Schrödinger-Stipendiat Philipp Honegger erkundet seine Gaststätte Boston und geht auch neue Wege in seinem Forschungsfeld der Biochemie. © privat

Die ersten Ideen für mein Schrödinger-Projekt kamen mir als Chemiker während meiner Masterarbeit in einem Labor der Universität Wien: Wie viele unserer Arbeitsschritte kann man mit geeigneten Programmen und Maschinen automatisieren? Diese anfangs vagen Überlegungen verdichteten sich während meiner Doktorarbeit in Zusammenarbeit mit der Fakultät für Informatik zu der Frage: Was wäre, wenn man Konzepte der synthetischen Chemie, der Graphalgorithmen und der künstlichen Intelligenz miteinander verbindet? So entstand inmitten der Eskalation der Coronakrise mein Forschungsvorhaben für das Ausland, das die internationalen Gutachter:innen überzeugen konnte.

Die Vereinigten Staaten in Zeiten von Corona

Im April 2021 war es dann endlich so weit: Alle Visaformalitäten konnten geregelt werden und die Einreise in die USA war dank Ausnahmegenehmigung inmitten der Covid-19-Pandemie möglich. Überwältigt war ich von der allgegenwärtigen Freundlichkeit der Einheimischen, egal ob am Flughafen, in den Geschäften, an der Universität oder in den Behörden; besonders Neuankömmlinge werden zuvorkommend behandelt und so wurde Boston schnell zu meiner zweiten Heimat.

Leider hielten sich die Möglichkeiten, das Land kennenzulernen, zunächst in Grenzen. Die Sicherheit der Bevölkerung wird im Bundesstaat Massachusetts besonders ernst genommen. Forschungsarbeit, die nicht im Labor verrichtet werden muss, wird von daheim erledigt, die Maskenpflicht wird befolgt und Impfangebote erfreuen sich großer Nachfrage.

Anything that, in happening, causes itself to happen again, happens again.

Dieses Zitat von Douglas Adams („Per Anhalter durch die Galaxis“) steht im Zusammenhang mit meiner Forschungsarbeit; diese befasst sich mit dem Phänomen der Autokatalyse. Hierbei geht es um Moleküle, die in der Lage sind, aus geeigneten Ausgangsmaterialien Kopien von sich selbst anzufertigen. Solche nichtlebenden Objekte, die sich von selbst vermehren können, sind insbesondere in der Frage nach dem Ursprung des Lebens interessant. Basierend auf der aktuellen Forschungsliteratur ging ich zunächst davon aus, dass diese Art der Selbstvermehrung in der Chemie ausgesprochen selten vorkommt und mit speziellen Algorithmen gefunden werden muss. Tatsächlich aber gewinnen wir mit jedem neuen Forschungsergebnis den Eindruck, dass Selbstkopierfähigkeit in Wirklichkeit ein ausgesprochen allgemeines Phänomen der Chemie ist.

Im Laufe unserer Arbeit in Boston konnten wir mehr und mehr Professor:innen anderer Arbeitsgruppen und Universitäten für unser Projekt gewinnen. Zusammenarbeit wird hier großgeschrieben, egal ob im spontanen persönlichen Gespräch oder im Rahmen einer wissenschaftlichen Konferenz. Die Hierarchien sind erstaunlich flach und selbst renommierte Wissenschaftler:innen sprechen mit angehenden Forschenden auf Augenhöhe. Einzig die Qualität der Forschungsideen zählt, egal ob als Spezialist im eigenen Forschungsgebiet oder als Außenseiter in anderen Feldern, wie das bei mir im maschinellen Lernen der Fall ist.

Wissenschaft und Wirtschaft kooperieren eng

Eine weitere Besonderheit der Universitäten in den USA ist die enge Zusammenarbeit mit der Wirtschaft. Auch unser Forschungsprojekt der selbstvermehrenden Moleküle ist da keine Ausnahme, bietet es doch die Möglichkeit, teure Zusätze zu sparen und generell Chemikalien nachhaltiger zu produzieren. Dementsprechend viele Forscher:innen planen parallel die Gründung ihrer eigenen Start-ups, was von den Universitäten grundsätzlich geduldet, sogar unterstützt wird.

Ich bin dem Wissenschaftsfonds FWF dankbar für die Gelegenheit, diese Forschung in einem internationalen Leuchtturm der Wissenschaft ausüben zu können. Und ich weiß bereits jetzt, dass ich dieses Land vermissen werde, wenn ich kommendes Jahr an die Universität Wien zurückkehre, um das Projekt abzuschließen.