Der Entschluss zu einem Auslandsaufenthalt entsprang dem Wunsch nach persönlicher Weiterentwicklung als auch purer Notwendigkeit. Ich wurde in Österreich während und nach der Dissertation als Vertretung angestellt, und zwar genau so lange, bis diese eben keine Vertretungsstelle mehr war. Auch weitere Anstellungen in FWF-Projekten stießen langsam an die Grenze von sechs Jahren, da ich die meiste Zeit ebenfalls bei Projekten beschäftigt gewesen war.
So gesehen war es für mich naheliegend, dass ich im Februar 2006 ein Erwin-Schrödinger-Stipendium beantragte. Die Wahl der „Tel Aviv University“ als Forschungsstätte erfolgte sowohl wegen der Attraktivität von Israel als einem der Zentren meines Fachs als auch wegen der bestehenden Bekanntschaft mit den Kooperationspartnern Professor Jonathan Aaronson und Professor Eli Glasner. Die räumliche Nähe zur Hebrew University of Jerusalem beeinflusste diese Wahl ebenfalls, wenngleich ich aufgrund der unterschiedlichen Charaktere der Städte vorerst Tel Aviv als Arbeitsort und Wohnsitz den Vorzug gab. Meine Forschungsstätte konnte ich auch nach der Beendigung des Erwin-Schrödinger-Stipendiums beibehalten, derzeit unterstützt durch das Research Grant der Israeli Academy of Sciences von Professor Aaronson.
Unsichere Wissenschaftskarrieren
Ein wesentlicher Unterschied zu meiner bisherigen Umgebung ergab sich jedenfalls: die Anwesenheit einer weitaus größeren Zahl von Fachkollegen mit Interesse und Wertschätzung für meine Arbeit. Mein Forschungsgebiet (Topologische Dynamik) ist in Österreich kaum vertreten, und der einzig verbliebene Kooperationspartner im Inland hat sich vor einigen Monaten von der mathematischen Forschung abgewandt, wohl auch mangels Anstellungsmöglichkeiten in Österreich. Als wesentliche Ideen hatte ich die Inhalte meines Proposals bei mir, wenngleich die Umsetzung zum Teil nicht absehbar war. Ein bedeutender Teil der mathematischen Forschung besteht nun eben im Beweisen von Vermutungen, und gerade dieser oft langwierige und von Rückschlägen geprägte Prozess erfordert ein geeignetes Umfeld und adäquate Gesprächspartner. Nur so konnte ich trotz einer durch Krankheit bedingten Unterbrechung all jene Ziele erreichen, die ich im Proposal bereits formuliert hatte. Die weitere Entwicklung ist in wissenschaftlicher Hinsicht bereits vorgezeichnet, aber in praktischer Hinsicht vollkommen unklar: Ich ziehe einen FWF-Selbstantrag in Österreich in Erwägung, jedoch unter keinen Umständen an einer dem Universitätsgesetz (UG) 2002 unterliegenden Forschungseinrichtung. Dies liegt vor allem an der Auslegung der im UG2002 enthaltenen Kettenvertragsregelung durch die Universitäten – nach meinem Erachten ausschließlich zum Nachteil der bereits befristet Beschäftigten. So werde ich wohl im Ausland bleiben oder dem Beispiel meines Kollegen folgen.
Wertvolle Eindrücke
Ohne jeden Zweifel hat Religion einen wesentlich stärkeren Einfluss auf den Alltag, als ich es bisher gewohnt war. Die Abwesenheit öffentlicher Verkehrsmittel während des Sabbat macht sich selbstverständlich bemerkbar, und der Umstand birgt wohl eine gewisse Absurdität in sich, dass ich davon stärker betroffen bin als meine Kollegen in Tel Aviv – die selbstverständlich jederzeit mit dem Auto fahren. Ebenso müssen die Sicherheitslage und die teilweise durchaus feindseligen Nachbarländer erwähnt werden, selbst wenn es während meines Aufenthalts zu keinem wirklich schweren Zwischenfall zumindest in Tel Aviv kam.
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