Isabell Piantschitsch erforscht am Physikinstitut der Universität der Balearischen Inseln (UIB) in Palma de Mallorca die äußerste Schicht der Sonnenatmosphäre. © privat

Vielleicht ist der faustische Wunsch, „dass ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält“, schon etwas abgenutzt in der langen Liste von Goethe-Zitaten. Dennoch beschreibt er genau meinen aufgeregten und neugierigen Zustand als Schülerin kurz vor der Entscheidung, welches Studium wohl das geeignetste wäre, um an der Beantwortung der ganz großen Fragen mitzuwirken. Angetan hatte es mir zunächst die Mathematik, die als Formalwissenschaft und eine Art universelle Wissenschaftssprache zwar abstrakte, aber äußerst umfangreiche und allgemein gültige Antworten versprach.

So faszinierend die Mathematik auch ist, stellte sich bald heraus, dass es damit nicht getan ist, wenn man größere Zusammenhänge auch zwischen den unterschiedlichen Disziplinen verstehen möchte. Deshalb wurde neben der Mathematik auch mein Interesse für die Physik und die Philosophie geweckt. Nachdem ich mein Studium in Mathematik abgeschlossen hatte, widmete ich mich im anschließenden Doktoratsstudium also der Astrophysik mit dem Spezialgebiet Sonnenphysik.

Wissenschaftlicher Austausch

Schon sehr früh während des Doktorats entwickelten sich Möglichkeiten zu Kooperationen mit verschiedenen Sonnenphysiker:innen in ganz Europa. Diese führten auch dazu, mich für ein Schrödinger-Stipendium in Palma de Mallorca zu bewerben und meine eigenen Forschungsideen an der dortigen Universität weiterzuverfolgen.

Dieser Auslandsaufenthalt rückt mein zusätzliches Philosophiestudium, das ich an der Universität Graz absolviere, gerade etwas in den Hintergrund. Allerdings bringt mir die wissenschaftliche Tätigkeit in Spanien viel Inspiration und neue Ideen, die definitiv in meine Philosophie-Masterarbeit zum Thema der epistemischen Rolle von Deep Learning in den Naturwissenschaften einfließen werden. Generell sind mir Interdisziplinarität im wissenschaftlichen Diskurs und das Vermitteln zwischen Natur- und Geisteswissenschaften ein großes Anliegen. Das Schrödinger-Stipendium ist auch deshalb so einzigartig, weil es eine großartige Möglichkeit für internationalen, trans- und interdisziplinären wissenschaftlichen Austausch bietet.

Sonnenphysik auf Mallorca

Die Forschungsgruppe für Sonnenphysik an der University of the Balearic Islands (UIB) in Palma de Mallorca ist ein renommiertes und international bekanntes Team von Physiker:innen, spezialisiert auf die Theorie von magnetohydrodynamischen Wellen in der Sonnenatmosphäre. Die Expertise der Wissenschaftler:innen an diesem Institut war äußerst hilfreich, um mein Projekt zum Thema der Interaktionen zwischen koronalen Wellen und koronalen Löchern durchzuführen. Die Sonnenkorona ist die äußerste Schicht der Sonnenatmosphäre und obwohl wir dank anspruchsvoller Satellitenmissionen viele Details ihrer Struktur erkennen können, bleiben wichtige Fragen teilweise ungelöst. Eines der interessantesten Phänomene, das Sonnenphysiker:innen seit über 100 Jahren beschäftigt, ist die Frage, warum die Korona im Vergleich zu den unteren Schichten der Sonnenatmosphäre sehr hohe Temperaturen aufweist.

Ein koronales Heizungsproblem

Koronale Löcher sind die dunkelsten Regionen in der Sonnenkorona, und wenn sie mit koronalen Wellen interagieren, können wir interessante Phänomene wie zum Beispiel reflektierte Wellen oder magnetisch helle Punkte beobachten. Die Eigenschaften und die zugehörigen Parameter dieser reflektierten Wellen verstehen wir noch nicht in all ihren Details. Sie sind aber sehr wichtig, um die dynamischen Prozesse in der Korona und somit auch das koronale Heizungsproblem besser zu verstehen.

Im Zuge des Schrödinger-Projekts ist es uns gelungen, die theoretischen Resultate einerseits mit neu generierten Simulationsergebnissen und andererseits mit Satellitendaten des Solar Dynamics Observatory (SDO) zu vergleichen. Diese Verknüpfung von Theorie, numerischen Simulationen und Beobachtungsdaten erlaubt es, wichtige Parameter dieser Interaktionsprozesse zu bestimmen, die bis jetzt nur sehr schwer direkt aus den Beobachtungsdaten abgeleitet werden konnten.

