Boston University
Lieblingsblick von der Boston University Bridge auf dem täglichen Weg zum Büro. © Robert Baumgartner (alle)

Je nach Einfallsrichtung des Schallsignals verändert die Ohrmuschel das Klangspektrum, bevor der Schall das Trommelfell erreicht. Da die Ohrmuschel sehr individuell geformt ist – mehr noch als ein Fingerabdruck –, ist auch deren Klangfärbung sehr individuell. Für die künstliche Erzeugung realistischer Hörwahrnehmungen muss diese Individualität möglichst präzise abgebildet werden. In meinem Schrödinger-Projekt habe ich deshalb nach elektrophysiologischen Maßen geforscht, die abbilden können, wie realistisch eine virtuelle Quelle empfunden wird. Da artifizielle Quellen vorzugsweise im Kopf wahrgenommen werden, eignete sich die Untersuchung dieser Klangspektren zugleich zur Erforschung eines Verhaltensphänomens: Schallereignisse, die sich dem Hörer bei gleichbleibender Lautheit annähern, werden intensiver wahrgenommen als jene, die sich bei sonst identischen Klangeigenschaften vom Hörer entfernen.

Im Eldorado für Hörforschung

Das Hearing Research Center der Boston University vereint etwa 20 Lehrstühle von unterschiedlichen Fakultäten und ist eng mit Instituten der Harvard Medical School und des Massachusetts Institute of Technology vernetzt. Um in diesem Umfeld einmal Forschungserfahrung sammeln zu können, habe ich mich an meiner Heimatinstitution, dem Institut für Schallforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, bereits während der Dissertation auf den Aufenthalt vorbereitet. Dort angekommen galt es sich jedoch in den ersten Monaten erst einmal zu beweisen, bevor ein sehr intensives, fruchtbares, und persönliches Betreuungsverhältnis entstand. Verblüffend hierarchisch organisiert waren zum Teil die internen Strukturen. Labor- und Büroräumlichkeiten hätten unterschiedlicher kaum sein können und reichten von kleinen, verstaubten Kammern ohne Fenster bis hin zu modernsten Büroflächen mit Fernblick über die Stadt.

Einblicke in das Leben junger Amerikaner

Die Mietpreise in Boston sind hoch, sehr hoch, und so kann sich kaum jemand unter 30 eine eigene Wohnung leisten. Ein zweistöckiges Holzhaus in Cambridge Port beherbergte somit neben fünf waschechten Amerikanern noch meine Frau, mich und unseren Pudel. Meiner Frau wurde der Start leider etwas erschwert, weil sie drei Monate auf eine Arbeitserlaubnis warten musste, um die man erst mit amerikanischem Wohnsitz ansuchen kann. Zum Glück entstanden durch das enge Zusammenleben in der Wohngemeinschaft innerhalb kürzester Zeit innigste Freundschaften, die den Alltag versüßten. Wir haben gemeinsame Reisen unternommen und sind überaus gastfreundschaftlich zu Familienfesten mit obligatorischem Truthahnbraten eingeladen worden. Betrüblich stimmte hingegen oftmals der Umgang mit Alkohol; viel zu häufig wird er in isolierter Umgebung missbraucht, um dem allgegenwärtigen Leistungsdruck zu begegnen.

Das Leben danach

Die lebendige Forschungslandschaft in Boston zieht natürlich viele internationale Nachwuchsforscherinnen und -forscher an. Das bereichert den wissenschaftlichen und auch kulturellen Austausch ungemein und ermöglichte mir nicht nur innerhalb der Gastinstitution Netzwerke aufzubauen, sondern auch in anderen Forschungseinrichtungen und Firmen. Dank der Rückkehrphase des Stipendiums konnten diese Netzwerke wie auch die gemeinsamen Forschungsideen aufrechterhalten und unmittelbar weiter verfolgt werden. Das Jahr in Boston war sowohl beruflich wie auch privat eine wahre Bereicherung für alle Beteiligten. Ein herzliches Dankeschön gilt Piotr Majdak für die hervorragende Unterstützung im Vorfeld, Barbara Shinn-Cunningham und H. Steven Colburn für die exzellente Betreuung in Boston – und zu guter Letzt dem Wissenschaftsfonds FWF für die Finanzierung und vorbildliche Organisation!