Unterwegs

Portugal, Portwein und die Produktionsplanung

Christian Almeder unterwegs in Porto. Quelle: Almeder
Christian Almeder Porto
Christian Almeder Porto

Die wohl häufigste Reaktion auf mein Vorhaben, ein Jahr lang in Portugal – genauer in Porto – zu forschen, war: „Na, da hast du sicher immer
schönes Wetter und ausgedehnte Siestas zur Mittagszeit.“ Nun ja, zugegebenermaßen war die Aussicht, einige Zeit im warmen Süden zu verbringen, durchaus nicht unangenehm. Aber der eigentliche Grund war doch, dass dort ein engagiertes Team von Forschern sehr erfolgreich auf dem Gebiet der Produktionsplanung
tätig ist, und ich mir eine fruchtbare Zusammenarbeit und einen regen Austausch von Ideen erwartete. Außerdem sind viele Produktionsbetriebe in Nordportugal zu finden, welche auch in zahlreichen Kooperationen mit den Universitäten stehen.

Mit guten Vorsätzen und voller Erwartung bezüglich meiner Arbeit im nun folgenden Jahr im Gepäck machte ich mich auf den Weg in buchstäbliches Neuland. Bis dato war die iberische Halbinsel nämlich ein großer weißer Fleck auf meiner persönlichen Landkarte gewesen. Doch schon beim Verlassen des Flughafens kommen erste Zweifel auf, ob ich hier wirklich im warmen Süden gelandet bin: Es schüttet wie aus Schaffeln bei gerade einmal 14 Grad, und das mitten im September. Aber ich muss zugeben, schlechtes Wetter war eher die Ausnahme. Nur die Wintermonate, mit fünf Wochen andauerndem Regen bei fünf Grad, einmal sogar Glatteis und dem ersten Schneefall in Porto seit 23 Jahren, drückten etwas auf die Stimmung.

Ausgehungert von der nicht gerade üppigen Verpflegung am Flug führten mich Bernardo und José Fernando, meine neuen Kollegen und Kooperationspartner,
in das universitätseigene Restaurant der Faculdade de Engenharia, quasi eine First-Class-Mensa mit Bedienung und Gedeck. Allerdings folgt die Bedienung dort
dem Motto: „Warte ein bisschen länger, dann hast du auch mehr Hunger.“ So wurde meine erste Mittagspause wirklich zu einer mehr als zweistündigen Siesta. Ein Grund, warum wir dieses Restaurant im Laufe des Jahres nur ganze drei Mal besuchten, obwohl die kulinarische Auswahl in der Umgebung der Fakultät doch sehr eingeschränkt ist.

Neue Freunde und unbestätigte Klischees

Apropos Mittagspausen: Der Tagesablauf in Porto ist wider Erwarten eher mittel- bis westeuropäisch. Dem etwas nach hinten verschobenen
Sonnenaufgang Tribut zollend, beginnen hier die meisten Leute um neun Uhr zu arbeiten. Allerdings sind auch Besprechungen und Lehrveranstaltungen um acht Uhr morgens keine Seltenheit. Abends um sieben ist der Parkplatz noch immer voll und die Mittagspausen sind – ganz entgegen den Prophezeiungen meiner Freunde in Wien – selten länger als eine Stunde. Einzig die lange Durststrecke zwischen dem Mittagessen um ein Uhr herum und dem Abendessen, das selten vor neun Uhr abends zu bekommen ist, machte mir am Anfang ein bisschen zu schaffen. Ansonsten erstaunte mich die überraschend ähnliche Lebenseinstellung der Portugiesen, verglichen mit den Österreichern. Man sagt ja immer, der typische Österreicher raunzt gerne ein bisschen, nimmt es aber nicht immer so genau. Ganz ähnlich die Portugiesen: immer ein bisschen unzufrieden mit sich und der Welt, aber trotzdem sehr entspannt. Der große Unterschied ist aber die offene und freundliche Art. Während meines gesamten Aufenthalts habe ich innerhalb und außerhalb der Universität nur freundliche, zuvorkommende und hilfsbereite Menschen kennengelernt. So gab es kaum ein Wochenende, an dem ich nicht von Kollegen oder Freunden zu Ausflügen, Feiern oder einfach nur zum Abendessen eingeladen war.

Forschungsideen im Gepäck

Dieses positive Umfeld schlug sich natürlich auch auf meine Arbeit nieder. Die Gelegenheit, sich ein Jahr lang ohne anderwärtige Verpflichtungen wie Lehre oder Administration der eigenen Forschung widmen zu können – und das gemeinsam mit Kollegen, die genauso motiviert sind und sich viel Zeit für die gemeinsamen Projekte nehmen –, ist einfach grandios und ungemein motivierend. Die regelmäßigen Diskussionen mit Kollegen haben viele neue Erkenntnisse gebracht und zahllose neue Fragen aufgeworfen – Diskussionen, für die man zu Hause oft keine Zeit findet. Mein Aufenthalt in Porto neigt sich jetzt dem Ende zu, in zwei Wochen werde ich zurückkehren. Mit im Gepäck sind viele neue Fragen (vielleicht noch mehr, als ich nach Porto gebracht habe), Projekte und Ideen für die Forschung der nächsten Jahre, und ein Kooperationsnetzwerk, das dank diesem Jahr der intensiven Forschung weit über Portugal hinaus gewachsen ist. Aber zurückkehren werde ich sicherlich wieder, sei es, um die neu gewonnenen Freunde und Kollegen zu treffen oder um die Liste der besuchten Portweinkellereien am Rio Douro zu vervollständigen.

Kommentare (0)

Aktuell sind keine Kommentare für diesen Artikel vorhanden.

Einen Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert