Unterwegs

Onderweg in Amsterdam

René Sedmik
René Sedmik unterwegs in Amsterdam Quelle: Sedmik
René Sedmik
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René Sedmik

Schon zu Beginn meines Studiums entwickelte ich großes Interesse für den sogenannten Casimir-Effekt – eine Wechselwirkung quantenmechanischen Ursprungs, welche makroskopische Wirkung entfaltet. In der Natur wird sie zum Beispiel von Geckos genutzt, um an Glasflächen zu haften. Mangels einer auf diesem Gebiet aktiven Gruppe in Österreich gab es für mich jedoch vorerst keine Möglichkeit, in diese Richtung zu forschen. Nach einer Diplomarbeit
in numerischer Plasmaphysik und einem Ausflug mit Promotion in die theoretische Physik war mir klar, dass ich ins Ausland gehen musste, um endlich meiner Leidenschaft nachgehen zu können. Die Destination war dabei Nebensache und so eröffneten sich mehrere Alternativen. Als ich den Zuspruch für das Schrödinger-Stipendium bekam, fiel mir die Entscheidung leicht. Schließlich bot mir diese Förderung die Möglichkeit, mich ganz auf die Forschung zu konzentrieren und in einer international anerkannten Gruppe zu arbeiten.

Kontakt zu Davide Iannuzzi in Amsterdam bekam ich über das europäische „CASIMIR Network“ und dessen damaligen Vertreter in Wien, Markus Arndt. Die Formulierung eines Projektplans stellte kein Problem dar, da ich bereits sehr viele Ideen gesammelt hatte, die sich zumindest teilweise mit jenen meines
Gastgebers deckten. So war von Anfang an ein ehrgeiziges Programm vorgegeben, welches zum Ziel hatte, einige seit längerem in Fachkreisen heftig debattierte Fragen zu beantworten. Grundvoraussetzung dafür war die Entwicklung eines gänzlich neuen Experiments, bei dem winzigste Kräfte zwischen zwei flachen Platten gemessen werden. Diese müssen dabei mit einem Fehler von weniger als einem Mikroradiant parallel gehalten werden.

Zum Vergleich: würde man zwei Stangen von einem Kilometer Länge mit der geforderten Genauigkeit nebeneinander positionieren, so würden sie am Ende weniger als einen Millimeter auseinander stehen. Dank konstruktiver Zusammenarbeit im Team konnten schlussendlich alle technischen Herausforderungen
gemeistert werden. Die erste Datenerfassung steht unmittelbar bevor.

Die Niederlande – der Name ist Programm

Wenn man mit dem Auto von Deutschland kommend in die Niederlande fährt, hat man den Eindruck, nach dem Auslaufen der letzten Hügel auf einer Art künstlicher Platte aufzusetzen. Jegliche Straßen, Baumgruppen, Wasserwege oder Siedlungen scheinen, in einem Planmuster angeordnet, rechteckig zu verlaufen. Keinerlei Erhebungen oder natürlich differenzierte Landschaftsformen sind sichtbar. In der Tat ist wohl ein Großteil dieses zu den dichtesten
Ballungsräumen Europas zählenden Gebietes von Menschenhand gestaltet. Über 17 Millionen Menschen leben hier auf etwas mehr als einem Drittel der Fläche Österreichs. Davon liegen etwa drei Viertel unter oder auf Meeresniveau und müssen durch kontinuierliches Pumpen und ein komplexes System von Kanälen und Deichen vor Überflutung geschützt werden

Kultur und Menschen

Die Niederlande, und speziell Amsterdam, sind in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich. Einer der bemerkenswertesten Aspekte ist wohl die auf Spinoza zurückgehende, kulturell tief verankerte Toleranz und persönliche Freiheit, welche man in allen Lebensbereichen antrifft. Ob in der Nachbarschaft, auf Ämtern, im Supermarkt, oder im Verkehr, alles läuft ruhig und ohne unnötige Emotionalität, jedoch sehr effektiv ab. Aggression oder erhitzte Gemüter findet man kaum. Freizeit hat für Niederländer einen sehr hohen Stellenwert. Sie wird zumeist außer Haus in Form von kreativen oder sportlichen Aktivitäten verbracht. Generell spielt sich das Leben, wie man es sonst eher aus südlichen Ländern kennt, trotz des dauerhaft nasskalten Wetters auf der Straße ab. In den Städten findet man unzählige Restaurants und Bars, die auch wochentags immer gut besucht sind. Sonnenschein und Temperaturen über zwanzig Grad sind eine Seltenheit. Wenn es aber doch einmal dazu kommt, gleicht die Stadt einem einzigen großen Volksfest und die Wiesen der Parks sind voll mit Menschen, die musizieren, spielen oder grillen. Das Fortbewegungs- und Transportmittel schlechthin ist „de fiets“, das Fahrrad, welches gegenüber allen anderen Verkehrsteilnehmern Vorrang hat und für welches in der Praxis so gut wie keine Regeln gelten. Unfälle gibt es trotz des ungemein großen Verkehrsaufkommens kaum, da die omnipräsenten Fahrradwege meist baulich von Fußweg und Fahrbahn getrennt sind.

Forschungsstandort Niederlande

Ausbildung und Forschung haben in den Niederlanden einen sehr hohen Stellenwert. Der ohnehin hohe Bevölkerungsanteil an Akademikern wurde, begünstigt durch gezielte Steuerermäßigungen für hoch qualifizierte Migranten, durch Zuzug aus dem Ausland noch gesteigert. Dies führte zu einer einzigartigen internationalen und gebildeten Gesellschaft, welche ein inspirierendes Umfeld für Forschung und Wirtschaft darstellt. Sehr breit angelegte und gut dotierte Förderprogramme ermöglichen es vielen Gruppen, konstant auf hohem Niveau zu arbeiten und auch riskantere Vorhaben zu verwirklichen. In meinem persönlichen Projekt konnte ich davon direkt profitieren, da sämtliche Aufwendungen für Material und Dienstleistungen durch Kofinanzierung gedeckt werden
konnten. In der Gruppe meines Gastgebers an der „Vrije Universiteit Amsterdam“ sind sieben Nationalitäten vertreten, was mir die Gelegenheit eröffnete, mehrere Sprachen zu erlernen und internationale Kontakte aufzubauen.

Nicht zuletzt dadurch war es mir möglich, während der vergangenen eineinhalb Jahre mehrere internationale Kooperationen und neue Projekte zu starten. Die Bearbeitung Letzterer wird wohl ebenso wie die Weiterentwicklung des Experiments aus meinem Schrödinger-Projekt noch einige Zeit in Anspruch nehmen, weshalb ich nicht unmittelbar nach Österreich zurückkehren werde. Leidtragend unter diesem Aspekt ist natürlich meine Familie. Glücklicherweise lebenben wir in einer vernetzten Welt mit Videotelefonie und anderen Kommunikationsmöglichkeiten, dank derer man auch mehr als tausend Kilometer von zu Hause entfernt nie ganz weg ist.

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