.000 Mikrosekunden) ermöglicht es, den Reaktionsmechanismus zu verstehen und darauf aufbauend effizientere Materialien zur Umwandlung von Kohlendioxyd zu entwickeln.

Chemische Reaktionen in Echtzeit verfolgen

Mit dieser Idee kontaktierte ich Bert Weckhuysen an der Uni Utrecht, der zu den Pionier:innen in der Operando (lateinisch für arbeitend) Spektroskopie zählt. Dabei handelt es sich um analytische Methoden, die dazu dienen, chemische Reaktionen zu untersuchen, während sie passieren. Das hat den Vorteil, dass man nicht nur die Produkte nach Abschluss der Reaktion feststellen kann, sondern auch Einblicke in Zwischenprodukte und den generellen Ablauf der Reaktion erhält. Das sind wichtige Erkenntnisse, um chemische Reaktionen, wie z. B. die Umsetzung von CO2 oder von Biomasse zu chemischen Grundstoffen, effizienter zu machen. Solche Untersuchungen umfassen oft mehrere analytische Techniken und die einzeln gewonnen Erkenntnisse müssen erst zusammengeführt und in den Kontext gesetzt werden. Das ist die Forschungsarbeit, die mir am meisten Spaß bereitet – das Lösen dieser chemischen Sudokus!

Hightech-Ausstattung für chemische Rätsel

Die Anzahl der Startzahlen im Sudoku und somit die Schwierigkeit des chemischen Rätsels hängt oft von der Verfügbarkeit von (meist teuren) Messgeräten ab. An diesem Punkt zeigt sich, dass das Gras hier auch in der Forschung etwas grüner ist, um bei meinem Bild zu bleiben: Ich habe Zugang zu sehr speziellen Geräten und lerne deshalb auch viele neue Techniken kennen. Zusammenarbeit hat hier einen großen Stellenwert. Ich schätze die Diskussionen mit der Vielzahl an Kolleg:innen, die –ungeachtet „hierarchischer Stufen“ oder des Geschlechts – immer auf Augenhöhe stattfinden und oft zu spannenden gemeinsamen Forschungsprojekten führen. Freude bereitet mir auch, dass ich mein mitgebrachtes Wissen gut einsetzen und an Doktorand:innen weitergeben kann.

Wien–Utrecht: die kulturellen Unterschiede

Die Niederländer:innen sind offen und ich wurde sehr herzlich von den Gruppenmitgliedern aufgenommen, was die Trennung von der alten Heimat deutlich leichter machte. Die knapp 900 Kilometer Distanz machen sich allerdings nicht nur durch seltenere Besuche zu Hause bemerkbar, sondern auch in kulturellen Unterschieden: Während man in Wien die Standardantwort „Schau ma mal“ (und eine damit oft verbundene geringe Reaktion) oder vages Feedback („Eh nicht schlecht“) bekommt, haben die Niederländer:innen eine engagierte, strukturierte und direkte Herangehensweise. Insgesamt fällt mein Resümee als Schrödinger-Stipendiatin durch und durch positiv aus. Mein Aufenthalt in Utrecht hat mich in wissenschaftlicher, aber auch persönlicher Hinsicht sehr bereichert. Und meine These hat sich bestätigt: Das Gras ist betörend grün in der Topforschung.

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