Unterwegs

Verschollen im Bermudadreieck? Keineswegs!

Tobias Pfingstl
Tobias Pfingstl unterwegs auf den Bermuda-Inseln Quelle: Pfingstl
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Als ich Freunden und Bekannten mitteilte, dass ich für einige Zeit nach Bermuda gehen werde, um dort zu forschen, erntete ich meist fragende Blicke oder ein ungläubiges Lächeln. Natürlich assoziierten viele mit Bermuda die Bermuda Shorts und das Bermudadreieck, dementsprechend meinten die meisten, man könne auf dieser Inselgruppe entweder nur in kurzen Hosen am Strand liegen oder auf mysteriöse Weise verschwinden. Gott sei Dank war dem aber nicht so und ich erlitt auch im übertragenen Sinne keinen Schiffbruch. Nach Abschluss meiner Doktorarbeit wollte ich mich beruflich neuen Herausforderungen stellen und Erfahrung in der internationalen Wissenschaftswelt sammeln.

Das Erwin-Schrödinger-Stipendium kam da gerade recht und erlaubte mir, mein eigenes Forschungsprojekt an einem renommierten Forschungsinstitut, nämlich dem „Bermuda Institute of Ocean Sciences (kurz BIOS)“, durchzuführen. Kontakt zu diesem Institut bekam ich über den ehemaligen Direktor, Wolfgang Sterrer, einen österreichischen Marinbiologen, der mittlerweile schon mehr als vierzig Jahre auf dieser Inselgruppe forscht und lebt. BIOS selbst ist eine Forschungsstätte, an der primär ozeanographische und klimatologische Langzeitstudien betrieben werden, daneben gibt es noch weitere Arbeitsgruppen, die sich mit der Ökologie von Korallenriffen beschäftigen.Da ich selbst auf keinem dieser Gebiete aktiv tätig bin, löste die Wahl dieses Institutes zur Durchführung meiner Forschung weiteres Befremden bei meinen Kollegen aus.

Bewohner zweier Welten

Als Evolutionsbiologe bin ich aber an der Entstehung neuer Arten interessiert und seit Darwin und seinem Aufenthalt auf Galapagos wissen wir, wie die Isolation auf Inseln diesen biologischen Prozess begünstigen kann. Gerade deshalb war meine Wahl zu Recht auf Bermuda gefallen. Meine Arbeit beschäftigt sich mit kleinen, meist ungeliebten Organismen, nämlich den Milben. Speziell fokussierte ich mich auf harmlose Milben, die in der Gezeitenzone vorkommen und sich von Algen ernähren. Diese Tiere sind deshalb für mich so faszinierend, weil sie typisch terrestrische Lebewesen sind, die sekundär wieder in den marinen Lebensraum eingewandert sind und nun zwei Welten gleichzeitig bewohnen.

Während der Ebbe leben sie an der Luft wie jedes andere Landtier auch, aber während der Flut leben sie untergetaucht wie marine Tiere. Sie überstehen die Zeit unter Wasser, indem sie ihre eigene Luft zum Atmen in einem winzigen Luftfilm am Körper mit sich nehmen, ähnlich einem Taucher, der einen Sauerstofftank mit sich trägt. Mittlerweile konnte ich bereits sechs neue Arten auf Bermuda nachweisen und neue erstaunliche Erkenntnisse über die Biologie und die Speziation dieser Tiere sammeln. Darüber hinaus hat der Kontakt zu internationalen Wissenschaftlern anderer Disziplinen am Bermuda Institute of Ocean Sciences meinen Horizont erweitert und mir auch andere Sichtweisen auf meine eigene Arbeit eröffnet.