Forschungsaufenthalt am Observatorium

Die Aufgaben und Herausforderungen während meines Schrödinger-Stipendiums waren ungemein vielseitig und inkludierten, neben den üblichen Seminaren und Vorträgen, auch einen Forschungsaufenthalt am Observatorio del Roque de los Muchachos (La Palma, Kanarische Inseln) und die Organisation und Leitung einer internationalen Konferenz für Sonnenphysik in Palma de Mallorca.

Die Arbeit am Swedish 1-m Solar Telescope (SST), dem größten Sonnenteleskop Europas, hatte zum Ziel, neue Beobachtungsdaten der Sonnenatmosphäre zu generieren, um diese im Anschluss mit Simulationsergebnissen zu vergleichen. Das genaue Studieren der Wettersituation, die entscheidend für die Qualität der Beobachtungsdaten ist, das Hochsteigen auf den Turm des SST, auf dem sich das Teleskop befindet, und letztendlich das manuelle Öffnen der Abdeckung waren unvergessliche und eindrucksvolle Momente für mich, spielt sich der Alltag vieler Physiker:innen doch hauptsächlich hinter dem Computerbildschirm ab.

Konferenzverantwortung

Auch die Organisation der Konferenz mit dem Titel „The Next Frontier: Linking Simulations with Observations of the Solar Atmosphere“ war von neuen Erfahrungen und Herausforderungen geprägt. Beginnend bei der Auswahl der Fachvorträge und der Erstellung des wissenschaftlichen Programms bis hin zur Planung der sozialen Aktivitäten und der kulinarischen Versorgung der Teilnehmer:innen bot jede Aufgabe neue Möglichkeiten zur Weiterentwicklung. Die Leitung dieses internationalen Meetings war für mich persönlich von großer Bedeutung, da die Organisation und die Abwicklung von Konferenzen einen essenziellen Bestandteil des gegenwärtigen akademischen Lebens darstellen.

Leben abseits des Ballermanns

Mallorca ist in Österreich vorrangig für den sogenannten Ballermann bekannt, allerdings muss man diesen tatsächlich mit der sprichwörtlichen Lupe suchen, handelt es sich dabei doch nur um einen recht kurzen Strandabschnitt in Relation zur Größe der Insel. Diese ist ganz im Gegenteil überwiegend geprägt von einer einzigartigen Naturlandschaft, die atemberaubende Strände mit dem wunderschönen Tramuntana-Gebirge verbindet. Die Berge auf Mallorca laden besonders im Winter zum Wandern oder Klettern ein und lassen selbst das Herz einer „alpenverwöhnten“ Österreicherin ob der variantenreichen Wanderrouten höherschlagen. Die vielen verschiedenen Strände und Buchten wiederum bieten die Möglichkeit, unterschiedlichste Fische, farbenfrohe, aber trotzdem meist ungefährliche Quallen und an ruhigen Tagen sogar die sonst eher scheuen Delfine zu beobachten. Auch an Land zeigen sich wilde Ziegen, Esel, Flamingos und Greifvögel aller Art sehr gerne. Insgesamt ist Mallorca also ein absolutes Paradies für Naturliebhaber:innen.

Kunst- und Kulturerlebnisse

Vielleicht ebenso überraschend wie die Schönheit der Natur ist für viele Mallorca-Neulinge das reichhaltige Kulturangebot der Insel. Zahlreiche Konzerte, Opernaufführungen, Tanzveranstaltungen und Musikfestivals finden das ganze Jahr über entweder im Freien oder in von spanischer Architektur geprägten Konzertsälen statt. Darüber hinaus sticht auch die große Anzahl an Museen und Galerien in Palma hervor, kommt man doch kaum an einer Gasse in der Altstadt von Mallorcas Hauptstadt vorbei, ohne auf Galerien oder Ausstellungsräume verschiedenster Künstler:innen zu stoßen. Zusätzlich zur überwältigenden Schönheit der Natur und zum immensen kulturellen Angebot machten es mir sowohl das fantastische Essen als auch die warmherzigen Bewohner:innen Mallorcas leicht, mich schnell auf dieser Insel zuhause zu fühlen. Insgesamt bin ich unglaublich dankbar für fast zwei Jahre in Palma de Mallorca, in denen ich mich wissenschaftlich, aber auch kulturell und menschlich weiterentwickeln durfte.

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