Wohin uns das Schicksal treibt

Bermuda ist ein subtropisches Archipel, also eine Inselkette, im Westatlantik ca. 1000 Kilometer vor der amerikanischen Ostküste. Als erste britische Kronkolonie gehört Bermuda noch immer zum British Commonwealth. Vom englischen Charme ist auf dem Archipel aber nur mehr wenig vorhanden. Man fährt links, man spielt vereinzelt Cricket, und alte Festungen erinner an die strategisch wichtige Lage des Landes während des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges. Die Bermudianer selbst sind ein aus vielen Nationen zusammengemischtes Volk mit einer sehr entspannten Lebenseinstellung. Der Leitspruch Bermudas ist „Quo fata ferunt“, was so viel heißt wie „Wohin uns das Schicksal treibt“, und so lebt man dort einfach in den Tag hinein. Obwohl man, besonders auch im Forschungsinstitut, an manchen Tagen länger als hierzulande arbeitet, kehrt niemals der für uns Europäer schon typische Alltagsstress ein.

Nach kurzer Zeit hatte auch ich diese Gelassenheit angenommen, was sich positiv auf meine Arbeit auswirkte, da ich mit freiem Kopf und ohne hektische Getriebenheit meiner Forschung nachgehen konnte. Möglicherweise ist dieser entspannte Lebensstil aber auch durch das meist sonnig warme Klima begründet. Selbst im Winter sinken die Temperaturen kaum unter 15 °C. Von August bis Oktober wird Bermuda vom selben Fluch wie die Karibik heimgesucht, die Rede ist nicht von Johnny Depp alias Jack Sparrow, sondern der Hurrikan-Saison. Jedoch wurde Bermuda 2003 das letzte Mal direkt von einem Hurrikan getroffen, und man ist mittlerweile sehr gut auf eine solche Katastrophe vorbereitet. Ungeachtet dessen lockt die Schönheit dieses Archipels jedes Jahr viele Kreuzfahrtschifftouristen an, die sich angesichts der kleinen Fläche des Landes, ca. 53 km2, mehr oder weniger stark bemerkbar machen. Nichtsdestotrotz wird man auf Bermuda nie überfüllte Strände antreffen, wie es etwa in manchen italienischen Urlaubsorten der Fall ist. Der Tourismus stellt aber nicht den wichtigsten Wirtschaftsfaktor dar, denn durch das Fehlen von Einkommens- und Mehrwertsteuer haben sich viele Banken und Investmentfirmen
in diesem Land angesiedelt.

Papageienfische, Barrakudas, Schildkröten

In meiner Freizeit entdeckte ich meine Leidenschaft für den Tauchsport und die Unterwasserwelt Bermudas. Rund um die Inselgruppe liegen mehr als hundert Schiffswracks in seichtem Wasser auf Grund und die Riffe stellen die nördlichsten Korallenriffe der Welt dar. Papageienfische, Barrakudas und Meeresschildkröten sind keine Seltenheit und ein Zusammentreffen war immer wieder ein Erlebnis. Abgesehen vom bunten Zauber dieser Welt unter der Wasseroberfläche, konnte ich auch noch mein marinbiologisches Wissen pflegen und ungemein erweitern. Auch wenn ich angesichts dieser Tatsachen Gefahr gelaufen bin, aus dem Bermudadreieck nicht wieder zurückzukehren, so bin ich, nach über einem Jahr, seit Kurzem wieder in Österreich und absolviere die Rückkehrphase meines Stipendiums. Meine Arbeit auf Bermuda verlief ausgesprochen erfolgreich und so werde ich noch einige Zeit mit dem Auswerten der Daten und der Publikation entsprechender Inhalte verbringen. Die Rückkehrphase bietet mir die optimale Möglichkeit, dies zu tun, und ermöglicht mir auch, mein gewonnenes Know-how mit meinen Kollegen zu teilen. Durch den Auslandsaufenthalt konnte ich mein wissenschaftliches Profil weiter formen und meinen Erfahrungsschatz enorm bereichern. Auch wenn meine Forschung an den bermudianischen Milben weitergehen wird, meine Bermuda Short werde ich frühestens nächsten Sommer wieder zu Schau stellen.

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